Gleichermaßen eine Hommage und ein Dankeschön an den Modeschöpfer Uli Richter – das ist die Schau „Weltklasse aus Berlin" im Ephraim-Palais. Hier ist ein Teil von Richters Privatarchiv effektvoll in Szene gesetzt worden.
Eigentlich hätte der 1926 geborene Uli Richter ja später einmal die elterliche Drogerie in Potsdam übernehmen sollen. Aber als er aus dem Zweiten Weltkrieg verletzt zurückkehrte, entschied er sich für ein Volontariat beim Modehaus Horn am Kudamm, eine der damals feinsten Adressen der Stadt. Ein Geschäft, das so vornehm war, dass sich – wie eine Mitarbeiterin Richters einmal in einem Interview mit dem „Tagespiegel" schilderte – viele Damen gar nicht in das Geschäft getraut hätten, schon allein weil die meisten Verkäuferinnen einen Adelstitel besaßen.
Richter war bereits Textilkaufmann, doch bei Horn begann er sich für den Entwurf zu interessieren, befragte die Schneiderinnen, welche Details bei den Kundinnen besonders gut ankämen. Die rieten ihm zu Halbärmeln, zu einem dunkelblauen Wollgeorgette mit einer „weißen Garnitur", einer Verzierung am Ausschnitt – das „wirke fröhlich". Das Ergebnis: Richters erstes Kleid mit dem Namen „Marcelle" ist nun nachgefertigt im Berliner Ephraim-Palais zu sehen, gemeinsam mit vielen anderen Entwürfen des Berliner Modedesigners und mit zahlreichen Fotos und Zeichnungen aus seinem Privatarchiv. Das nämlich hat der 92-Jährige auf mehrere Standorte verteilt – so auch dem Stadtmuseum Berlin einen Teil überlassen – ausgewählte Exponate sind jetzt unter dem Titel „Uli Richter – Weltklasse aus Berlin" zu sehen.
Marcelle ist ein blau-weißer Bestseller
Dabei geht es um Richters Entwürfe, um Stationen seiner Karriere aber auch um die Menschen, die dabei eine wichtige Rolle spielten. Um Fotografen und Modezeichner, mit denen er über Jahre zusammenarbeitete, um Models – und um prominente Kundinnen.
Ende der 50er-Jahre war die Textilbranche, die Mode, ein wichtiger Wirtschaftszweig in Berlin – 20 Prozent der Berliner Bevölkerung verdiente hier ihren Lebensunterhalt. Das erzählt Sammlungsbetreuerin Heike Remus, während sie durch die Ausstellung führt. 2.500 Produktionsstätten für Mode gab es 1960 in der Stadt, Richter hatte da gerade sein eigenes Unternehmen gegründet. Und hielt sich bei seinen Entwürfen an das, was sich bei seinem allerersten Entwurf so gut verkauft hatte: klare Schnitte, edle Materialien, gutes Handwerk. Mitunter war es aber auch ein groß geblümter Markisenstoff, der zu einem eleganten Kleid wurde – in der Schau ist sowohl das Foto des Kleids von Regina Relang zu sehen – als auch eine Nachfertigung des Modells selbst.
Regina Relang war eine der Fotografinnen, mit denen Richter über Jahre hinweg zusammenarbeitete. Und deren Bildkompositionen die Atmosphäre im Berlin der beginnenden 60er-Jahre mit der Inszenierung der mal schlicht-eleganten, mal glamourösen Entwürfe Richters verbinden. Ob es das Hahnentritt-Ensemble ist, das eine Dame flanierend trägt, oder eben das besagte geblümte Etuikleid mit dem rosafarbenen Mantel vor stilisierter Gartenkulisse.
Mäntel und Capes waren aus Richters Kollektionen nicht wegzudenken. Immer aus exklusiven Stoffen, aus Seide, Kaschmir, Wolle, Leder. Mal mit Raglanämeln, mal mit Kellerfalte, dann wieder gerade geschnitten – ober aber als weit schwingender Umhang, so wie Gracia Patricia von Monaco es liebte. Und damit zu Uli Richters Kundin wurde. Was der Modeschöpfer und Unternehmer gekonnt für sein Marketing einsetzte, überhaupt sei die Verbindung zwischen Kreativität und Vermarktung eines der Markenzeichen Richters, sagt Heike Remus vom Stadtmuseum. Früh sei er beispielsweise mit seinen Modellen in die USA zu Fotoshootings gereist, habe mit den dort entstandenen Bildern die Internationalität der Marke „Uli Richter" noch stärker betont.
Kundinnen waren Rut Brandt und Gracia Patricia von Monaco
Der Bau der Mauer bedeutete für die meisten Westberliner Modehäuser längerfristig gesehen das Aus. Uli Richter aber hatte längst eine „Prêt à porter"-Linie entwickelt – und verkaufte die für ihn typisch elegante dennoch unprätentiöse Mode in günstigerer Ausführung unter dem Label „Uli Richter spezial". Er konnte somit die Fertigung aufwendiger Haute Couture für Kundinnen wie beispielsweise Kanzlergattin Rut Brandt über sein „zweites Standbein" finanzieren. Die französischen Couturiers merkten auf – Richter wurde von wohlhabenden deutschen Kundinnen als heimische Alternative zu Balenciaga gesehen, und er schaffte es als erster Deutscher auf den Titel der französischen Vogue. Er arbeitete mit Gitta Schilling, einem der It-Girls der 50er- und 60er-Jahre, mit Senta Berger – und er engagierte Jerry Hall zu einem Zeitpunkt, als sie noch keiner kannte.
Die 70er-Jahre kamen – und damit weitere Hosenbeine, gewagtere Muster und kräftigere Farben – und manch mutiger Materialmix. Und eine andere Art Mode zu fotografieren – auch das zeigt die Schau im Ephraim-Palais. Ein Model posiert im Lederoutfit auf der Tragfläche eines Flugzeugs, ein anderes Foto zeigt vier Models – zwei Männer und zwei Frauen – die eingehakt in lässig-eleganten Outfits über den Kudamm ziehen. Und dann sind da noch die Zeichnungen beispielsweise von Ruth Döring, die lange Jahre für Uli Richter als Modezeichnerin arbeitete. Ebenso wie die Modeskizzen von Gerd Hartung, auch er ein Wegbegleiter Richters – beide waren in den späten 80er-Jahren gemeinsam an der Hochschule für Künste tätig. Da hatte Uli Richter sein Modehaus bereits geschlossen, die Zeit war für Haute Couture in Berlin zu schwierig und die zweigeteilte Stadt als Modemetropole international zu unwichtig geworden. Das sieht heutzutage, fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, schon wieder ganz anders aus. Kreative Designer, reichlich Nachwuchs in der Modebranche, eine Vielzahl von Ausbildungsangeboten und einige Produktionsstätten – all das setzt eine reiche Tradition fort, zu deren herausragendsten Vertretern Uli Richter zählt.
Weitere Informationen: Die Ausstellung „Uli Richter – Weltklasse aus Berlin" ist bis Sonntag, 10. März, im Ephraim-Palais zu sehen. Öffnungszeiten unter www.stadtmuseum.de