Am Sonntag, 17. März, beginnt in Australien die 70. Formel-1-Saison. Mit dem Namen „Sauber" verschwindet dann ein Stück Tradition. Der Schweizer Rennstall, 2018 noch als „Alfa Romeo Sauber F1 Team" in der Startliste aufgeführt, wird nach 26 Jahren in „Alfa Romeo Racing" umbenannt.
Mehr als ein Vierteljahrhundert stand der Name „Sauber" in der Nennliste der Formel-1-Teams. Selbst in der Zeit von 2006 bis 2009, als BMW die Regentschaft übernahm, hatte immer noch ein „Sauber" im Namen gesteckt.
Mit der neuerlichen Umbenennung des altehrwürdigen Schweizer Teams in „Alfa Romeo Racing" ist der viertälteste Rennstall nun aber dennoch nicht aus der Formel 1 verschwunden, sondern bleibt der Königsklasse erhalten. Die italienische Traditionsmarke hat sich lediglich die Namensrechte am Schweizer Rennstall gesichert. Formel-1-Fans wissen beim Sauber-Renner ohnehin: Was draufsteht, ist nicht drin. Eigentlich bleibt alles wie gehabt. Hauptquartier ist nach wie vor die Fabrik in Hinwil im Zürcher Oberland, Managementstruktur und Besitzerverhältnisse des Teams sind die gleichen geblieben, Motor und Getriebe liefern auch 2019 Ferrari und nicht Alfa Romeo, wie man annehmen könnte. Und Sauber werde auch weiterhin unabhängig bleiben, wie es in einer Presseaussendung heißt. Neu sind die Aufstockung einiger Mitarbeiter und die Fahrerpaarung Kimi Räikkönen/Antonio Giovinazzi. Und dass „Alfa Romeo Racing" eventuell noch ein bisschen mehr Geld aus Italien nach Hinwil überweist. Wie Ferrari gehört auch Alfa Romeo zum Fiat-Konzern.
Hauptquartier ist nach wie vor die Fabrik in Hinwil
Im vergangenen Jahr ist die Marke Alfa Romeo nach 30 Jahren in die Formel 1 zurückgekehrt – als Titelsponsor beim Sauber-Team. Sichtbar war die Rückkehr auf dem Chassis der Autos als Alfa-Logo mit rotem Kreuz und der Schlange mit Drachenkopf in dem zweigeteilten blau umrandeten Kreis. Man wolle technische Unterstützung leisten, Know-how in der Entwicklung austauschen, hieß es damals in der offiziellen Presseerklärung. „Dieses Abkommen mit Sauber ist ein bedeutender Schritt bei der Neuausrichtung der Marke Alfa Romeo. Die Marke wird durch den Austausch von Technologie und strategischem Know-how von der Erfahrung Saubers profitieren. Die enge Zusammenarbeit mit einem Autobauer ist für Sauber auch eine tolle Möglichkeit, die bestehenden Technologie-Projekte auszubauen", hieß es weiter. Das Ergebnis dieser Partnerschaft mit dem italienischen Titelsponsor bewertete Sauber-Teamchef Frédéric Vasseur nach Platz acht in der Konstrukteurswertung als „ausgezeichnete Fortschritte". Der Franzose: „Nachdem 2018 unsere Partnerschaft mit Alfa Romeo initiiert wurde, haben wir uns auf der technischen und kommerziellen Seite stark verbessert. Das hat jedem einzelnen Teammitglied einen großen Motivationsschub gegeben. Die Arbeit hat sich ausgezahlt. Wir haben technische Expertise und italienisches Flair bewiesen."
Alfa Romeo gehört zu den traditionsreichsten Marken der Formel-1-Geschichte. Der Italiener Giuseppe „Nino" Farina und der Argentinier Juan Manuel Fangio fuhren als Werkspiloten von Alfa Romeo die ersten beiden Weltmeistertitel nach Gründung der Serie in den Jahren 1950 und 1951 ein. 1952 und 1953 bescherte dann Alberto Ascari Ferrari den WM-Titel. Alfa Romeo hat im Rahmen der Formel-1-WM 112 Grands Prix bestritten und zehn davon gewonnen, keinen davon als Hersteller in der Neuzeit. Das letzte Engagement – 1985 als „Benetton Alfa Romeo" mit Eddie Cheever und Riccardo Patrese – war eine Katastrophe: null Punkte. Mit dem WM-Finale in Adelaide (Australien) verschwand Alfa in der Formel-1-Versenkung. Für 30 Jahre!
Drei Jahrzehnte weg vom Fenster
Werfen wir aber auch einen Blick zurück auf die bewegte Vergangenheit des Sauber-Rennstalls. Teamgründer Peter Sauber kam 1993 aus der Sportwagenszene mit Mercedes als Steigbügelhalter in die Formel 1. Unter dem Tarnnamen „Concept by Mercedes" gingen die Schweizer an den Start. Ein Jahr später kam es zum offiziellen Bekenntnis des Daimler-Konzerns – und nach der Saison 1994 auch zum Zerwürfnis mit den Schwaben. Die Stuttgarter lieferten fortan ihre Triebwerke an das britische McLaren-Team. Sauber wurde finanziell abgefunden. Das Grand-Prix-Abenteuer hat Peter Sauber oft als „vernünftiger Schritt in die Unvernunft" bezeichnet. Das Schweizer Team ist öfter in finanzielle Schieflage und arge Existenznöte geraten. Von 2006 bis einschließlich 2009 trat das Team aus dem Zürcher Oberland unter der Eigentümerschaft als BMW an. Als größter Erfolg ging 2008 der Doppelsieg des Polen Robert Kubica im kanadischen Montreal vor seinem Mönchengladbacher Teamkollegen Nick Heidfeld in die Annalen des BMW-Sauber-Teams ein. Als die Münchner Ende 2009 dem GP-Programm den Stecker zogen, kaufte Peter Sauber sein Team zurück und rettete seinen Mitarbeitern 300 Arbeitsplätze. Höchste Priorität des seriösen Schweizers genoss schon immer der Fortbestand seines Lebenswerks. „Wir haben etwa ein Drittel weniger Budget als wir gern hätten, weshalb bei uns eine extrem hohe Effizienz gefordert wird", rechnete Saubermann Peter Sauber gern mal vor. In der vergangenen Saison hatte das Team ein geschätztes Jahresbudget von 150 Millionen Euro für 320 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Ferrari hatte etwa 470 Millionen Euro für 700 Mitarbeiter, Mercedes etwa 500 Millionen Euro für 1.100 Mitarbeiter in drei Fabriken, Red Bull etwa 350 Millionen Euro für 640 Mitarbeiter.
Äußerst kritisch war die Finanzlage in den Jahren 2015/2016. Löhne und Gehälter konnten nur verspätet gezahlt und oft nur von Rennen zu Rennen geplant werden. Die Schweizer Investorengruppe Longbow Finance stieg als Retter in der Not ein und übernahm 100 Prozent des Sauber-Teams. „Wir sind sehr glücklich, dass wir eine Einigung erzielen konnten, die die Zukunft von Sauber in der Königsklasse des Motorsports sichert. Wir sind sehr zuversichtlich, dass Longbow Finance der perfekte Partner ist, um das Team in der Formel 1 wieder konkurrenzfähig und erfolgreich zu machen", erklärte damals Teamchefin Monisha Kaltenborn.
Hinter der Übernahme stehen auch Investoren aus Schweden und dem Konzern rund um den Verpackungshersteller Tetra Pack, die weltweit agieren. Eines ihrer Ziele: dem schwedischen Fahrer Marcus Ericsson dauerhaft einen Platz in der Formel 1 zu sichern. Doch der muss in der nächsten Saison Platz machen für das andere Nordlicht, Kimi Räikkönen. Der Finne, von 2014 bis 2018 Teamkollege von Ferrari-Star Sebastian Vettel, kehrt nach 14 Jahren zu seinem Ausbildungsteam zurück. Von den Italienern gefeuert, hat der „Iceman" nach eigener Aussage die sensationelle Rückkehr zu den Schweizern selbst eingefädelt. Räikkönens Platz bei Ferrari und neben Vettel nimmt Charles Leclerc ein. Der junge Monegasse ist wie Räikkönen bei Sauber in die Lehre gegangen und darf nach seinem Premierenjahr in dieser Saison gleich bei Ferrari ran. Der Traditionsrennstall weiß die Steuerkünste des 20-Jährigen zu schätzen, schließlich kommt er aus der Ferrari-Nachwuchsakademie.
„Ein junger Fahrer findet bei uns ein anderes Umfeld"
Die Liste der Talente, die sich im Sauber-Rennstall entwickelt haben oder Fahrer, die später für die Eidgenossen unterwegs waren, ist lang. Ein paar Namen: Heinz Harald Frentzen (64 Grand Prix für Sauber 1994 bis 1996 und 2002 bis 2003), Nick Heidfeld (55 GP 2001 bis 2003), Felipe Massa (Brasilien, 53 GP 2002 und 2004 bis 2005), Johnny Herbert (Brite, 49 GP 1996 bis 1998), Kamui Kobayashi (Japan, 58 GP 2010 bis 2012), Sergio Perez (Mexiko, 36 GP 2011 bis 2012), Jean Alesi (Frankreich, 32 GP 1998 bis 1999), Pedro Diniz (Brasilien, 32 GP 1999 bis 2000), Karl Wendlinger (Österreich, 25 GP 1993 bis 1995) Jacques Villeneuve (Kanada, 30 GP 2005 bis 2006), Giancarlo Fisicella (Italien, 18 GP 2004), Adrian Sutil (19 GP 2014), Nico Hülkenberg (18 GP 2013), Pascal Wehrlein (18 GP 2017), Mika Salo (Schweden 16 GP 2000), Pedro de la Rosa (Spanien, 14 GP 2010-2011), Kimi Räikkönen (17 GP 2001), Marcus Ericsson (Schweden, 81 GP 2015 bis 2018), Charles Leclerc (Frankreich, 21 GP 2018). „Wir haben nie Talente gesucht", stellte Peter Sauber einmal klar und erklärt den Unterschied zu anderen Teams: „Ein junger Fahrer findet bei uns ein anderes Umfeld als in einem anderen Rennstall. Das hilft ihm ganz sicher, sich besser zu entwickeln."
Der Name Sauber ist auch nach der Umbenennung Programm. Als Teamchef genoss Firmengründer Peter Sauber den Ruf eines geradlinigen Racers und verantwortungsvollen Unternehmers. Keine Jachten, kein Flugzeug, keine Skandale; ein gepflegtes Glas Rotwein und eine gute Zigarre sind das Maximum an Verwegenheit. Seine Rolle als Teamchef beschrieb er so: „Man hat mich im Kreis meiner Kollegen immer ernst genommen und auch akzeptiert, und man hat dort immer Freude gehabt, weil wir anfangs hinterhergefahren sind. Aber im Laufe der Zeit bekam ich auch mehr Respekt, weil wir besser geworden sind. Und die Schulterklopfer sind weniger geworden."
Große Hoffnung für die neue Saison setzt das Sauber-Team – pardon, Alfa Romeo Racing – in Neuzugang Räikkönen. „Kimi wird uns die Referenz zu einem Top-Team und unheimlich viel Erfahrung bringen. Einen von drei Formel-1-Champions im Feld bei uns im Team zu haben, ist fantastisch", so Teamboss Vasseur über den Ferrari-Weltmeister von 2007 und mit 39 Jahren der „Alterspräsident" unter den Fahrern. Vasseur (50), Ende 2016 als Teamchef von Renault im Zwist geschieden, ist sich sicher, dass der „verlorene Sohn" sich auch in einer kleineren Truppe wohlfühlen wird: „Er ist einfach der richtige Fahrer für uns, er liebt auch in seinem Alter immer noch das Rennfahren und mag die Stimmung in unserem Team. Mit seinem italienischen Stallgefährten Antonio Giovinazzi haben wir eine starke Fahrerpaarung."