Erst nach seinem Tod wurde der durch die Inquisition verurteilte Galileo Galilei im Laufe der Jahrhunderte zu einem Märtyrer für die Freiheit der Wissenschaft gegen die Fortschrittsfeindlichkeit der Kirche aufgebaut. Dabei war er lange ein protegierter Liebling des Vatikans, der allerdings 1633 die Reißleine zog.
Er hatte nie einen Kerker von innen gesehen, geschweige denn Bekanntschaft mit den berüchtigten Foltermethoden machen müssen. Selbst in den schicksalhaften Tagen des Inquisitionsprozesses 1633 durfte Galileo Galilei komfortabel in einem römischen Palast logieren. Was man als wohlwollende Sonderbehandlung des prominenten Angeklagten bezeichnen kann, schließlich stand hier nicht irgendwer vor Gericht, sondern der jahrzehntelang auch von den wichtigsten Oberen der katholischen Kirche bewunderte, hofierte und protegierte wissenschaftliche Superstar seiner Zeit.
Das fand seinen offiziellen Niederschlag bei Galileis erster Romreise im Jahr 1611 mit der Aufnahme in die Accademia dei Lincei, der damals bedeutendsten wissenschaftlichen Vereinigung des Landes. Und in der Erlaubnis zu Vorträgen vor dem Collegium Romanum, der zentralen wissenschaftlichen Instanz des Jesuitenordens. Auch in einer Audienz bei Papst Paul V., und nicht zuletzt in einem Treffen mit höchsten kirchlichen Würdenträgern, das aller Wahrscheinlichkeit nach vom mächtigen Kardinal Robert Bellarmin arrangiert wurde. Er gilt als einer der glühendsten Anhänger der Forschungen Galileis. Zudem soll sich bei dem Treffen der den Wissenschaften äußerst aufgeschlossene Kardinal Maffeo Barberini befunden haben. Er sollte 1623 als Urban VIII. den Papstthron besteigen. Niemand schien sich bei Galileis Tour durch die römischen Salons darum zu scheren, dass der Wissenschaftler in seiner 1610 aufgelegten Schrift „Der Sternenbote" schon mal gehörig am ptolemäischen Weltbild gerüttelt hatte. Nach seinen Beobachtungen drehten sich zumindest die Jupitermonde eben nicht, wie vermeintlich alle Planeten, um die Erde als zentralem und feststehendem Fixpunkt des Alls, sondern eben um Jupiter selbst. Damit hatte Galilei schon deutlich Partei zugunsten des heliozentrischen Weltbildes von Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler ergriffen. Zwar sorgte der „Sternenbote" unter den Gebildeten Europas für helle Aufregung, aber für die römische Kurie bestand zunächst noch kein Grund zum Einschreiten. Schließlich hatte Kopernikus schon rund 100 Jahre zuvor erstmals die Hypothese aufgestellt, dass die Sonne den zentralen Mittelpunkt unseres Planetensystems bildet. Und spätestens seit Kopernikus 1543 veröffentlichtem Hauptwerk „Über die Umschwünge der himmlischen Kreise" war seine Hypothese Diskussionsstoff an vielen Universitäten.
Galilei musste den Lehren des Kopernikus abschwören
So lange Galilei seine neuen Erkenntnisse ebenfalls lediglich als Hypothesen in den Wissenschaftsraum stellte, hatten die Mächtigen der katholischen Kirche damit keine größeren Probleme. Der Knackpunkt sollte werden, dass Galilei seine Forschungsergebnisse als der Weisheit einziger Schluss deklarierte, ohne dass er dafür eindeutige wissenschaftliche Belege liefern konnte. Ganz im Gegenteil waren ihm beim Bemühen, das heliozentrische Weltbild zu beweisen, sogar gravierende Fehler unterlaufen. So sollte er in seinem 1616 publizierten „Diskurs über Ebbe und Flut" etwa die Sonne als Mittelpunkt des Universums für die Gezeiten der Meere verantwortlich machen. Erst dank Isaac Newtons Gravitationsgesetz im Jahr 1687 konnte Kopernikus’ Hypothese bestätigt werden.
Die römische Kurie, mit Kardinal Bellarmin an der Spitze, versuchte nach 1611 immer wieder vergeblich, mäßigend auf Galilei einzuwirken. Der Vatikan wollte nur ungern direkt in den Wissenschaftsstreit zwischen den beiden Weltbildern hineingezogen werden. Doch schließlich sah man sich im Jahr 1616 per Dekret zu einer Suspendierung von Kopernikus’ Hauptwerk veranlasst und bestellte Galilei in Bellarmins Haus ein, um ihn milde zu ermahnen, doch bitteschön künftig die Ansichten des Kollegen Kopernikus nur noch einzig und allein als Hypothesen und nicht als Tatsachen zu behandeln. Kurzzeitig gelobte Galilei Gehorsam, doch mit dem Amtsantritt seines vermeintlichen Beschützers Urban VIII., der ihn 1624 gleich sechsmal empfangen und ihm dabei den Eindruck vermittelt hatte, dass er die Lehre des Kopernikus keineswegs als Ketzerei ansah, begann Galilei mit den Arbeiten an seinem Opus „Dialog über die zwei Weltsysteme", das 1632 mit der geschickt erschlichenen Erlaubnis der Inquisition veröffentlicht werden konnte.
Das war ein fiktiver Dialog über die beiden großen Systeme des Ptolemäus und des Kopernikus, noch dazu nicht in der Gelehrtensprache Latein, sondern in der Volkssprache Italienisch abgefasst. Galilei propagierte darin das heliozentrische Weltbild als einzige akzeptable Wahrheit. Damit zwang er Papst Urban VIII. quasi zum Handeln, denn es war für die Kirche inakzeptabel, dass ein Wissenschaftler das katholische, auf der Bibel basierende Weltbild über den Haufen warf. Die führenden Köpfe der Protestanten wie Luther oder Calvin waren früher gegen Kopernikus selbst schon Sturm gelaufen, schließlich habe Josua in der Heiligen Schrift die Sonne stillstehen lassen und nicht die Erde.
Dem Papst blieb letztlich gar nichts anderes übrig, als Galilei vor das römische Inquisitionsgericht zu zitieren, vor dem er am 22. Juni 1633 im Büßerhemd Abbitte von den Lehren des Kopernikus leisten musste. Bemerkenswerterweise hatten sich drei der zehn Inquisitoren der Verurteilung Galileis sogar widersetzt. Das schlug sich wohl auch im Strafmaß nieder, denn statt Scheiterhaufen wurde Galilei nur zu lebenslangem Hausarrest verurteilt.
Der Galilei beim Abgang vom Tribunal bezüglich der Erde zugeschriebene Spruch „Und sie bewegt sich doch" ist allerdings nichts als Legende. Im historischen Rückblick war der Inquisitionsprozess gegen Galilei fraglos eines der größten PR-Desaster der katholischen Kirche, die nach 1633 nie mehr versuchen sollte, in naturwissenschaftlichen Streitfragen offen Partei zu ergreifen. Doch 1633 konnten Papst und Inquisition gar nicht anders entscheiden, aus Vernunftgründen musste die Verbreitung von Galileis Gedankengut als Gefahr für den katholischen Glauben gestoppt werden. Dass Recht und Ratio damals nur auf Seiten der Inquisition standen, sollten viel später so verschiedenartige prominente Denker wie der Physiker Pierre Duhem, der Dramatiker Bertolt Brecht, der Philosoph Paul Feyerabend oder der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker bestätigen. 1741 genehmigte der Vatikan die Gesamtausgabe der Werke Galileis und rehabilitierte ihn schließlich 1992 formal.