Seit Mai 2018 ist David Maaß Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Saarland. Auf ihn wartet seither viel Arbeit: Jugendliche in einem Land mit Schuldenbremse für den Beruf des Polizisten zu begeistern, gleichzeitig die im Ländervergleich geringe Besoldung und der Stellenabbau.
Herr Maaß, wie haben Sie sich inzwischen in Ihrem Amt eingelebt?
Sehr gut. Es ist natürlich eine Umstellung. Ich war vorher Landesjugendvorsitzender der Gewerkschaft. Als Landesvorsitzender ist das mit deutlich mehr Arbeit verbunden. Wir haben knapp 2.700 Mitglieder. Und dementsprechend steht da eigentlich jeden Tag irgendetwas an. Wir sind sehr präsent in den Medien, im vergangenen Jahr fast wöchentlich. Das ist unser Ziel, unsere Arbeit möglichst öffentlich zu machen, um gute Lobbyarbeit für die saarländische Polizei zu betreiben.
Wie sieht diese Lobbyarbeit aus?
Wir führen viele Gespräche hinter verschlossenen Türen. Mit der Politik, mit Verantwortlichen im Landespolizeipräsidium aber auch dem Ministerium. Aber wir betreiben auch Lobbyarbeit in Form von Öffentlichkeitsarbeit, indem wir Forderungen stellen oder Missstände öffentlich machen. Dadurch können wir gewissen politischen Druck erzeugen.
Welche Themen beschäftigen Sie derzeit konkret?
Im Moment sind das die Tarifverhandlungen der Länder, die eben gestartet sind. Dort haben wir Forderungen von mindestens sechs Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die Tarifangestellten im Land. Das wird ausgehandelt und dann geht es um die Wurst für die Beamtinnen und Beamten, denn dann wird es um die Besoldungsanpassung gehen. Da hinken wir im Bundesschnitt hinterher. Wir sind im Saarland auf dem letzten Platz. Es gibt Bundesländer, in denen Kolleginnen und Kollegen bis zu 7.000 Euro mehr im Jahr verdienen als hier im Saarland. Da haben wir eine klaffende Besoldungslücke.
Ein Problem, das im Saarland viele kennen.
Das Land ist von der Schuldenbremse gebeutelt. Das verstehen wir auch als Gewerkschaft. Natürlich muss das Land sparen, um den Haushalt zu konsolidieren. Allerdings ist es schon fraglich, ob das der richtige Weg ist, auf Kosten von Beamtinnen und Beamten so gravierend zu sparen. Wir leisten hier als Polizei die gleiche Arbeit wie in anderen Bundesländern. Wir haben die gleiche Gefährdungslage für Polizistinnen und Polizisten, werden aber absolut am schlechtesten besoldet. Da muss jetzt etwas geschehen, denn uns laufen auch die Bewerber weg.
Wo stehen Ihre Bewerberzahlen?
Wir hatten vergangenes Jahr für den diesjährigen Studiengang nur 600 Bewerber. Im Jahr davor waren es noch 850. Vor zehn Jahren noch 1.300. Der Trend ist deutlich und hängt sicher auch mit der extrem schlechten Besoldung zusammen.
Die allerdings noch besser ist als in anderen Berufen, zumal man als Polizist verbeamtet ist. Ist das kein Anreiz für die jungen Menschen?
Es ist ein attraktiver Beruf dahingehend, dass die Arbeit Spaß macht, dass man viel mit Menschen zu tun hat, je nachdem, wo man arbeitet. Der Polizeiberuf ist extrem breit gefächert. Man kann in allen möglichen Sparten arbeiten. Allerdings muss man auch sagen, dass wir mit der freien Wirtschaft nicht vergleichbar sind. Natürlich verdient man gesichertes Geld durch die Beamteneigenschaft, die man hat. Aber wenn ich sehe, dass in Bayern im Eingangsamt ein A-9er Polizeikommissar 2.400 Euro mehr hat als hier, dann frage ich mich, ob wir da noch auf dem richtigen Weg sind.
Was außer der Bezahlung macht die Mitarbeiterzufriedenheit aus?
In erster Linie, dass man weiß, wann man arbeitet und wie lange man arbeitet. Dass man an 40-Stunden-Wochen gemessen wird und nicht etliche Überstunden produziert, indem man anderen Dienstgruppen aushelfen muss. Dass man gern zur Arbeit geht und nicht weiß, dass man dort noch 50 Vorgänge auf dem Tisch liegen hat, die unbearbeitet sind und in zwei Wochen zur Staatsanwaltschaft geschickt werden müssen.
Eines ihrer wichtigsten Projekte ist die Polizeireform. Sie wollten sie möglichst schnell umsetzen. Wie ist der Stand?
Die neue Strukturreform ist am 22. Oktober in Kraft getreten. Die Kolleginnen und Kollegen mussten zum Teil an vier von fünf Wochenenden arbeiten. Kolleginnen und Kollegen im Ermittlungs- und Servicedienst oder in den Kriminaldiensten, die an der Vorgangsflut fast ersticken. Deswegen haben wir gesagt, dass hier etwas passieren muss. Man hat sich einfach verkalkuliert mit dem Personalabbau.
Inwiefern?
Wir wollten am Ende der Schuldenbremse auf 2.500 Beamtinnen und Beamten kommen in der saarländischen Vollzugspolizei und haben diesen Stand jetzt schon erreicht, weil wir neue Regelungen in Bezug auf Eltern-, Teilzeit, Sonderurlaub et cetera haben. Dort fehlen über 100 Kolleginnen und Kollegen pro Jahr. Deswegen haben wir gefordert, dass zentralisiert werden muss. Dies wurde zum Teil auch so umgesetzt. Wir hätten uns aber eine stärkere Zentralisierung gewünscht, weil wir gesagt haben, dass Mitarbeiterzufriedenheit und Sozialverträglichkeit des Berufes für uns als Gewerkschaft an erster Stelle stehen und die Leute nicht durch den Beruf krank werden dürfen. Das wurde umgesetzt, das begleiten wir derzeit. Dort jetzt ein Fazit zu ziehen, wäre aber verfrüht. Wir sind in Gesprächen mit den einzelnen Dienststellen und werden uns ein Bild machen, ob die Reform die personellen Synergieeffekte hat, die uns versprochen worden sind. Wenn sie sie nicht hat, werden wir uns noch mal für eine stärkere Zentralisierung aussprechen.
Sie sagten zu Ihrem Einstand, man müsse längst überfällige Stellenausschreibungen realisieren.
Genau. Die sogenannten Zweitverwendungen, Dienststellen im Landeskriminalamt beispielsweise, werden in der Regel von jungen Kolleginnen und Kollegen aus dem Wach- und Streifendienst gespeist. Durch die Personalknappheit, die wir auf den Dienststellen hatten, die Wechselschichtdienst leisten, den typischen Streifendienst, gab bis vor einem halben Jahr eineinhalb Jahre keine Ausschreibung mehr für die Zweitdienststellen, und denen gehen natürlich auch die Personen aus, weil man bei einem Ruhestand keinen mehr nachschieben kann. Das ist aber auch geschehen.
Der große Schlüssel zum Erfolg ist also die Personalsituation?
Ja, das Personal ist der Schlüssel unserer Probleme. Wir brauchen mehr Kolleginnen und Kollegen. Wir hatten 1991 noch 3.401 volleinsatzfähige Polizeivollzugsbeamte. Wir sind jetzt bei einem Stand von rund 2.500. Bis zum Ende der Schuldenbremse werden wir noch 100 verlieren. Die Landesregierungen unter Lafontaine und Kramp-Karrenbauer haben uns mit ihren Sparmaßnahmen bei der Polizei fast 1.000 Kollegen gekostet.
Wie viele Polizisten braucht das Saarland?
Wir möchten, dass wir bis 2030 wieder bei 3.000 sind, die voll einsatzfähig sind. Das wäre ein Aufbau von 500. Das hört sich viel an, das wird auch teuer, aber der Bundestrend geht auch dahin, dass alle Polizeien teils massiv wieder Personal aufbauen und das Saarland das einzige Bundesland ist, das noch Personal abbaut.
Sie haben also die Besoldungs- und Personalsituation als große Baustellen. Gibt es weitere Themen, die Sie bald angehen wollen?
Diese Besoldungssituation wird sich in den nächsten zwei, drei Monaten entscheiden. Wir werden auch auf die Straße gehen und unsere Forderungen publik machen. Die Personalsituation ist mit dem Ziel 2030 mittelbar. Natürlich müssen auch die Zulagen angehoben werden. Dort gab es eine kleine Anpassung. Wir haben gesagt, das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, darf aber nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Wie sah diese Anpassung aus?
Die Nachtzulage am Wochenende von Freitag auf Samstag liegt jetzt bei 2,56 Euro. Das ist eine Steigerung um 100 Prozent, die die Landesregierung uns gegeben hat. Allerdings ist auch das mit anderen Bundesländern nicht vergleichbar. In Schleswig-Holstein, ein ehemaliges Haushaltsnotlageland, kriegen die Kolleginnen und Kollegen mehr als vier Euro. Auf einem guten Weg sind wir auch bei der Beförderungssituation. Wir konnten insgesamt 35 zusätzliche Stellenerhebungen verhandeln in die A10. Wir können wohl, wenn es so weitergeht, die Beförderungszeit von der A9 in die A10 von elf Jahren auf fünf bis sechs reduzieren. Und dann gibt es natürlich noch das Thema freie Heilfürsorge.
Der Staat bezahlt in vielen Bundesländern 100 Prozent der Behandlungen im Krankheitsfall für Vollzugsbeamte.
Da wollen wir auch im Saarland hinkommen. Das ist im Grunde auch eine kleine Beförderung, denn durch dieses Instrument würde die Privatversicherung bei uns wegfallen, und die Kollegen würden 100 bis 150 Euro im Monat sparen.