Er hat alles gewonnen, was ein Fußballer gewinnen kann – mit der Nationalmannschaft und mit Bayern München. Sepp Maier gehört fraglos zu den Ikonen des deutschen Fußballs. Am 28. Februar feiert der längst schon legendäre Torhüter seinen 75. Geburtstag.
Nur wenige schaffen es im hohen Alter noch in die schrille und bunte Multimedia-Welt. Doch die Bilder von Sepp Maiers Hechtsprung nach einer verirrten Ente im menschenleeren Strafraum des Olympiastadions seines FC Bayern München sind auch fast 50 Jahre nach dem damaligen Spiel gegen den VfL Bochum auf der Internet-Videoplattform noch immer ein Renner.
Die berühmte Szene von 1972 steht geradezu sinnbildlich für den Menschen Sepp Maier. Wenn „Deutschlands Torhüter des Jahrhunderts" am 28. Februar seinen 75. Geburtstag feiert, kann der Jubilar auf eine so erfolgreiche Karriere wie kaum ein anderer Profi zurückblicken − und außerdem auf ein Leben mit viel Humor. Noch heute erzählen sich seine früheren Teamkollegen Geschichten von Maiers Zaubertricks an ansonsten langweiligen Trainingslager-Abenden. Auch seine Einlagen als Entertainer sowohl im Stadion als auch bei seinen seinerzeit vielen TV-Auftritten sind noch in guter Erinnerung. Den Schalk im Nacken hat Maier auch noch zehn Jahre nach dem Rückzug von seiner letzten Aufgabe im Fußball als Torwarttrainer bei „seinem" FC Bayern. „So lange man gesund ist und eine Gaudi hat, merkt man das Alter nicht", verdeutlicht die „Katze von Anzing" seine Prioritäten.
„Ich will gar keinen Ruhestand haben"
Gesundheit, Spaß – und Ziele: Maiers Rentnerdasein ist weiterhin von Rastlosigkeit geprägt. „Ich will gar keinen Ruhestand haben. Denn dann wird man alt, noch älter vom Geist her. Wenn man nichts mehr plant, kann man sich gleich eingraben lassen", sagte der einst beste Torwart der Welt vor einiger Zeit schon. Kurz vor seinem 74. Geburtstag unterstrich der Ur-Bayer mit der offen gelebten Leidenschaft für Schnupftabak und den berühmten Münchner Volksschauspieler Karl Valentin seine Lebenslust in einem Interview nur einmal mehr: „Ich bin pumperlmunter und punmperlgsund. Ich würde am liebsten 100 Jahre alt werden und dann immer noch Golf spielen können." Fußballspiele der Bayern hingegen besucht Maier nur noch höchst selten. Dabei war der Verein von der Säbener Straße insgesamt 49 Jahre sein Zuhause und seine Familie und der Strafraum, den der Keeper zu seiner Zeit mit tollkühnen Flugeinlagen und Paraden beherrschte wie kein Zweiter auf der Welt, „mein Wohnzimmer". Zusammen mit „Kaiser" Franz Beckenbauer und „Bomber" Gerd Müller bildete Maier bei den Bayern wie auch in der deutschen Nationalelf eine Achse, die viele Jahre ihresgleichen suchte und erst den Grundstein legte zu Münchens heutiger Führungsrolle im deutschen Fußball. Entsprechend zahlreich sind Maiers Erfolge: Weltmeister 1974 und Europameister 1972 mit der Nationalmannschaft (95 Länderspiele), dreimal Europapokalsieger der Landesmeister, einmal Weltpokalsieger, einmal Europapokalsieger der Pokalsieger, viermal deutscher Meister und viermal Pokalsieger. Von schweren Verletzungen blieb „der Maier Sepp" während seiner Karriere weitgehend verschont. Länger aussetzen musste der Schlussmann nur einmal in der Saison 1965/66 wegen einer Innenbandverletzung, danach absolvierte Maier in 13 Jahren 442 Bundesligaspiele nacheinander – bis heute Rekord. „Ich hatte", sagt Maier mit spürbarer Dankbarkeit rückblickend, „ich hatte in meiner Karriere sehr viel Glück."
Das Glück verließ Maier am 14. Juli 1979: Auf der Heimfahrt vom Training verunglückte er mit dem Auto auf regennasser Fahrbahn schwer. Zunächst stellten die behandelnden Ärzte lediglich äußere Verletzungen fest, doch später diagnostizierten die Mediziner neben einem Bruch der rechten Hand lebensgefährliche Risse der Lunge und des Zwerchfells sowie eine Leberstauchung. Bayerns damaliger Jung-Manager Uli Hoeneß reagierte prompt auf die Horrornachricht und veranlasste Maiers umgehende Verlegung aus einem Kreiskrankenhaus ins Münchner Universitätsklinikum. Maiers ewige Dankbarkeit ist Hoeneß sicher: „Der Uli", meint Maier heute, „hat mir das Leben gerettet." Seine Laufbahn indes war nicht mehr zu retten. Zwar stieg Maier vier Monate nach dem schlimmen Crash wieder ins Training ein, musste aber einsehen, dass die Folgen seiner Verletzungen für eine Fortsetzung seiner Karriere zu schwerwiegend waren.
„Dann wären wir Weltmeister geworden"
Neun Jahre zog sich Maier danach aus dem Fußball zurück, ehe 1988 der damalige DFB-Teamchef Beckenbauer seinen Freund Maier als „Bundestorwarttrainer" zur Nationalmannschaft zurückholte. Zwei Jahre später wurde Maier in dieser Funktion durch Deutschlands Triumph mit seinem Schützling Bodo Illgner zwischen den Pfosten 16 Jahre nach dem Titelgewinn von München nochmals Weltmeister. Auch Beckenbauers Nachfolger Berti Vogts, Erich Ribbeck, Rudi Völler und zunächst auch Jürgen Klinsmann setzten auf die Zusammenarbeit mit dem Torwart-Idol, das ab 1994 in Personalunion auch wieder bei den Bayern anheuerte und für die Schlussmänner des Rekordmeisters zuständig war. Von Maiers reichhaltigem Erfahrungsschatz profitierte über viele Jahre in besonderer Weise Oliver Kahn.
An Kahn entzündete sich allerdings bei der Nationalmannschaft im Herbst 2004 kurz nach Klinsmanns Amtsantritt ein Streit zwischen dem neuen Bundestrainer und Maier. Die öffentliche Fürsprache für Kahn als unveränderte Nummer eins im deutschen Tor war Klinsmann ein Dorn im Auge, sodass Maier den Deutschen Fußball-Bund in Unfrieden verließ.
Der verpasste Titelgewinn rund zwei Jahre später bei der Heim-WM in Deutschland mit Kahns Rivale Jens Lehmann im Tor war für Maier denn auch zumindest eine stille Genugtuung: „Er hätte", sagte das Original danach über Klinsmann, „Oliver Kahn und mich als Torwarttrainer nicht absetzen dürfen, dann wären wir Weltmeister geworden." In München arbeiteten Kahn und Maier noch bis zum Karriereende des Titans 2008 zusammen. Danach verließ auch Maier die Bayern – endgültig.