In der ehemaligen Scheune im historischen Gut Königsbruch in Homburg hat sich die Schriftkünstlerin Katharina Pieper einen Lebenstraum erfüllt und die Stiftung Schriftkultur, einen beeindruckenden Ort für die Kultur des Schreibens, geschaffen.
Mit einer herzlichen Begrüßung und leuchtenden Augen empfängt Katharina Pieper die Besucher auf Gut Königsbruch. Die Freude über das mit viel Enthusiasmus und Herzblut geschaffene Kleinod mit beeindruckenden Räumen rund um das Thema „Schriftkultur" ist ihr anzumerken. In den Jahren 2015 bis 2017 wurde die ehemalige Scheune im Ostflügel des Gutshofes von Architekt Lars Maier nach Piepers Vorstellungen und Anforderungen an so vielfältige wie unterschiedliche Bedürfnisse für die hier beheimatete Galerie, das Museum mit Jean-Larcher-Archiv, den Workshop-Bereich und die Bibliothek umgebaut und eingerichtet. Im Jahr 2016 hat sie das alles mit der Gründung der gemeinnützigen Stiftung Schriftkultur gebündelt, bei der sie auch den Vorsitz einnimmt. Mit unglaublicher Power hat sie in den letzten Jahren an ihrem Lebenstraum gearbeitet, denn das historische Gut Königsbruch war bis zum Jahr 2014 in ruinösem Zustand.
Fast 20 Jahre lang kümmerte sich niemand um das Gut. Aus der einst prächtigen Gutshofanlage, bestehend aus einem zweigeschossigen Herrenhaus mit Verwaltergebäude, Scheune und Pferdestall, war ein architektonischer Schandfleck geworden. Dabei war der Gutshof einmal das erste Gebäude des späteren Dorfes Bruchhof, das heute zu Homburg gehört. Erbaut im Jahre 1766 von Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken, wechselte das späterhin auch als „Bruchhof" oder „Tascher Hof" betitelte spätbarocke Ensemble über die Jahrhunderte hinweg immer wieder seine Eigentümer, bis es wegen seines annähernd 20 Jahre dauernden Leerstandes in einem stark heruntergekommenen Zustand war. Im Jahr 2014 erwarb ein Bauunternehmer aus Saarbrücken den Gutshof und erweckte ihn – gemeinsam mit seiner Ehefrau – wieder aus seinem Dornröschenschlaf.
Mit Enthusiasmus zum Lebenstraum
Davon erfuhr die in Saarlouis geborene Schriftkünstlerin Katharina Pieper, die seit vielen Jahren in Jägersburg lebt, durch einen Zeitungsartikel im Jahr 2015. Die neuen Besitzer hatten nicht nur begonnen, den Gutshof denkmalgerecht zu restaurieren, sie hatten auch schon Pläne für die künftige Nutzung. Nur für die ehemalige Scheune suchte man noch nach einer adäquaten Verwendung. Pieper nahm sofort Kontakt zu den Besitzern auf, denn sie träumte schon lange von einem Zentrum für Schriftkultur mit angeschlossenem Museum.
Es stellte sich heraus, dass die neuen Hofbesitzer und Katharina Pieper sich kannten. Piepers Leidenschaft und Passion, nämlich die Kunst des Schönschreibens, der Kalligrafie, hatte sie bereits in den 90er-Jahren zusammengeführt. Pieper entwarf vor 25 Jahren die Hochzeitsanzeige der Gutshofbesitzer. Als sie ihre Idee des Museums für Schriftkultur vortrug, waren alle sofort begeistert. „Das ist genau das, was wir gesucht haben!", bekundeten die Besitzer, und der Ostflügel von Gut Königsbruch hatte fortan seine neue Bestimmung gefunden.
Das „Königreich für die Kalligrafie", so der Titel der ersten Infobroschüre der Stiftung, die hier entstanden ist, versteht sich als Institution zur Förderung und Verbreitung des Kulturgutes Schrift, der Schriftkunst, der Kalligrafie und der Typografie sowie der Handschrift als Kommunikationsmittel. „Die Schrift ist die intelligenteste Erfindung überhaupt. Sprache lässt sich mit Zeichen fixieren. Wie sollten wir sonst kommunizieren?", formuliert Pieper die Bedeutung der Schrift. Die Handschrift ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit des Schreibenden. Auch im digitalen Zeitalter ist die Kalligrafie, die Kunst des schönen Schreibens, immer noch gefragt.
Auf Schriften hat sich die Kommunikationsdesignerin und Buchautorin Katharina Pieper bereits während ihres Studiums in Wiesbaden spezialisiert. Heute hat sie Lehraufträge im Fach Schriftgestaltung an der Fachhochschule in Mainz und Wiesbaden und unterrichtete bis 1998 auch an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Hier, in der „Stiftung Schriftkultur", die ihre Räume auf Gut Königsbruch am 1. April 2017 bezogen hat, ist sie nicht nur die diplomierte Designerin mit einer Vorliebe für Schriften, sondern sie ist zugleich Museumsleiterin, Galeristin, Dozentin und Vereinsvorsitzende.
Handschrift als Persönlichkeitsmerkmal
Die erste Ausstellung in der „Stiftung Schriftkultur" mit dem Titel „Begegnung mit Schrift – Kalligrafie kennt keine Grenzen", welche Werke von Jean Larcher und Katharina Pieper zeigte, wurde schließlich im Mai 2018 mit großem Publikumszuspruch eröffnet. Das Barockensemble Gut Königsbruch in seiner Gesamtheit präsentierte sich wenige Monate später, am Tag des Offenen Denkmals, offiziell zum ersten Mal der Öffentlichkeit – und wurde vom Besucheransturm mit fast 2.000 Gästen regelrecht überrollt.
Die Schirmherrschaft für ihre Eröffnungsausstellung hatte Außenminister Heiko Maas übernommen, der – wie Katharina Pieper – aus Saarlouis stammt. Er verweist in seinem Vorwort auf die historisch enge Verwandtschaft zwischen der Diplomatie und dem Handwerk des schönen Schreibens. Denn auch heute noch seien bei Staatsbanketten handgeschriebene Platz- und Menükarten Ausdruck von Wertschätzung, die man dem Gast entgegenbringen will. Diese Liebe zum Detail entschleunige damit auch die hektische Welt der Politik.
Der Entschleunigung kann man auch bei Workshops in der Akademie der Stiftung Schriftkultur nachgehen. In Seminaren, Kursen und Workshops kann das kalligrafische und handschriftliche Schreiben praktiziert werden. Auch ein Kurs zu Buchbinde- und Hefttechniken – speziell für Kalligrafen – ergänzt noch in diesem Monat das umfangreiche Kursangebot.
Im Gewölbekeller sind das „Museum für Kalligrafie und Handschrift" und das „Jean-Larcher-Archiv" untergebracht. Der frühere Vorratskeller wurde einen halben Meter tiefergelegt, um an Raumhöhe zu gewinnen, und präsentiert nun in zehn Tischvitrinen eine Dauerausstellung mit Schreibwerkzeugen (Schilfrohr, Federkiel, Metallfeder), verschiedenen Schreibflüssigkeiten wie Tinten und Tuschen, Handschriften, Faksimile-Drucken und kleinen Buchobjekten. Auf ergänzenden Schautafeln lässt sich die Geschichte der Schrift nachvollziehen. Ihrem verstorbenen Lebensgefährten, dem französischen Schriftkünstler Jean Larcher, hat sie mit einer exquisiten Auswahl einiger Arbeiten einen Ehrenplatz eingeräumt. Fast acht Jahre hatte Larcher an seinem Lebenswerk „Traits de Caractère" („Linien mit Charakter") gearbeitet, das wenige Monate vor seinem Tod im Jahr 2015 erschien. Das rund 600 Seiten starke Nachschlagewerk mit 300 Kalligrafien in acht Sprachen richtet sich an Liebhaber der Schriftkunst. Im Museum ist es hier, gemeinsam mit originalen „Schriftstücken" von Larcher, zu bewundern. Komplettiert werden Galerie, Museum und Archiv durch eine kleine Bibliothek, die den Büchernachlass von Jean Larcher präsentiert und neben bibliophilen Kostbarkeiten zum Thema Schrift und Kalligrafie auch Fachbücher und -zeitschriften zur Typografie und Schriftgeschichte enthält.
Schreibend zur Entschleunigung
Nach drei arbeitsintensiven Jahren zur Errichtung der Räume und Gründung der Stiftung blickt Katharina Pieper nun gespannt auf die erste Saison bei der alle zur „Stiftung Schriftkultur" gehörenden Abteilungen fertiggestellt sind. Neben der Vermittlung der Handschrift als Kommunikationsmittel und dem Wunsch, Menschen zusammenzubringen, die sich künstlerisch mit der Schrift befassen, möchte sie die Räume der Stiftung auch bildenden Künstlern und Musikern zur Verfügung stellen.
Die Akademie der Stiftung hat ihr umfangreiches Kursangebot bereits Anfang Februar gestartet, darüber hinaus können Gruppen und Vereine auch individuelle Kurse zum Thema Schrift und Schönschreiben vereinbaren. Vor allem Kooperationen mit den Homburger Schulen liegen Katharina Pieper am Herzen. Sie möchte Schülerinnen und Schülern zeigen, dass die Kultur des Schreibens älter ist als die Erfindung des Smartphones. Denn auch hinter einem digital verfassten Text steht immer ein menschliches Wesen.