Der Streit um den Digitalpakt geht in die Verlängerung. Eigentlich sollen Schulen dadurch in Deutschland fünf Milliarden Euro für schnelles Internet, W-Lan oder Tablets bekommen. Doch wer wieviel zahlt und ob das Grundgesetz dafür geändert werden müsste, bleibt derzeit noch umstritten.
Alles könnte so einfach sein, ist es aber nicht. Die Länder brauchen Geld, der Bund hätte es. Aber er kann es ihnen nicht einfach so geben. Es muss sogar das Grundgesetz dafür geändert werden. Was ein bisschen nach dem sprichwörtlichen Schießen mit Kanonen auf Spatzen aussieht, rührt an die Fundamente des deutschen Föderalismus. Dieser ist vom Grundgesetz geschützt, gehört sogar zu den Grundsätzen, die überhaupt nicht geändert werden können.
Bildung ist von sich aus Ländersache, immer schon gewesen, der Bund müsste eine solche Zuständigkeit erst übertragen bekommen (Artikel 30 Grundgesetz). Die Bundesländer finanzieren die Bildung also und bestimmen ihre Inhalte. Dabei stimmen sie sich ab in der gemeinsamen Kultusministerkonferenz, kurz KMK, einer Institution, die eine ganz besondere Stellung hat. Ihr Selbstbewusstsein rührt nicht zuletzt daher, dass sie älter ist als das Grundgesetz selbst, und damit die Bundesrepublik. Das Grundgesetz wird dieses Jahr 70, die KMK wurde es schon voriges Jahr.
Seit Ende Januar tagt nun der Vermittlungssauschuss des Bundesrates, um einen Kompromiss auszuhandeln, denn die Fronten zwischen Bund und Ländern sind verhärtet. Die Interessen laufen quer durch die Parteien: Der Bund will den Ländern, eigentlich den Kommunen, mit fünf Milliarden Euro unter die Arme greifen, damit die ihre Schulen auf Vordermann bringen und digital aufrüsten.
Eine Klausel in letzter Minute
Seit der Föderalismusreform von 2006 gilt aber insbesondere ein „Kooperationsverbot". Der Bund darf den Ländern keine Finanzhilfen für Bereiche geben, für die ausschließlich die Länder zuständig sind, also insbesondere bei der Bildung. Dahinter steckt die alte menschliche Erfahrung, dass mit Geld immer auch Einfluss verbunden ist und der Bund soll auf die Bildungspolitik der Länder keinen Einfluss ausüben können – siehe Kapitel Föderalismus.
Nicht der Digitalpakt an sich ist umstritten, sondern wie er umgesetzt werden soll. Muss das Grundgesetz geändert werden? Welche Vereinbarungen hängen davon ab? Der Knackpunkt nun: In quasi letzter Minute haben die haushaltspolitischen Sprecher von Union und SPD eine Klausel in den Vorschlag hineingeschrieben, die es in sich hat: Künftig sollen alle Bundeszuschüsse für Bildung, Wohnen und Verkehr immer eins zu eins von Landesmitteln ergänzt werden, also 50:50. Ursprünglich galt beim Digitalpakt das Verhältnis 90 (Bund) zu 10 (Land). Dagegen richtet sich nun der Widerstand der Landesfürsten, vor allem aus den ärmeren Bundesländern, die knapp bei Kasse sind. Nicht zuletzt die Schuldenbremse schränkt den Handlungsspielraum der Länder ein: Ab 2020 dürfen sie keine neuen Schulden mehr machen.
Die Kernfrage aber ist am Ende doch die, ob mit der Reform der Föderalismus ausgehöhlt werden könnte. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte die geplante Grundgesetzänderung drastisch einen „Frontalangriff auf die föderale Struktur" Deutschlands.
Wie dieser „Angriff" ausgeht, ist nicht abzusehen. Die Verhandlungen werden zäh und schwierig. Udo Beckmann, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), einer Lehrergewerkschaft, hält es momentan für schwierig, abzusehen, welche Konsequenzen die Regelungen rund um den Digitalpakt haben können und werden. Er hat aber Verständnis für beide Seiten: „Der Bund hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Gelder zielgerichtet verwendet werden und eine zusätzliche Investition neben denen der Länder bleibt. Es muss vermieden werden, dass sich die Länder ein Stück weit aus ihrer Verantwortung ziehen und die zusätzlichen Gelder dafür nutzen, ihre Haushalte zu sanieren. Trotzdem darf eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bund nicht dazu führen, dass dieser in die Kompetenzen der Länder eingreifen kann."
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagt erst mal nicht mehr als: „Wir müssen jetzt schnell eine befriedigende Lösung für alle Seiten finden." Soviel dürfte also klar sein.