Er war der Begründer der mathematisch orientierten Naturwissenschaften und verhalf speziell der modernen Physik dank seiner Experimental-Methodik zum Durchbruch. Doch der vor 455 Jahren geborene Universalgelehrte Galileo Galilei wird heute vor allem für seine astronomischen Erkenntnisse gefeiert.
Die tumben, allzu menschlichen Götter des Olymp, die in der Renaissance gemeinsam mit den Lehren antiker Geistesgrößen mit Aristoteles an der Spitze wiederentdeckt wurden, hatten es in Galileo Galileis Schicksalsjahr 1609 offenbar gut mit dem schon 45-jährigen Wissenschaftler gemeint. Denn es hätte nicht wenig gefehlt, dann könnten wir heute 455 Jahre nach seiner Geburt den berühmten Pisaner womöglich nicht als Urvater der modernen Astronomie feiern. Gemeinhin gilt Galilei als erster Gelehrter, der mithilfe des 1608 von dem Holländer Hans „Jan" Lipperhey entwickelten und von Galilei nachgebauten Fernrohrs den Himmel und die nicht allzu weit entfernten Gestirne erkundet hatte. Doch inzwischen weiß man, dass schon einige Monate vor dem Italiener der britische Mathematiker und Philosoph Thomas Harriot den Mond eingehend mit dem neuen Wunderinstrument erkundet hatte. Seine Skizzen und Karten der Mondoberfläche hätten bahnbrechend sein können – wenn Harriot sie denn veröffentlicht hätte. Doch das hatte der vermögende Privatier nicht nötig. Daher war der Weg frei für Galilei, und das Zeitalter der modernen Astronomie konnte vor 410 Jahren in Padua beginnen.
Bis zum Jahr 1609 hatte sich der später als Universalgelehrter in aller Welt bewunderte Galilei hauptsächlich mit den Grundlagen der Physik beschäftigt und sich dabei eingehend mit naturwissenschaftlichen Problemen wie Pendelbewegungen, schiefen Ebenen, Hebel- und Fallgesetzen, der Trägheit oder den spezifischen Gewichten verschiedener Körper befasst. Er führte das Experiment als zentrales Element im Erkenntnisprozess ein und kann daher als Begründer der Experimentalwissenschaft angesehen werden. Das Werk des Kopernikus, das dieser 1543 erst auf ausdrücklichen Wunsch der römischen Kurie mit Papst Clemens VII. an der Spitze veröffentlicht hatte, womit die immer wieder fälschlich behauptete Wissenschaftsfeindlichkeit der damaligen Kirche widerlegt wurde, hat Galilei schon als junger Mann gekannt. Doch Kopernikus’ Hypothese mit der Sonne als Mittelpunkt des Weltalls hat ihn lange Zeit nicht überzeugt. Aber es waren zunächst auch keine Ambitionen zu erkennen, die christliche Adaption des antiken Weltbilds mit der kugeligen Erde im Zentrum eines Zwiebelschalensystems aus Himmelsphären mit daran anhaftenden Planeten und Sternen in Frage zu stellen.
Ein Medizinstudium brach er ab
Galileo Galilei wurde am 15. Februar 1564 in Pisa als erstes Kind einer hochangesehenen, aber verarmten Florentiner Patrizierfamilie geboren. Vater Vincenzo war ein Musikgelehrter, der seine Sippe rund um Ehefrau Giulia Ammannati durch die zeitweilige berufliche Tätigkeit als Tuchhändler finanziell über die Runden bringen konnte. Nach der schulischen Ausbildung in dem nahe von Florenz gelegenen Benediktinerkloster Vallombrosa nahm Galilei auf Wunsch des Vaters 1581 das Medizin-Studium in Pisa in Angriff. Nach vier Jahren wandte er der Universität ohne Abschluss den Rücken, weil er seine Vorliebe für die Mathematik und Physik entdeckt hatte, deren Geheimnissen er im inzwischen nach Florenz verlegten Elternhaus in privaten Studien auf den Grund gehen wollte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Privatunterricht und machte sich einen gewissen Namen durch mathematisch-physikalische Vorträge und kleinere Erfindungen wie einer hydrostatischen Waage. Das brachte ihm 1589 seine erste Anstellung als bescheiden bezahltem Mathematik-Dozenten mit dem Titel Lektor an der Universität Pisa ein.
Dank Protektion wurde er 1592 zum wesentlich besser bezahlten offiziellen Professor für Mathematik an der Universität Padua befördert, wo er bis 1610 arbeiten sollte. Sein Gehalt besserte er weiterhin mit Privatunterricht auf und bekam auch etwas zusätzliches Geld durch Entwicklung und Verkauf eines Vorläufers des Rechenschiebers. Er leistete sich dafür eine schmucke, dreistöckige Villa und eine Haushälterin namens Marina Gamba, die ihm drei Kinder schenken, die er aber nie heiraten sollte, weil ihm das der Standesdünkel schlichtweg verbot. Nachdem er 1610 seine sensationellen Entdeckungen bezüglich der Jupitermonde, der Phasen der Venus, der Oberfläche des Mondes und des Aufbaus der Milchstraße aus einzelnen Sternen gemacht hatte und dafür vom mächtigen Großherzog der Toskana, Cosimo II. de’ Medici, einem seiner früheren Schüler, zum Florentiner Hofmathematiker und -philosophen sowie Mathematikprofessor an der Uni Pisa ohne Lehrverpflichtung berufen wurde, ließ er seine Geliebte als nicht mehr standesgemäße Partnerin fallen.
Galilei verließ seine Geliebte
Fortan konnte er sich ganz auf seine Forschungen konzentrieren und nebenbei auch kleinere Geschäfte machen, die nicht immer ganz koscher waren. Zum Beispiel sein Deal mit der Regierung der mächtigen Seefahrer-Republik Venedig, der er das Fernrohr, dessen vor allem erheblicher militärischer Nutzen damals offenkundig war, als seine persönliche Entdeckung lukrativ verkaufen konnte. Nach Veröffentlichung seines „Sternenboten" 1610, in dem er all seine bisherigen, das ptolemäische Weltsystem ernsthaft in Frage stellenden Himmelsbeobachtungen zusammenfasste, war er der weltweit gefeierte Superstar der Wissenschaftszunft. Er machte sich nun als Astronom die bedingungslose Verteidigung des kopernikanischen Weltbildes zur Aufgabe, nicht zuletzt mit seinem den Inquisitionsprozess des Jahres 1633 verursachenden Opus „Dialog über die zwei Weltsysteme".
Er verstand es meisterhaft, die Mächtigen seiner Zeit zu hofieren und damit deren Eitelkeiten zu schmeicheln. Er wagte es sogar, 1613 eine dem kopernikanischen Weltbild verträgliche Bibelauslegung ins Spiel zu bringen. Eine fürwahr ketzerische Anmaßung, die zudem die Forderung nach Freiheit der Forschung von der Kirchendoktrin beinhaltete. Überhaupt sollte es Galileis großes Verdienst sein, der modernen, mathematisch orientierten Naturwissenschaft, die er mit seinem 1623 publizierten Werk „Saggiatore" begründet hatte, die Deutungshoheit über zumindest alle materiellen Vorgänge erkämpft zu haben. Nach dem Prozess verbrachte Galilei seine letzten gut acht Lebensjahre gesundheitlich angeschlagen, da seit 1638 vollständig erblindet, in Hausarrest auf dem Landgut Gioiella in Arcetri. Dort arbeitete er ab 1633 an seinem physikalischen Hauptwerk „Diskurse und mathematische Demonstrationen in Bezug auf zwei neue Wissenschaften", das in Italien nicht veröffentlicht werden durfte und daher 1635 in Straßburg erschienen war. Am 8. Januar 1642 starb Galilei im Alter von 77 Jahren. Eine repräsentative letzte Ruhestätte sollte ihm erst 1737 in der florentinischen Kirche Santa Croce gewährt werden.