Auf der Suche nach Alternativen gegen Emissionen testen deutsche Städte vermehrt den Wasserstoff-Hybridantrieb. In Stuttgart findet seit 2014 ein Testprojekt statt. Das Ergebnis stimmt den ansässigen Verkehrsbetrieb zuversichtlich.
Ein Mittwochmorgen inmitten der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Das Schneechaos hat die Stadt fest im Griff. Busse haben stundenlang Verspätung, Fahrgäste versuchen zur Arbeit und dabei irgendwie unversehrt durch den Talkessel zu kommen. Nicht dabei in all dem Trubel: Die Brennstoffzellen-Hybridbusse des örtlichen Verkehrsbetriebs. Das Problem ist nicht der plötzliche Wintereinbruch, sondern eine kaputte Tankstelle. Und so brummt es, poltert es und schnaubt es sich an diesem Morgen durch das Schneegestöber, wenn sich die knallgelben Busse der Stuttgarter Straßenbahngesellschaft (SSB) den Weg durch den Verkehr bahnen. Dabei sind schon seit 2014 vier Brennstoffzellen-Hybridbusse auf den Stuttgarter Straßen im Einsatz. „Emissionsfrei, flüsterleise und ressourcenschonend", charakterisiert der Hersteller die Stadtbusse mit der Bezeichnung „Citaro FuelCell-Hybrid". 25 solcher Busse fuhren bis mindestens 2016 in einem Erprobungsprojekt bei Verkehrsbetrieben in Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart, Mailand und in der Schweiz. Die Busse sind zwölf Meter lang, auffällig beklebt, fahren mit Wasserstoff und haben viel Technik auf dem Dach. Diese Technik ergänzen sieben Wasserstofftanks, die je 205 Liter Wasserstoff fassen. Die Reaktion aus Wasserstoff und Sauerstoff in den Brennstoffzellen lässt elektrische Energie entstehen, der die Elektromotoren antreibt. Die lassen den Bus nicht nur fahren, sondern betreiben etwa auch die Klimaanlage. Nicht benötigte Energie fließt in die Batterie als Zwischenspeicher. Schon von 2002 bis 2005 beteiligte sich Stuttgart an einem Projekt zum Test von Brennstoffzellenbussen. Nach der erneuten Testphase von 2014 bis 2016 waren sie bei der SSB so zufrieden mit den Bussen, dass diese bis heute im Stadtverkehr unterwegs sind. Warum, erklärt der Leiter des Unternehmensbereichs Kraftfahrzeuge, Markus Wiedemann. Man dürfe nicht allein die Emissionen von Bussen betrachten: „Die Schwierigkeit eines Verkehrsbetriebes ist, dass er unterschiedliche Kriterien erfüllen muss", sagt er. „Klimaschutz, Luftreinhaltung, Lärm, Kosten und Beschaffungsvergabe."
Gerade in Stuttgart sei die Öffentlichkeit in erster Linie auf den Feinstaub fokussiert, doch das sei nur einer von vielen Punkten. Wie die Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg im Jahr 2014 erhoben hat, waren in Stuttgart Autos für den Großteil von Feinstaub (72 Prozent) und Stickoxiden (63 Prozent) verantwortlich. Dagegen machten schwere Nutzfahrzeuge wie Busse nur 30 Prozent der Stickoxide und 22 Prozent des Feinstaubs aus. „Unsere Busse sind abgasnachbehandelt und haben Partikelfilter, deshalb sind wir mit ihnen immer unter der Feinstaubgrenze", sagt Wiedemann. „Das ist nicht mehr das Problem." Man müsse allerdings eine Balance zwischen den fünf Anforderungen finden – und da schneide der Brennstoffzellenbus am besten ab. Während ein Dieselbus allein im Stand mit 75 Dezibel lärmt, sind es beim Hybrid 65. Sind diese Busse also die Zukunft in Stuttgart? „Wir haben keine Zielvorgaben", sagt Wiedemann. „Es weiß keiner genau, ob der Markt darauf anspringt."
Anders sieht es in Köln aus. Dort hat sich die lokale Politik das klare Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 emissionsfreien Nahverkehr anzubieten. Die erste Maßnahme, um dieses Ziel zu erfüllen, war in der rheinischen Metropole ebenfalls der testweise Einsatz von zwei Wasserstoff-Hybridbussen zwischen 2011 und 2016. Seit 2014 sind zwei weitere Wasserstoff-Hybridbusse im Einsatz.
Elektroflotte benötigt mehr Busse als eine Hybridflotte
Auch im Saarland spielt das Jahr 2030 eine Rolle. 2016 forderte die Grünen-Landtagsfraktion in Person des energiepolitischen Sprechers Michael Neyses, man brauche „dringend nachhaltige Investitionen im Bereich des umweltfreundlichen Verkehrs. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Verkehrssektor zu einem Siebtel zum weltweiten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß beiträgt." Das sei notwendig, um das Klimaschutzpaket der EU-Kommission umzusetzen, das vorsieht, den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß der Staaten bis zum Jahr 2030 deutlich zu senken. Tatsächlich ist das Saarland eines der wenigen Bundesländer, in dem noch keine Hybridbusse unterwegs sind. Allerdings gibt es auch keine Wasserstofftankstellen.
Das Problem der fehlenden Infrastruktur ist ein bundesweites. In ganz Deutschland gibt es derzeit 60 Wasserstofftankstellen. Im Gegensatz zu den 15.000 Tankstellen, die Fahrzeuge mit Benzin und Diesel beliefern, wirkt das wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Am Beispiel Stuttgarts zeigt sich das ganz konkret an jenen Tagen, an denen die Hybridbusse nicht fahren können. „Das Hauptproblem ist die Wasserstoffversorgung, weil wir nur eine Tankstelle am Flughafen haben und deshalb rund 20 Minuten pro Strecke brauchen, um die Busse aufzutanken", sagt Wiedemann. Das Werkstattpersonal der SSB fährt die Busse nachts zum Volltanken. Auf Dauer kann das aber keine Lösung sein. Um sich für die Zukunft aufzustellen, will die SSB deshalb selbst aktiv werden. „Wir haben einen Förderantrag gestellt, der bewilligt wurde", sagt Wiedemann. Im Dezember flatterte der Bescheid ein, der es dem Verkehrsbetrieb ermöglicht, eine Wasserstofftankstelle für zehn Busse auf dem Betriebshof aufzustellen.
Auf diese zehn Busse soll die Flotte demnächst wachsen. Dazu hat die SSB einen neuen Vertrag mit Herstellern unterzeichnet. Rein auf Elektrobusse setzen wollen sie in Stuttgart aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht. „Wenn ich ein rein energieelektrisches Fahrzeug kaufe, wird mein betriebliches Regime sich ändern müssen", erläutert Wiedemann. „Ich muss das Fahrzeug zwischenladen, damit es den ganzen Tag fahren kann. Das möchten wir gern umgehen." Im niederländischen Eindhoven etwa brauche man zehn Prozent mehr Busse, um eine rein elektrische Flotte zu ermöglichen. „Unser heutiger Brennstoffzellenbus schafft 250 Kilometer mit Heizung und allem, kommt also den ganzen Tag durch den Stadtverkehr." Bei allem Lob für die Hybridbusse gibt es aber auch leise Kritik. Der Leiter des Geschäftsfeldes Energiewirtschaft beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Martin Wietschel, kritisierte in einem Interview mit dem „Focus", die nötigen Energieumwandlungen von Strom über Wasserstoff bis zur Antriebsenergie umfasse viele Schritte. Dadurch falle die CO2-Bilanz beim Brennstoffzellen-Antrieb ungünstiger aus als bei rein elektrischen Fahrzeugen. Dennoch fahren die Wasserstoff-Hybridbusse bis auf den ausgestoßenen Wasserdampf emissionsfrei.
Immer mehr Verkehrsbetriebe in Deutschland stellen ihre Flotten deshalb auf die Hybridtechnik um. 2016 besiegelten Hamburg und Berlin die politische „Beschaffungsinitiative E-Bus", heute „Initiative Elektrobus", zur Beschaffung von emissionsfreien Linienbussen im öffentlichen Nahverkehr. Die beiden Städte betreiben mit ihren Verkehrsunternehmen die größten deutschen Busflotten. Pro Jahr fahren dort mehr als 740 Millionen Fahrgäste auf mehr als 340 Buslinien mit knapp 3.000 Bussen. Mittlerweile haben sich weitere 13 Verkehrsunternehmen aus deutschen Großstädten der Initiative angeschlossen, darunter Bremen, Halle, Darmstadt, Kiel, Düsseldorf, Offenbach, Lübeck, München, Nürnberg, Köln, Wuppertal und Stuttgart.
In der schwäbischen Hauptstadt sind sie weithin für ihre Sparsamkeit bekannt. Doch die deutlich teureren Anschaffungskosten für Hybridbusse nehmen sie gern in Kauf, sagt Markus Wiedemann, denn „die Kapitalkosten sind völlig untergeordnet, wenn Sie die laufenden Kosten betrachten." Der Hybridbus sei im täglichen Betrieb nicht viel teurer als ein reiner Batteriebus „und das ist das Entscheidende". Eine Wasserstofftankstelle sei billiger als eine Elektrotankstelle und zur längeren Laufweite der Hybridbusse käme ein weiterer Vorteil hinzu, sagt Wiedemann: „Bei Stromausfällen sind wir mit ihnen noch in der Lage zu fahren. Wir hängen nicht am Energienetz. Wenn wir einen halbtägigen Blackout haben, sind wir schon deutlich flexibler."
Es scheint also, die Hybridbusse wären im Falle Stuttgarts die Zukunft des Nahverkehrs. Auch wenn die Stuttgarter keine Zielvorgaben haben, „glauben wir daran, dass das Konzept zukunftsträchtig ist und wollen es weiter ausprobieren", sagt Wiedemann. Derzeit laufen die Vorbereitungen für den nächsten Schritt: Gelenkbusse mit alternativen Antrieben zu testen. Dazu bekommt die SSB zwei Batterie- und zwei Brennstoffzellenbusse zur Verfügung gestellt. Bis zu acht Gelenkbusse mit Wasserstoff-Hybridantrieb sollen bis 2022 dazukommen. Und auch ohne konkrete Ziele für das Jahr 2030 – vielleicht wird der öffentliche Nahverkehr in naher Zukunft tatsächlich emissionsfrei. Die deutschen Verkehrsbetriebe sind auf dem richtigen Weg.