Die Union ist auf Erneuerungskurs. CDU und CSU haben eine neue Führung. Nun ist die Junge Union dran. Und die hat in Sachen Profil und Aufmerksamkeit Nachholbedarf.
Es gibt ein neues Traumpaar auf der politischen Bühne der Republik: Ria Schröder und Kevin Kühnert. Letzterer dürfte als Juso-Vorsitzender allgemein ein Begriff sein seit seiner Anti-Groko-Kampagne. Ria Schröder ist seit fast einem Jahr die neue Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis). Die 28-Jährige und ihr SPD-Pendant werden nur zu gern in Talkshows eingeladen – ein putziges Pärchen, das vor der Kamera ganz gut harmoniert. „Dabei passen wir doch politisch überhaupt gar nicht zusammen", meinte Ria Schröder am Rande eines FORUM-Gesprächs im vergangenen Herbst und ergänzte: „Paul wäre eigentlich mit Blick in die Zukunft mein Idealpartner". Damit war Paul Ziemiak gemeint, Generalsekretär der CDU und Noch-Vorsitzender der Jungen Union. Er hat das Kunststück fertiggebracht, den Job als Berufsjugendlicher seiner Partei über vier Jahre von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt zu vollführen. Dass CDU/CSU tatsächlich auch eine Jugendorganisation mit einem Vorsitzenden haben, geriet erst am Abend des 7. Dezember vergangenen Jahres in die großen Schlagzeilen, beim CDU-Parteitag in Hamburg, die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Bundesvorsitzenden ihrer Partei war ungewiss. Da griff AKK beim Discoabend im Keller des „Atlantic Hotel" in die Trickkiste. „Ich habe ihn einfach angetanzt", schmunzelt Kramp-Karrenbauer nach ihrer geglückten Wahl zur Parteivorsitzenden in die Kameras. Seitdem wird Ziemiak von Wohlwollenden nur noch „der Tänzer" genannt. Die Übrigen schimpfen ihn den „Umfaller".
Personalauswahl auch bei den Jungen
Was sich heute wie eine niedliche Anekdote liest, hat für nicht wenige in der Jungen Union ein reichliches Geschmäckle. Die Junge Union wollte eigentlich Jens Spahn zum CDU-Vorsitzenden, doch da reichten bekanntlich die Stimmen auf dem Parteitag nicht im Entferntesten. Alternativ in der Stichwahl wollte die Nachwuchsorganisation der Union dann für Friedrich Merz votieren, Kramp-Karrenbauer hätte dann keine Chance gehabt. Nach dem „Antanzen" bekam AKK die Stimmen der Jungen Union – und schlug prompt deren Vorsitzenden Ziemiak als Generalsekretär vor. Der 33-Jährige wiederum soll seinen Getreuen in den Landesverbänden ebenfalls ein berufliches Weiterkommen zugesichert haben. Das war es dann mit Friedrich Merz und den hehren Ansprüchen der Jungen Union, sich als konservative Kraft bemerkbar zu machen.
Ansonsten gehörte die innere Kritik an einer gewissen Inhaltsleere zur ständigen Begleitmusik der Jugendorganisation. „Allein die Anträge der JU zum letzten CDU-Bundesparteitag in Hamburg zeigen, um was für einen fußlahmen Haufen es sich da handelt", bringt ein ehemaliger JU-Funktionär und heutiger Bundestagsabgeordneter die inhaltliche Misere des Nachwuchses auf den Punkt. „Gesellschaftsjahr verpflichtend und attraktiv gestalten" ist so eine fulminante Forderung. „Welcher junge Mensch kämpft denn freiwillig dafür, dass er direkt nach der Schule gleich wieder in neue Aufgaben eingespannt wird?", fragt sich der ehemalige Jung-Unionist. Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht hatte übrigens die damalige Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer als ein Ergebnis ihrer „Zuhör-Tour" durch die Landesverbände aufgebracht.
Auch die Forderung der Jungen Union „Bundeswehr verdient eigenen Gedenktag" klingt von einer Parteijugend eher befremdlich, wenn zugleich ein Thema, das vor allem die Menschen unter 30 Jahren wirklich interessiert, kaum merkbar stattfindet: Die digitale Welt der Zukunft. Nun neigen die Jungkonservativen kaum zur Forderung „kein Zwei-Klassen-Internet für Niemand", aber zumindest hätten Funktionsträger zum Ausbau der Glasfasernetze aufrufen können. Auch während der beinharten Debatten im vergangenen Sommer zwischen CDU und CSU zu Flüchtlingsfragen war von der Jungen Union im Allgemeinen und von Paul Ziemiak im Speziellen kaum etwas zu hören. Dabei hätte das Thema zur Paraderolle für Ziemiak werden können, denn die Jugend der beiden damals streitenden Schwesternparteien ist in der Jungen Union vereint. Die Jungen rufen die alten Streithähne zur Vernunft, hätte zur Schlagzeile werden können und Gewicht gehabt. Schließlich ist die Junge Union mit über 100.000 Mitgliedern nach eigenen Angaben nicht nur der größte politische Jugendverband Deutschlands, sondern auch in Europa.
Die großen Schlagzeilen blieben aus. Die lieferte dafür die politische Konkurrenz. Kevin Kühnert sorgte mit seiner Kampagne gegen eine Neuauflage der Großen Koalition dafür, dass sich die Jusos wie in einer medialen Dauerparty fühlen konnten. Das ging so weit, dass Kühnert schon mal als nächster SPD-Kanzlerkandidat gehandelt wurde. Auch wenn die Kampagne bekanntlich keinen Erfolg hatte, festigte sie das Bild von einer agilen und aufmüpfigen Parteijugend.
Und bei den Jungen Liberalen bringt Ria Schröder ihre Organisation in Stellung und Schlagzeilen, wenn auch politisch unter abenteuerlichen Umständen. Die altvorderen Damen ihrer Partei sind nach den Jahren des Verschleißes im Parteiapparat für eine Frauenquote in der FDP. Ria Schröder und ihre Julis halten unbeirrt dagegen. Alt gegen Jung unter verkehrten Vorzeichen, das bringt erst recht Schlagzeilen.
Konservativ und wenig inspirierend
Davon kann die Jugend in der Union nur träumen. Der anstehende Deutschlandtag der Jungen Union in Berlin fand überhaupt nur Beachtung, weil seit langer Zeit mal wieder zwei Bewerber um die Nachfolge von Paul Ziemiak antreten. Nach dem Dreikampf um die CDU-Spitze nun auch noch eine „Kampfkandidatur" bei der Jungen Union. Die Jungen nehmen sich ein Vorbild an der Mutterpartei. Zumindest fast. Statt drei gibt es – bislang – nur zwei Bewerber. Eine Bewerberin hat sich bis zur Stunde partout nicht finden lassen, obwohl man ausdrücklich danach suchen ließ.
Um die Ziemiak-Nachfolge kämpfen nun der 34-jährige Stefan Gruhner aus Thüringen und Tilman Kuban aus Niedersachsen. wobei Kuban mit seinen 31 Jahren die Junge Union zumindest auf Sicht von fast fünf Jahren führen könnte. Sein Konkurrent aus Thüringen müsste bereits in anderthalb Jahren seinen Posten schon wieder aufgeben, da die Altersgrenze in der Jungen Union bei 35 liegt. Beide Kandidaten sind jeweils JU-Vorsitzende ihrer Landesverbände und wollen unisono die Junge Union zu einer Mitmachtruppe formen. Dabei setzen sie voll auf Social Media und noch mehr Digitalisierung im Wahlkampf, etwa mit Facebook. Die Bewerbungen verraten die Handschrift von jungen Berufspolitikern. Gruhner ist Mitglied im thüringischen Landtag. Sein jüngerer Konkurrent, Kuban aus Niedersachsen, wird Ende Mai sehr wahrscheinlich Mitglied des Europaparlaments werden. Er hat einen ziemlich sicheren Listenplatz für den Sprung nach Straßburg und Brüssel – und wirbt genau damit für sich, er könnte die Jungorganisation noch fünf Jahre führen und wäre obendrein die Stimme der jungen Konservativen nicht nur in Deutschland, sondern auch im Europaparlament. Trotzdem haben sich offenbar die Vorsitzenden der anderen großen JU-Landesverbände auf den 34-jährigen Gruhner aus Thüringen fokussiert, sozusagen als Übergangslösung. Ob der JU Deutschland am 16. März Hinweise liefert, wohin dieser Übergang dann allerdings führen kann und soll, ist derzeit nicht recht auszumachen.