In Gladbach hat es geklappt, gegen Bremen in letzter Sekunde nicht – nun tritt Herthas Trainer mit seinem Team gegen die Negativserie bei Bayern München an.
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr genoss sichtlich Pal Dardai die Spielanalyse nach erfolgreich absolvierter Arbeit. „Du kannst im Fußball auch defensiv der Herr sein, wenn du den Gegner lenkst und die Räume eng machst", dozierte der Trainer von Hertha BSC nach einem 0:0 – aber eben nicht bei irgendeinem Gegner, sondern beim FC Bayern München. Schwarz ist die Serie der Berliner beim Rekordmeister – so schwarz, dass, wenn sich beim inzwischen 72 Jahre alten Bernd Gersdorff einmal im Jahr auch nur eine von Berlins Zeitungen meldet, dieser schon weiß, dass wieder mal das Gastspiel der „Alten Dame" an der Isar bevorsteht. Im Oktober 1977, also vor fast 42 Jahren, erzielte Gersdorff nämlich das entscheidende 2:0 beim letzten Sieg der Blau-Weißen in München. Beinahe kostbar erscheint bei einer solchen Statistik daher jeder Punktgewinn – und deswegen auch jenes 0:0 im Februar 2018. Knapp 14 Jahre hatte man allein auf diesen einen Zähler warten müssen. Auch Pal Dardai – beim 1:1 im August 2004 noch selbst auf dem Platz – war auf diese Weise als Trainer seit seinem Amtsantritt drei Mal in der Arena in Fröttmaning leer ausgegangen: Kein einziges Tor gelang seinen Schützlingen dabei, obwohl er es mit verschiedenen taktischen Ansätzen probiert hatte.
„Defensiv der Herr sein"
Keine drei Monate nach seinem Amtsantritt im Februar 2015 war Hertha schon nah dran am Unentschieden. Mit zwei kompakten Viererreihen hatte Dardai sein Team antreten lassen, dazu Valentin Stocker im offensiven Mittelfeld und Salomon Kalou in der Spitze aufgeboten. Mit dem in München immer nötigen Glück und defensivem Geschick hielten sich die Berliner lange Zeit schadlos. Insgesamt ließen die Hauptstädter nur fünf echte Torchancen zu. Doch Bastian Schweinsteiger nutzte eine davon zehn Minuten vor dem Ende nach toller Vorarbeit des späteren Herthaners Mitchell Weiser doch noch zum Tor des Tages für den FCB. In den verbliebenen vier Partien der Saison 2014/15 reichte es dennoch für den Klassenerhalt der Hauptstädter. Ein gutes halbes Jahr später – diesmal hatte Dardai seine Mannschaft in einem 5-4-1 formiert, mit drei Innenverteidigern zur Stärkung der Abwehrzentrale und extra je einem Spieler für die Außenbahnen, um Bayerns schnelle Flügelstürmer in Schach zu halten – war zur Pause bereits alles erledigt. Müller und Coman hatten die 2:0-Halbzeitführung für die Hausherren herausgespielt, der Rest war nur noch Formsache. Hertha rutschte am 14. Spieltag auf Rang fünf ab, bereits 17 Punkte hinter dem Abonnementmeister. Auch im September 2016 war die Partie Bayern gegen Hertha (3:0) wieder eine einseitige Angelegenheit, dabei handelte es sich am vierten Spieltag um das Topspiel der beiden Erstplatzierten der Bundesliga. Dardai hatte diesmal wieder auf eine Viererkette vertraut, mit Fabian Lustenberger davor als Sechser. Im Mittelfeld baute der Ungar einen weiteren Riegel von vier Spielern auf, während Vedad Ibisevic ganz vorne einen einsamen Nachmittag in der bayrischen Landeshauptstadt erlebte.
Eine Saison später dann kreuzte Hertha als bescheidener Tabellenelfter beim Rekordmeister auf, der am 24. Spieltag bereits 19 Punkte vor dem Zweiten Borussia Dortmund an der Spitze thronte. Dardai mag sich dabei an seinen Auftritt als Novize fast drei Jahre zuvor erinnert haben – und stellte wieder im 4-5-1 auf. Dabei ordnete er sein Mittelfeld aber in anderer Form: Lustenberger räumte zwar wieder vor der Viererkette ab, dazu kamen aber mit Vladimir Darida und Valentino Lazaro zwei laufstarke Spieler als „Achter" zum Zug. Die konnten sich unter Druck fallen lassen – und bei Kontern abwechseln. Salomon Kalou und Mathew Leckie besetzten dazu die offensiven Außenbahnen und Davie Selke übernahm den undankbaren Part der einsamen Spitze. Nachdem man im ersten Durchgang mehrere heikle Situationen überstehen musste, fanden die Berliner in der Folge immer besser in das System. Dass Torwart Rune Jarstein dazu offensichtlich einen Sahnetag erwischte, tat schließlich sein Übriges. Trotz eines Chancenverhältnisses von 9:1 für die Bayern nahm Hertha BSC am Ende nicht unverdient einen Punkt mit an die Spree. Den schonungslos defensiven Auftritt verteidigte der Hertha-Trainer anschließend. „Ich glaube, das ist die einzige Methode", erklärte er dazu, wie Hertha BSC in München bestanden hatte. So gesehen behielt der Pragmatiker Dardai Recht – nach dem Motto: Schießt du nun mal kein Tor gegen die Bayern, darfst du eben auch keins kassieren. Musste der Trainerneuling mit seinem Team also erst tüchtig Lehrgeld zahlen, gelang ihm mit dem 0:0 im Februar 2018 quasi sein Gesellenstück.
Spannend nun die Frage, ob Pal Dardai ein Jahr nach dem „Punktsieg" in München wieder im damals bewährten System auftreten wird. Um wieder etwas mitzunehmen, dürfte es in jedem Fall erneut zuerst um die Verhinderung von Gegentoren gehen. Vor 14 Tagen in Mönchengladbach erst hatte der Ungar Hertha BSC schließlich die richtige Taktik verpasst, um dort eine Negativserie von nur einem Punkt aus sieben Gastspielen zu beenden.
Macht Dardai in München sein Meisterstück?
Gegen Werder Bremen (zuvor zehn Begegnungen ohne Sieg) blieb es den Berlinern dagegen in letzter Sekunde verwehrt, den nächsten Bock umzustoßen. In einer guten ersten Halbzeit bewies Davie Selke (achte Torbeteiligung im achten Spiel in Folge – Ligabestwert) nicht nur beim 1:0 seine Formstärke – allerdings hatten er und Ondrej Duda mit zwei Aluminiumtreffern auch Pech. So musste man sich mit dem knappen Vorsprung zufriedengeben, den man im zweiten Durchgang tiefer stehend verteidigen beziehungsweise ausbauen wollte. Die Konter kamen diesmal allerdings – im Gegensatz zur Partie in Mönchengladbach eine Woche zuvor – überhaupt nicht gefährlich vor das Tor. Trotzdem ließ man dem Gegner selbst auch kaum Chancen, bis der abgefälschte Freistoß von Pizarro in der Nachspielzeit doch noch zwei Punkte kostete.
Sollte der FC Bayern am Samstag um 15.30 Uhr aber wieder das eine oder andere Abwehrproblem offenbaren und Selke & Co. eiskalt zuschlagen wie im Pokalspiel Anfang des Monats gegen den Rekordmeister (2:3-Niederlage erst nach Verlängerung) – wer weiß, was dann möglich ist?
Ein Sieg an der Isar käme in jedem Fall einem Meisterstück Dardais gleich, eine historische Serie wäre damit beendet – und der wackere Bernd Gersdorff hätte endlich seine Ruhe.