Die Krise des Landessportverbandes bewegt Land und Leute. In einer mehrteiligen Serie blicken wir auf die Geschichte der größten Personenvereinigung des Saarlandes zurück. In dieser Ausgabe beleuchten wir die Hintergründe der Finanzkrise.
Seit Anfang der vergangenen Woche standen ehemalige Verantwortliche des Landessportverbands für das Saarland (LSVS) vor dem Landgericht. Das Verfahren wurde nach Geständnissen zügig abgeschlossen. Die entscheidende Frage wurde dabei allerdings noch gar nicht behandelt, sondern kommt wohl erst in einem Folgeprozess zur Sprache. Wie konnte es dazu kommen, dass die größte Personenvereinigung des Saarlandes in eine solch eklatante Schieflage geriet? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken aufgrund eventueller Haushaltsuntreue dauern noch an. Bis zum Wochenende hat das neue LSVS-Präsidium um Adrian Zöhler Zeit ein vom Sanierungsbeauftragten Michael Blank erarbeitetes Konzept zu verabschieden. Das Sanierungskonzept ist Voraussetzung für einen 15-Millionen-Euro-Kredit der SaarLB.
Bis dieser unter Dach und Fach ist, hilft das Land dem Verband mit einem Überbrückungskredit aus. „Unser Sanierungskonzept wird nicht allen gefallen", räumte Zöhler gegenüber dem Saarländischen Rundfunk ein. Bei der ein oder anderen geplanten Maßnahme müsse man auch mit Widerstand rechnen – doch andererseits habe man hier „keine andere Wahl". Eine Sanierung des Landessportverbands ist nötig, weil der LSVS über Jahre hinweg ein Millionen-Defizit angehäuft hat. 44 Mitarbeitern wurde deshalb bereits gekündigt. Einige von ihnen sind vor das Arbeitsgericht gezogen. Nach heutigem Stand sollen am Ende noch 88 LSVS-Beschäftigte übrig bleiben. Zöhler hat bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr neue Strukturen versprochen. Der 48-Jährige gehört wie seine Vorgänger der CDU an. Anders als sie geht er einem Hauptberuf außerhalb der saarländischen Strukturen nach: Er ist Regionaldirektor einer Krankenkasse. Jahrzehntelang wurde der LSVS vom früheren Multifunktionär Hermann Neuberger geführt, der während seiner Amtszeit überwiegend an der Spitze von Saartoto stand. Seine Nachfolger Albert „Ali" Wagner und Gerd Meyer waren ebenfalls Toto-Direktoren, bevor mit dem damaligen Landtagspräsidenten Klaus Meiser ein aktiver Politiker an die Spitze rückte. Meiser war es auch, der Ende 2017 auf das immer größer werdende finanzielle Loch aufmerksam machte.
Harte Einschnitte
Franz Josef Schumann, damals Vize-Präsident des LSVS, räumte später Fehler ein: „Wir haben über viele Jahre über unsere Verhältnisse gelebt, ohne das zu erkennen." Nun sei man aber auf „einem guten soliden Weg". Dieser neue Weg soll auch eine Abnabelung von den politischen Strukturen beinhalten. Die „kurzen Wege", die jahrzehntelang gerne gelobt wurden, haben den Verband offenbar in eine Sackgasse geführt. Der neue Präsident stellt dabei fest, „dass wir uns sicherlich strukturell in einem Rahmen bewegen, der nicht mehr zeitgemäß ist."
Denn die weitreichenden Befugnisse, die der Präsident auch in finanzieller Hinsicht hatte, haben diesem stets eine außerordentliche Machtfülle beschert. Zöhler ist bemüht, keine schmutzige Wäsche zu waschen, und weist darauf hin, „dass nicht alles in der Vergangenheit schlecht war". Aber er sagt auch: „Wir brauchen einen Neuanfang, was die Transparenz betrifft." So ist das Präsidium derzeit dabei, eine Geschäfts- und Finanzordnung sowie eine Compliance-Regelung zu erarbeiten. „Parallel dazu müssen wir unsere Kernkompetenzen feinjustieren", sagte Zöhler.
Beispielsweise sollen verschiedene Arbeitsfelder darauf untersucht werden, ob sie wirklich zu den Kernkompetenzen eines Sportverbandes zählten. Ziel bleibe „die maximale Förderung des Sports in der Breite und in der Spitze", betonte Zöhler gegenüber dem Saarländischen Rundfunk.
Als der Landessportverband Anfang der 90er-Jahre aus dem „Haus des Sports" in der Saaruferstraße auf den Olympiastützpunkt im Saarbrücker Stadtwald zog, seien die Strukturen veraltet gewesen, sagt der Sportökonom Eike Emrich, in diesen Tagen ein gern zitierter Experte. 1988 hatte ihn der damalige LSVS-Präsident Hermann Neuberger als Leiter des Olympiastützpunktes Saarland ins Saarland gelockt. Von 1993 bis 2000 war Emrich außerdem Hauptgeschäftsführer des LSVS. 2005 nahm er unter mehreren Rufangeboten das der Universität des Saarlandes wahr und übernahm den Lehrstuhl für Sportökonomie und Sportsoziologie. Der LSVS stehe nicht so schlecht da wie befürchtet, glaubt Emrich.
Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages, plädierte er dafür, die Schulden des LSVS bei der Sportplanungskommission in Höhe von 7,9 Millionen Euro nicht eins zu eins in die Bilanz zu nehmen. Der faktische jährliche Bedarf für den Bau oder die Sanierung von Sportstätten liege deutlich niedriger. Emrich verweist zudem darauf, dass sich die strukturellen Werte der Sportschule deutlich gesteigert haben. „Der LSVS hat eine vom Staat völlig vernachlässigte Sportanlage saniert und ausgebaut. Alles kostenfrei für das Land, finanziert aus dem Sportachtel und Bundesmitteln, weiterhin über einen Kredit aus den Rücklagen der Saarland-Sporttoto", erklärte er in einem Interview mit der „Saarbrücker Zeitung."
„Es war in der Vergangenheit nicht alles schlecht"
Der Landessportverband habe in den vergangenen Jahrzehnten „erheblich in die Bausubstanz investiert" und damit auch Vermögenswerte geschaffen. So wurden unter anderem die Schwimmhalle und die Leichtathletik-Anlage komplett saniert, zudem eine Multifunktionshalle gebaut. Bei diesem Projekt, das vom ehemaligen Präsidenten Gerd Meyer vorangetrieben wurde, hat sich der Verband offenbar mächtig verhoben. „Sechs, bis sieben Millionen Euro Mehrkosten blieben beim LSVS hängen", und seien so mit ausschlaggebend für die aktuellen Probleme, glaubt Emrich.
Zudem gebe es noch einen anderen Punkt. „Der LSVS hat in Folge der Streichung der dritten Sportstunde, der Diskussionen um die motorische Leistungsfähigkeit von Kindern oder die Integration immer mehr Aufgaben übernommen – bis hin zur Förderung sporttouristischer Aktivitäten. Am Ende hatte er erhebliche Kosten für nicht mehr vollzogene oder gekürzte staatliche Aufgaben. Das bedingte einen Teil des Personalaufwuchses – und das trieb die Kosten hoch", sagt der Sportökonom.
So ist zu klären, vom wem diese Aufgaben übernommen werden, sollte sich der LSVS – wie von Präsident Adrian Zähler kürzlich angekündigt – wieder „auf seine Kernkompetenzen" konzentrieren.