Steuerzuschüsse, neue Beitragssätze, mehr private Vorsorge oder eine Bürgerversicherung: In die Debatte über die Finanzierung der Pflege ist Bewegung gekommen. Ein Überblick.
Das können Familien selbst leisten und welche Aufgaben kommen in den nächsten Jahren auf die Pflege zu? Unter dieser Fragestellung hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Debatte um die Zukunft der Pflege angestoßen. Denn eines ist klar: Deutschland wird älter, die Anforderungen an Senioreneinrichtungen und ärztliche Versorgung werden steigen. Dazu kommt: Schon heute fällt es vielen schwer, die Kosten für den Pflegeplatz eines Angehörigen aus eigener Tasche zu bezahlen. Auf der anderen Seite rufen Pflegekräfte zu Recht nach einem besseren Betreuungsschlüssel und einer gerechteren, sprich höheren Bezahlung – beides, Personal und Gehalt, ist Bestandteil der aktuellen „Konzertierten Aktion Pflege" von Gesundheitsminister Spahn und Familienministerin Giffey (SPD). Das verschärft sogar noch die Frage ums liebe Geld. Und um mögliche Alternativen dazu, die Beiträge immer weiter in die Höhe zu schrauben.
Der Beitragssatz könnte deutlich steigen
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Karin Maag, argumentiert, dass durch eine bessere Personalausstattung, bessere Löhne und mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten die Solidargemeinschaft der Versicherten bereit sein sollte, auch etwas höhere Beiträge in Kauf zu nehmen. Zumal durch das Pflegestärkungsgesetz die Leistungen der Pflegeversicherung ausgebaut worden seien – sie erreichten heute durch die neuen Pflegegrade mehr als eine halbe Million Menschen, die auf pflegerische Hilfe angewiesen sind, erstmals. Das betreffe gerade die Gruppe der Menschen mit Demenzerkrankungen. In der Finanzierung müsse man also einen Ausgleich zwischen notwendigen Einnahmen einerseits und zu hohen Belastungen für die Beitragszahler andererseits finden. Gesundheitsminister Jens Spahn zufolge sei das aber nur im Rahmen einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik möglich. Denn auch für die Gesundheitspolitik gelte: „Alle Ausgaben zur Verbesserung müssen erst mal erwirtschaftet werden." Deshalb müsse man auch in der Pflege die Kosten immer im Blick haben – das gelte auch für die Beiträge.
Bereits zum Jahresanfang war der Beitragssatz um einen halben Punkt angehoben worden. Flossen bislang (Stand 2017) 36 Milliarden Euro in die Pflegekasse, so steigert diese Erhöhung auf aktuell 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens der Bundesregierung zufolge die Einnahmen um rund 7,6 Milliarden jährlich.
Doch das wird womöglich nicht das Ende der Fahnenstange sein, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Denn waren 2017 3,3 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, so sollen es 2045 fünf Millionen sein. Der Beitragssatz der Pflegeversicherung, so die Fachleute, könnte bis zum Jahr 2045 auf 4,25 Prozent steigen.
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) spricht von einer Finanzierungslücke: Er verlangt einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung, die bislang nur aus Beiträgen finanziert wird. Der GKV beziffert die Höhe des benötigten jährlichen Zuschusses auf 2,7 Milliarden Euro, um den steigenden Anforderungen gerecht werden zu können.
Die FDP hingegen setzt auf die individuelle Verantwortung, um die Kosten aufzufangen: Sie will die umlagefinanzierte gesetzliche Pflegeversicherung durch freiwillige private Vorsorge ergänzen. Dazu sollen höhere Beiträge für eine Privatversicherung steuerlich absetzbar sein. Auch über eine Betriebs- oder eine Riesterrente könnten Beiträge zu einer Pflegevorsorgeversicherung mit bezuschusst werden. Zusätzlich, so die Liberalen, soll der sogenannte Pflegevorsorgefonds ausgebaut werden. In diesen Fonds zahlen Versicherte seit 2015 monatlich 0,1 Prozent ihres Einkommens ein. Bisher seien 3,8 Milliarden Euro zusammengekommen, eine Finanzierungsreserve, wenn ab 2034 die Babyboomer-Generation ins Pflegealter kommt.
Einen genau entgegengesetzten Weg wollen SPD und Grüne einschlagen, um mit dem demografischen Wandel mithalten zu können – sie wollen Beamte und Privatversicherte in die Pflegeversicherung hineinholen. SPD-Vizefraktionschef Karl Lauterbach: „Diese Gruppen profitieren vom Pflegesystem, zahlen aber zum Teil deutlich niedrigere Beiträge". Sein Vorschlag: „Wir werden die steigenden Kosten in der Pflege auf Dauer nur finanzieren können, wenn auch Beamte und Privatversicherte in Zukunft Beiträge in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen. Wir brauchen eine Bürgerversicherung in der Pflege."
Auch ein Steuerzuschuss käme infrage
Auf der Empfängerseite bestehe ja schon ein Gleichgewicht, weil gesetzlich und privat Versicherte identische Leistungen erhielten – damit argumentiert die Grünen-Bundestagsfraktion ähnlich wie die SPD. Dieses Gleichgewicht müsse jedoch ergänzt werden durch die Verteilung der Pflegekosten auf breitere Schultern. Eine Bürgerversicherung hätte den Vorteil, dass auch Menschen, die privat versichert sind und im Durchschnitt ein höheres Einkommen haben, mit einbezogen würden. Ziel ist, Personen mit geringem Einkommen zu entlasten – egal, ob gesetzlich oder privat versichert. Außerdem sollten auch Steuerzuschüsse infrage kommen, wie sie in der Renten- sowie der Krankenversicherung üblich seien.
Ohnehin gehen die Grünen davon aus, dass die Ausweitung der Definition von Pflegebedürftigkeit auf Demenzerkrankungen weiter zu Mehrausgaben führt. Dafür reiche die Beitragserhöhung nicht aus. „Die Bundesregierung hofft, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2022 stabil bleibt", erklärt die Grünen-Bundestagsfraktion. Doch: „Wir befürchten: Sie hat erneut zu optimistisch gerechnet, da 60 Prozent der Erhöhung schon allein dafür benötigt werden, die Pflegereformen der vergangenen Wahlperiode zu finanzieren."
Der Forderung nach einer Versicherung, in die alle einzahlen, schließt sich die Linke an. Allerdings geht sie noch weiter: Um die Menschen von den Kosten für einen Heim-Platz zu entlasten, schlägt sie eine Vollversicherung vor, die ähnlich der Krankenversicherung alle Kosten abdeckt. Und in die alle einzahlen, um die Kosten solidarisch zu verteilen.