Mit dem furiosen Remake der morbiden norwegischen Kult-Krimikomödie „Einer nach dem anderen" schickt Ausnahmefilmer Hans Petter Moland mit „Hard Powder" Hollywood-Alt-Action-Ikone Liam Neeson als Terminator gegen skrupellose Drogengangster ins Panorama der Rocky Mountains, um den heimtückischen Mord an seinem Sohn zu rächen.
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Sohn um Söhne: Der fürsorgliche Familienvater und Schneepflugpilot Nels Coxman (Liam Neeson) räumt Massen des weißen Kristalls im sonst so heimeligen Ambiente der Kleinstadt Kehoe, einem Ski-Eldorado in den Rocky Mountains auf und ab. Dass er bald zum sadistischen Wegräumer erwächst und ein Blutbad unter miesen Schurken anrichtet, hätte sich der stets bescheidene Hüne selbst in den kühnsten Albträumen nicht ausmalen können. Just ist er in einem frugalen Zeremoniell zum „Bürger des Jahres" gekürt worden, er bedankt sich gemäß seinem Naturell kurz und knapp. Doch dann wird sein Sohn Kyle (Micheál Richardson), getötet durch eine Überdosis Heroin, aufgefunden. Der Zuschauer weiß dank eines szenischen Einschubes, dass die kaltblütigen Schergen des geschniegelten Drogenbarons Viking (Tom Bateman) die abscheuliche Tat verantworten. Während Mutter Grace Coyman (Laura Dern) in tiefe Trauer stürzt, will Nels sich im ersten Moment aus lauter Verzweiflung das Leben nehmen. Doch unterwartet erhält er einen Hinweis auf die Täter, weiß nun, dass sein Sohn den Drogendealern viel zu nahe gekommen ist.
Nels apathische Hilflosigkeit wandelt sich zum grenzenlosen Zorn, er nimmt die leidvolle Angelegenheit selbst in die Hand und entsorgt dabei die teuflische Bande effektiver als einst Jean Reno in „Léon – Der Profi" seine Zielpersonen. So geht einer, mit Hühnerdraht drapiert, im zwei Grad warmen Gebirgswasserfall baden, einem anderen wird buchstäblich die Visage „poliert", denn Schneepflüge können nicht nur Eis zerstäuben. Und säckeweise von ihm im Panorama verschütteter Schnee der Großdealer fällt auch nicht sonderlich auf. Es sei denn, man stürzt als vorbeigleitender Skilangläufer mit der Nase zufällig hinein. Nels unsachgemäßes und spendables Entsorgungssystem der millionenschweren Hehlerware stößt jedoch beim Oberfiesling Viking auf wenig Verständnis. Er kocht vor Wut und verdächtigt seinen langjährigen Erzrivalen White Bull (Tom Jackson) der geschäftsschädigenden Aktionen.
Aus Hilflosigkeit wird Zorn
Als überdies ein versehentlich völlig falsch rekrutierter Auftragskiller selbst für immer in die ewigen Jagdgründe verschwindet, eskaliert das ohnehin sehr geladene Geschehen. Aber es ist schon viel zu spät. Der scheinbar friedliche Schneepflugfahrer hat sich längst durch die Hierarchie des Kartells bis an die oberste Spitze „emporgekillt" und der furiose Showdown ist nur noch eine Frage der Zeit …
Eine Frage der cineastischen Ehre indes stellt dieses intensiv elliptisch inszenierte und morbid-humorige Familiendrama in vielerlei Hinsicht dar. Als wenn Quentin Tarantino, Aki Kaurismäki, Ethan und Joel Coen im synergetischen Filmverbund hinter dem Projekt Pate gestanden hätten, gelingt Hans Petter Moland der diffizile Spagat, seine kultige Thriller-Komödie „Einer nach dem anderen" von 2014 in einem neoveristischen US-Gewand zu generieren. Das Resultat ist ein profunder, spektakulärer und aberwitziger Hochspannungskrimi, in dem der mittlerweile 66-jährige Brite Neeson einmal mehr alle Register seines Könnens zum letzten Male ziehen und richtig aufdrehen kann. Immer, wenn ein Verbrecher in dieser blutroten Schauermär ins Jenseits befördert wird, erscheint das wie zu den goldenen Zeiten des Stummfilms in einer Texteinblendung auf der Leinwand. Als interpunktierte Ironie des gewollten Schicksals. Und zur satirischen Freude beim Betrachter.
Und trotz der unappetitlichen Hinrichtungen, trotz der fröstelnden Filmatmosphäre, befeuert diese nachhaltige Independent-Perle überraschend skurrile und pittoreske Komik. So sind die zuständigen Ordnungshüter nichts anderes als depperte Statisten, die ausschließlich im Dunkeln tappen und für unfreiwillige Lacher sorgen. Neeson wird dabei nicht einseitig als klinischer Killer porträtiert, sondern gibt immer wieder den innerlich gebrochenen Vater, der durch den Verlust seines Sohnes zum Massakrierer werden musste.
Gebrochener Vater statt kalter Killer
Das Original „Einer nach dem anderen" (2014), im Original versehen mit dem vieldeutigen Titel „Kraftidioten", was nichts anderes als das norwegische „Vollidiot" bedeutet, adelte den großartigen Stellan Skarsgård („Rückkehr nach Montauk") und den grandiosen Bruno Ganz („Der Trafikant") auf dem Vergeltungstrip. „Hard Powder" ist mitnichten Krimiaction aus der Kinokonfektionsabteilung mit den üblichen Applikationen der seriellen Sehgesetze, sondern eine originäre Charakterballade, mit dessen Gewaltexzessen der zutiefst integere Protagonist irgendwie irgendwo verständlich polarisiert. Und wer könnte dieses maskuline Outdoor-Pendant zurzeit authentischer interpretieren als Liam Neeson? Der sorgte zurzeit auch auf der Berlinale für aufgeheizte Ambivalenz: Nachdem die New Yorker Premiere unlängst wegen Rassismus-Vorwürfen gecancelt wurde, verteidigte Hans Petter Moland nun seinen Star, als „auf eigene Kosten sehr ehrlich". In einem kürzlich erschienenen Interview mit dem „Independent" hatte Liam Neeson schamhaft gestanden, dass er nach der brachialen Vergewaltigung einer engen Freundin durch einen Afroamerikaner vor vier Jahrzehnten mit einem Totschläger unterwegs gewesen sei und auf Rache gegenüber dem nächstbesten „Schwarzen" gesonnen habe. „Ich bin kein Rassist", dementierte Neeson vehement im US-TV-Format „Good Morning America" daraufhin, nachdem er für seine Aussagen ins Visier geraten war.
„Das war vor 40 Jahren. Ich hatte einen Urdrang", verteidigte sich Neeson. Er habe einer geliebten Freundin lediglich „Ehre auf mittelalterliche Weise erweisen" wollen. Bei der britischen Popröhre Lily Allen stieß seine Botschaft auf taube Ohren, während eines Konzerts in Sydney widmete sie Neeson ihren Song „Fuck You". Das Publikum wird mit gegenteiliger Attitüde diesen packenden Kinokracher verlassen.