Am 29. März soll der Austritt Großbritanniens aus der EU erfolgen. Sportlich droht der Fußball-Bundesliga im März jedoch ein Brexit der anderen Sorte: das Aus aller deutschen Vereine in der Champions League gegen Teams von der Insel.
Die Wiedergutmachung schien eigentlich schon geglückt. Nach einigen mäßigen Europacup-Jahren und einer fast schon desaströsen Vorsaison spielten die Vereine aus der Fußball-Bundesliga diesmal eine größtenteils gute Gruppenphase in den beiden Europapokalen. In der Champions League zahlte Hoffenheim Lehrgeld, begeisterte aber durchaus mit frischem Offensiv-Fußball. Die drei anderen gestarteten deutschen Clubs zogen geschlossen ins Achtelfinale der Königsklasse ein. Mit 13,071 Punkten stellte die Bundesliga die zweitbeste Liga der Vorrunde. Der vierte Gesamtplatz – der nach dem schwachen Vorjahr gefährdet schien – ist wieder gefestigt. Er garantiert auch in Zukunft vier Champions-League-Starter.
Doch dann hatte das deutsche Trio großes Los-Pech. Denn die einzige Liga, die in der Gruppenphase noch besser war als die deutsche war die englische. Und im Achtelfinale treffen die drei deutschen Vereine tatsächlich auf drei englische. Die Duelle sind reizvoll und brisant: Der FC Bayern spielt gegen den FC Liverpool mit Teammanager Jürgen Klopp, Dortmund gegen Tottenham Hotspur und Schalke gegen Manchester City mit dem früheren Bayern-Coach Pep Guardiola und dem Ex-Schalker Leroy Sané. Die Aufgaben könnten schwerer aber kaum sein. Einmal ist der Bundesligist wohl leichter Favorit, einmal leichter und einmal klarer Außenseiter. Doch klar ist: Eine echte Wiedergutmachung für die enttäuschenden letzten Europacup-Jahre kann die Bundesliga nur mit Achtungserfolgen schaffen. Für Bundestrainer Joachim Löw wären Erfolge der deutschen Vereine denn auch „ein gutes Signal für den deutschen Fußball". Allerdings sind es für ihn in zwei Fällen „Begegnungen auf Augenhöhe" – Schalke sieht er als Außenseiter.
FC Bayern München – FC Liverpool
Beim Wettanbieter bwin sind die Reds mit einer Quote von 1,75 zu 2,0 leichter Favorit in diesem Duell, bei transfermarkt.de wird der Liverpool-Kader mit einem Gesamtwert von 926 Millionen taxiert, der des FC Bayern mit 753 Millionen. Klopp hat in Liverpool seit 2015 ein Team aufgebaut, das seinen Vollgas-Fußball mit individueller Qualität paart. Dafür haben die Briten auch richtig Geld ausgegeben. Den brasilianischen Torhüter Alisson Becker machte Klopp mit einer Ablösesumme von 62,5 Millionen zum teuersten Torhüter der Welt, den niederländischen Innenverteidiger Virgil van Dijk mit 78,8 Millionen zum teuersten Abwehrspieler. Dazu kommt in Mo Salah einer der besten Stürmer der Welt, zusammen mit Sadio Mané und dem Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino bildet er ein magisches Offensiv-Dreieck, das Liverpool im Vorjahr bis ins Finale führte. In dieser Spielzeit führen die Reds die Premier League souverän an, erst Anfang Januar gab es die erste Niederlage beim ärgsten Verfolger Manchester City.
Für Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic ist Liverpool deshalb „die Mannschaft der Stunde. Das ist ein Brocken, aber darauf freut man sich als Spieler." Trainer Niko Kovac sprach vom „schwerstmöglichen Los". Bei den Spielern kribbelt es aber schon seit der Auslosung Mitte Dezember. Arjen Robben, der 2013 das entscheidende Tor im Finale gegen Dortmund schoss und seine Champions-League-Karriere sicher nicht im Achtelfinale beenden will, freut sich auf „ein geiles Spiel. Das ist für jeden Spieler ein Traum, wenn du so ein Spiel machen kannst." Auch Torhüter Manuel Neuer versprühte Optimismus: „Sie werden sich sicherlich auch nicht über das Los freuen. Sie können schnell kontern und sind torgefährlich. Sie sind aber auch verwundbar." Für Klopp ist es ein „schwieriges, aber gutes Los. Für mich ist es schön, nach Deutschland zurückzukehren. Es ist lange her, dass ich gegen Bayern in einem Pflichtspiel angetreten bin. Darauf freue ich mich wirklich." 29 Mal hat Klopp allerdings schon gegen die Münchner in seiner Trainer-Karriere gespielt, häufiger als gegen jeden anderen Verein dieser Welt. Seine Bilanz ist mit neun Siegen, vier Unentschieden und 16 Niederlagen negativ. Rechnet man allerdings die sieben Spiele mit Mainz raus, in denen er nur einen Punkt holte, ist sie fast ausgeglichen. Im letzten Duell 2015 gewann Klopp im Pokal-Halbfinale mit Dortmund in München, davor verlor er mit dem BVB aber gleich drei Finals gegen den FC Bayern.
Borussia Dortmund – Tottenham Hotspur
Die Dortmunder sind als einziger Bundesligist der Favorit. Denn in der Bundesliga läuft es beim Tabellenführer super, und auch in der Champions League holten die Westfalen den Gruppensieg vor Atlético Madrid. Beim 4:0 gegen die Spanier zeigten sie zudem eines der besten Spiele der vergangenen Jahre. Doch mit Tottenham hat Dortmund schlechte Erfahrungen. In der Gruppenphase der vergangenen Saison verlor der BVB beide Spiele gegen die Londoner.
Diesmal habe man den Anspruch weiterzukommen, betonte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Die Chancen bezifferte er aber auf „fifty-fifty. Das ist ein starker Gegner. Aber wir sind auch stark." Bei bwin steht der Kurs 1,67 zu 2,10 für den BVB, obwohl der Kader der Briten laut transfermarkt.de deutlich wertvoller ist (808 zu 568 Millionen Euro).
Allerdings fallen 250 Millionen auf WM-Torschützenkönig Harry Kane (150) und Ausnahmetalent Dele Alli (100). Und beide werden den Spurs in den Duellen mit Dortmund fehlen. Kane, den Real Madrid im kommenden Sommer mit mehr als den 222 Neymar-Millionen zum teuersten Spieler der Welt machen könnte, leidet an einer Knöchelblessur, Alli an einem Muskelfaserriss im Oberschenkel.
Die Stars von Tottenham sind somit der Ex-Leverkusener Heung-min Son, Frankreichs Weltmeister-Torhüter Hugo Lloris, Belgiens Rekord-Nationalspieler Jan Vertonghen oder der einst auch von Dortmund heftig umworbene Däne Christian Eriksen. „Tottenham ist aktuell die Nummer drei in England. Das sagt alles", meinte BVB-Trainer Lucien Favre. „Es ist eine sehr, sehr gute Mannschaft." Manager Michael Zorc erklärte derweil: „Die Partien vom letzten Jahr sollten wir nicht als Beispiel heranziehen. Wir haben eine deutlich andere Mannschaft." Das soll nach vielen Bundesligisten nun auch Tottenham zu spüren bekommen.
FC Schalke 04 – Manchester City
Glaubt man den Statistikern, hat Schalke nicht die geringste Chance. Bei transfermarkt.de hat das Star-Ensemble von Guardiola mit 1,13 Milliarden Euro die zweitwertvollste Mannschaft der Welt, ganz knapp hinter dem FC Barcelona (1,17). Schalke ist mit 251 Millionen nur die Nummer 36 in Europa. Für bwin ist City mit einer Quote von 4,25 der absolute Topfavorit auf den Titel, Schalke dagegen mit einem Wert von 251:1 der allergrößte Außenseiter unter den 16 verbliebenen Teams.
Hinzu kommen harte Fakten: Während Vizemeister Schalke in dieser Saison abgestürzt ist und in der kommenden Saison wohl eine Auszeit im Europacup einlegen muss, ist der englische Meister – trotz einer kleinen Schwächephase mit drei Niederlagen im Dezember und einer weiteren zuletzt in Newcastle – der letzte verbliebene Jäger von Liverpool in der Premier League. Doch in der Champions League – und die ist streng genommen das einzig wahre Ziel der arabischen Investoren – lief es für die Citizens in den vergangenen Jahren noch nicht rund. In den vergangenen sieben Jahren waren sie durchgängig am Start, standen aber nur einmal, 2016, im Halbfinale.
Nun soll es mehr werden und die Chancen stehen eigentlich gut. Während bei Schalke die wertvollsten Spieler mit einem Marktwert von 22 Millionen taxiert sind, sind bei City angeblich 15 Spieler wertvoller. Gleich sechs Stürmer haben einen Marktwert von je 60 Millionen Euro und mehr. Und auch ganz viel Bundesliga steckt im Team. Neben Guardiola und dem Schalker Eigengewächs Sané, der beim 2:1 gegen Hoffenheim im Vorrunden-Rückspiel beide Tore erzielte, ist auch der gebürtige Gelsenkirchener Ilkay Gündogan (der aber nur in der Jugend ein Jahr für Schalke spielte) ein Leistungsträger.
In der Abwehr ist der Ex-Hamburger Vincent Kompany eine Bank. Dazu stimmt im Kader auch die Mischung aus jungen Talenten wie Raheem Sterling und abgezockten Profis wie Sergio Agüero und David Silva. City sei „gespickt mit Weltklassespielern, zusammengestellt und eingestellt von Pep Guardiola", sagt deshalb Schalkes Manager Christian Heidel. „Es gibt kaum eine größere Herausforderung in diesem Wettbewerb."
Doch auf der Gegenseite ist der Respekt durchaus vorhanden. Wobei manches offenbar etwas beschönigt auf der Insel ankommt. So schrieb die „Sun", dass Schalke-Coach Domenico Tedesco „deutscher Pep" genannt werde, was dieser wohl selbst noch nicht gehört hat. Und City schrieb auf der eigenen Homepage, Schalkes Schlüsselspieler seien Ralf Fährmann, Matija Nastasic und Franco Di Santo. Nastasics Erwähnung war vielleicht auch von seiner Zeit bei City beeinflusst, doch immerhin ist er Stammspieler.
Torhüter Fährmann hat seinen Stammplatz allerdings verloren, Di Santo gehört nicht mal mehr zum Kader. Doch so unvorbereitet wird Perfektionist Guardiola sicher nicht sein.