Gegen Wolfsburg ist Herthas „Grujic-Serie" gerissen – in Mönchengladbach bekommt man es nun mit dem stärksten Heimteam zu tun.
Petrus sollte vergangenen Sonnabend selbst den größten Optimisten die Hoffnung auf einen vergnüglichen Fußballnachmittag im Olympiastadion schon im Voraus nehmen. Schneeregen ging über der Hauptstadt nieder und tauchte das Spiel von Hertha BSC gegen den VfL Wolfsburg fast durchgängig in eine Art Grauschleier. So jedenfalls konnte es wirken, wenn man das Geschehen auf dem Platz mit einer Sympathie für den Hauptstadtclub betrachtete. Pal Dardai schickte dabei auch im dritten Spiel der Rückrunde die gleiche Startformation auf das Feld – nach zuvor ordentlichen vier Zählern aus zwei Spielen nur konsequent. Aber: Im ersten Durchgang spielten die Schützlinge des Hertha-Trainers eher verhalten und sollten es lediglich auf eine Torchance bringen. Nach der Pause ging die Dardai-Elf dagegen mit mehr Entschlossenheit ans Werk, Torchancen konnte sie sich dennoch zunächst nicht erspielen. So nutzten die Gäste Mitte der zweiten Halbzeit ihrerseits einen Stellungsfehler in der Berliner Abwehr durch Weghorst zum Führungstreffer. Der Hertha-Trainer reagierte auf den Rückstand, wechselte durch: Salomon Kalou für Vedad Ibisevic, Maximilian Mittelstädt für Marvin Plattenhardt und auch Vladimir Darida für Arne Maier kamen innerhalb kurzer Zeit ins Spiel. Mit dem Mut der Verzweiflung agierten die Blau-Weißen allerdings erst in den letzten zehn Minuten, wo sie sich alleine drei Torgelegenheiten herausspielten – aber Wolfsburgs Torwart Casteels war jeweils auf dem Posten. So endete mit der 0:1-Niederlage auch eine für Hertha BSC inzwischen nicht ganz unerhebliche Serie: nämlich die, dass die Berliner diese Saison nie als Verlierer den Platz verließen, wenn Marko Grujic mit von der Partie war.
Verhaltener Auftritt in erster Halbzeit
Der im letzten Sommer vom FC Liverpool ausgeliehene Mittelfeldspieler hat sich bei Verantwortlichen und Fans in Berlin schon quasi einen Sonderstatus erspielt. Nicht nur, dass Trainer und Mitspieler den serbischen Nationalspieler unisono über den grünen Klee loben – auch in einer Zahl lässt sich dessen Qualität bemessen: mit der Durchschnittsnote von 2,75 im „Kicker" wäre Grujic nach dem 19. Spieltag viertbester Feldspieler der Bundesliga gewesen – gleichauf mit Axel Witsel. Doch während der Dortmunder zu diesem Zeitpunkt 18 bewertete Bundesligaspiele vorzuweisen hatte, kam Grujic nur in halb so vielen Spielen zum Zug – dadurch erscheint er noch nicht in der Rangliste des Fachmagazins. Denn Verletzungspech sorgte bislang für zwei längere Auszeiten des 22-Jährigen in dieser Spielzeit. Zwar ist der Nimbus von Herthas „Unbesiegbarkeit" mit Grujic nun also perdu, dennoch bleiben die Werte frappierend: Fehlte der Serbe, gab es im Schnitt nur 0,7 Punkte pro Spiel für die Hertha – spielte er mit, weist die Statistik aktuell hingegen 2,1 Zähler auf. In Anbetracht seines Auftretens verstieß Pal Dardai bislang sogar schon gegen gleich zwei seiner Prinzipien. Zum einen hebt der Ungar eher selten einzelne Spieler hervor. Im Fall von Grujic aber ließ er sich zur Aussage hinreißen, in 22 Jahren bei Hertha BSC als Profi und Trainer keinen besseren Mittelfeldspieler erlebt zu haben. Zum anderen verfährt Dardai eigentlich stets nach der Prämisse, nur zu 100 Prozent fitte Spieler nach einer Verletzung wieder einzusetzen. Anders im Fall des Mittelfeldspielers: obwohl erst für das zweite Rückrundenspiel angekündigt, ließ der Hertha-Coach Grujic bereits zum Auftakt in Nürnberg spielen. Hinterher analysierte Dardai: „80 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 92 Prozent Passquote: er gibt der Mannschaft Ruhe." Und das, obwohl der Serbe nach seiner zweiten Verletzung in dieser Spielzeit noch gar nicht bei voller Leistungsstärke angekommen war – und es auch immer noch nicht ist.
Beim kommenden Gegner der Berliner, Borussia Mönchengladbach, wird es dabei – gerissene Serie hin oder her – wohl ganz besonders auf Marko Grujic ankommen. Für die „Fohlen-Elf" läuft es dieses Jahr richtig gut, mit 42 Punkten nach 20 Spielen und aktuell Platz zwei nimmt man Kurs auf die Champions League. Der Höhenflug der Gladbacher ist vor allem einer Tatsache geschuldet, welche die Schwierigkeit von Herthas Aufgabe am Sonnabend im Borussia-Park unterstreicht: Das Team von Dieter Hecking ist das heimstärkste der Bundesliga.
In den neun Spielen auf eigenem Platz fuhr man die volle Punktzahl ein – auffällig dabei: Sechsmal stand es zur Pause torlos, doch am Ende setzte die Borussia ihre Dominanz im eigenen Stadion durch. Es wird also eines langen Atems bedürfen, um am Niederrhein als erstes Team etwas Zählbares zu erreichen. Dazu hingen die Trauben für Hertha BSC in den letzten Jahren in Mönchengladbach traditionell hoch: Nur einen Punkt brachte man aus den vergangenen sieben Gastspielen wieder zurück in die Hauptstadt, die letzten fünf gingen durch die Bank verloren. Wenig nutzt da die schöne Erinnerung an das Hinspiel, als Hertha BSC beim 4:2-Sieg ein herausragendes, vielleicht sogar das bislang beste Saisonspiel hinlegte.
Erinnerungen an Auftritt in Dortmund
Den Nackenschlag nach einer halben Stunde durch das Elfmeter-Tor von Thorgan Hazard steckten die Blau-Weißen seinerzeit eindrucksvoll weg: Schon fünf Minuten später führten sie durch Treffer von Vedad Ibisevic und Valentino Lazaro. Der Bosnier erhöhte dann im zweiten Durchgang auf 3:1, und auch auf den erneuten Anschluss durch Gladbachs Torjäger Alassane Plea (aktuell zehn Saisontreffer) hatte Hertha die passende Antwort: Ondrej Duda stellte den alten Abstand wieder her. Damit wurde den Gladbachern seinerzeit nicht nur die erste Saisonniederlage zugefügt, sondern auch der eigene Bundesligastartrekord mit zehn Punkten aus vier Spielen sowie Platz zwei unter Dach und Fach gebracht. Einziger Wermutstropfen, dessen wahres Ausmaß erst später deutlich wurde: 20 Minuten vor dem Ende ging Gladbachs Patrick Herrmann völlig falsch in einen Zweikampf mit Marko Grujic und fügte ihm dadurch eine Verletzung im Sprunggelenk zu, die Herthas Allrounder zu einer fast zweieinhalbmonatigen Pause zwang. Mut vor der Herkulesaufgabe in Mönchengladbach macht aber das Berliner Gastspiel bei Borussia Dortmund am neunten Spieltag, als man durch ein 2:2 einen Punkt entführen konnte. Das gelang in dieser Spielzeit im Signal-Iduna-Park bisher noch keinem anderen Bundesligisten außer Hertha BSC – und das sogar ohne Marko Grujic.