Redford hat als Regisseur neun Spielfilme inszeniert. Ziel war immer, auf Missstände hinzuweisen und hinter Fassaden zu blicken. Vollkommene Unabhängigkeit erlangte er aber nicht. Als Filmemacher musste er sich auch an Hollywoods Regeln halten.
Viele Schauspieler kommen im Laufe ihrer Karriere auf die Idee, sich als Regisseur zu versuchen. Das ist grundsätzlich ein guter Weg, um sich künstlerisch zu entwickeln. Andererseits mag es auch eine Fehleinschätzung sein, weil Schauspieler und Regisseur eben grundverschiedene Berufe sind. Ein Schauspieler steht vor der Kamera und führt zu großen Teilen die Anweisungen des Regisseurs aus. Der aber muss das große Ganze des Films vor Augen haben. Kein Wunder also, dass es bei vielen Schauspielern bei einem Regie-Versuch bleibt.
Bei Robert Redford ist das anders. Dass er Regisseur wurde, lag wohl eher am politischen und gesellschaftlichen Engagement des US-Amerikaners. Dazu gehört auch sein kritischer Blick auf das System in Hollywood, auf die Politik der USA und auf eine Gesellschaft, die beides toleriert und sogar unterstützt.
Regiedebüt 1980 im Alter von 44 Jahren
Nach den Erfolgen als Schauspieler debütierte der Regisseur Robert Redford (damals 44 Jahre alt) mit „Eine ganz normale Familie" (1980). Das Drama blickt hinter die Fassade eines Ehepaares, das den Tod eines Sohnes verkraften muss und scheitert, weil es mehr Wert auf den schönen Schein legt als auf den inneren Zusammenhalt. „Eine ganz normale Familie" war erfolgreich, weil der Film seine Gesellschaftskritik durch ein hohes Maß an Dramatik vermittelt. Ein Zwiespalt für den Regisseur, der sich damit den Regeln Hollywoods beugen musste, den Unterhaltungswert eines Filmes zu betonen. Für diese Regie bekam Redford einen Oscar. Trotz des Erfolges dauerte es fast acht Jahre, bis Redford mit „Milagro – Der Krieg im Bohnenfeld" seine zweite Regiearbeit präsentierte. Die Geschichte um ein Dorf im Kampf gegen mächtige Baulöwen war in seiner Aussage ambitioniert, im Ergebnis aber umstritten, weil Redford mit den Traditionen der Bevölkerung wie auch mit den Erfordernissen des Fortschritts sympathisierte und daher nicht eindeutig Stellung bezog.
Mit „Aus der Mitte entspringt ein Fluss" (1992) gelang Redford wieder ein Filmhit. Zwei Brüder scheitern an der Aufgabe, ihre Differenzen zu überwinden, bis einer der Männer an den Folgen von Alkoholkonsum und Spielsucht stirbt. „Aus der Mitte entspringt ein Fluss" ist eine meditative, poetisch-philosophische Saga, behutsam und mit wenig Effekthascherei inszeniert. Mit „Quiz Show" (1994) griff Robert Redford die amerikanische Unterhaltungsindustrie an. Erzählt wird von einer TV-Ratesendung, deren Kandidaten beeinflusst werden, um Einschaltquote zu machen. Das Dilemma für den damals 58-Jährigen: Auf der einen Seite möchte er Systemkritik äußern, auf der anderen Seite gelingt ihm das nur, indem er sich dem System beugt – und mit dem Film zu unterhalten vermag. Um Unterhaltung geht es auch in „Der Pferdeflüsterer", den Redford vier Jahre später (1998) präsentierte. Die Story um ein traumatisiertes Tier und dessen Therapeuten ist eher eine filmischen Soap Opera statt ein Werk mit Tiefgang. Dennoch: Die Zuschauer liebten den Film und bescherten Redford, der auch die Hauptrolle spielte, einen seiner größten Erfolge.
Anders war dies bei „Die Legende von Bagger Vance" (2000). Der Film um einen Golfspieler mit Kriegstrauma war ambitioniert, aber arm an Spannung oder Tiefgang. Als der Film im Kino floppte, war Redford 64 Jahre alt und er musste sich fragen, was er mit einer neuen Regiearbeit noch erreichen wollte. Er besann sich auf seine politische Meinung und sein Ideal zum gesellschaftlichen Engagement und drehte „Von Löwen und Lämmern" (2007). Der Film mit drei parallel laufenden Handlungssträngen ist ein komplexes Meisterwerk, das präzise die Widersprüche der US-Politik zeigt: Ein Professor spricht mit seinem Studenten über Politikverdrossenheit; eine Journalistin wird von einem republikanischen Senator für dessen Ziele missbraucht; und in Afghanistan geraten zwei US-Soldaten in eine Falle der Taliban. Für Robert Redford bedeutete „Von Löwen und Lämmern", deutlich politische Position zu beziehen. So fragt der Film eindrucksvoll, wie Politik funktioniert, er spiegelt Macht und Ohnmacht der Presse und stellt die Verantwortung des Bürgers heraus. Für die Zuschauer war das aber zu viel. Der Erfolg an der Kasse blieb aus.
Regiestuhl statt Rentnerstuhl als Option für die Zukunft
Es folgte 2010 seine nächste Regiearbeit: „Die Lincoln Verschwörung". Der Film spielt im Jahr 1865 und zeigt die Gerichtsverhandlung der Zivilistin Mary Surratt, der Mittäterschaft am Mord an Lincoln vorgeworfen wird. Unglaubwürdige Zeugen, politischer Druck auf den Anwalt sowie ein Gericht, das entlastende Beweise nicht zulässt: Der Film wurde von Kritikern in den USA ebenso wie von jenen in Deutschland als Redfords Stellung zum Gefangenenlager Guantanamo und zur Bush-Politik interpretiert. So ist „Die Lincoln Verschwörung" ein typischer Film für Redford, der das Kino einmal mehr als Möglichkeit nutzte, massenwirksam seine politischen Ansichten zu äußern. An der Kino-Kasse ging der Plan nicht ganz auf.
Seine bislang letzte Regiearbeit ist „The Company you keep – Die Akte Grant" (2012). Der damals 76-Jährige führte Regie, übernahm eine der Hauptrollen und war auch Produzent. Redford spielt den Anwalt Grant, der mit seiner linksextremen Vergangenheit konfrontiert wird und untertauchen muss. Um seine Unschuld zu beweisen, trifft er frühere Mitstreiter, mit denen er einst in einer politischen Zelle gegen den Vietnamkrieg agitierte. „Die Akte Grant" ist trotz hoher Ambitionen ein mäßig spannender Flüchtlingsthriller, zu voll gepackt mit Nebenhandlungen. Ähnlich wie „Die Lincoln Verschwörung" schien der Film seiner Zeit voraus zu sein. Bei den Dreharbeiten konnte Redford nicht wissen, wie punktgenau das Werk später auf den Wogen des NSA-Abhörskandals landen würde.
Trotz der unverhofften Aktualität: Das große Alterswerk, das er verdient hätte, ist der Film nicht. Bleibt zu hoffen, dass er noch weiter als Regisseur arbeitet. Im August wird der Filmemacher 83, und es ist kaum zu glauben, dass er sich für immer in den Rentnerstuhl setzt. Der Regiestuhl ist wesentlich interessanter und bietet dem Filmsenior noch zahlreiche Möglichkeiten.