Die Schwächeperiode des Herausforderers Borussia Dortmund hat in den vergangenen Wochen darüber hinweggetäuscht, dass sich der deutschen Serienmeister in einer Phase des Umbruchs befindet. Und dass sich der deutsche Fußball in einer tiefen Krise befindet. Keiner hat es deutlicher gemacht als Bundestrainer Joachim Löw. „Wir sind auf jeden Fall die letzten Jahre etwas überholt worden. Unsere Jahrgänge 95/96 mit Gnabry, Sané, Kimmich und Werner, das sind schon noch gute Spieler, aber darunter haben wir Probleme", sagte der Weltmeistertrainer von 2014.
Nun hat Löw den Rotstift angesetzt und mit Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller drei Spieler „rasiert", die gerade einmal um die 30 Jahre alt sind, und die zum Stamm der Weltmeister-Elf gehörten. Das mag auf den ersten Blick überraschen, ist aber nur folgerichtig. Bei den Bayern ist Niklas Süle längst Innenverteidiger Nummer eins, Hummels spielt auf Bewährung, Boateng ist mehr oder weniger schon auf dem Abstellgleis. Man hat Löw zu Recht vorgeworfen, dass er vor der WM im vergangenen Jahr den nötigen Schnitt gescheut habe. Andererseits wusste er auch, dass er diesen Spielern den ersten und einzigen großen Titel seiner Trainer-Karriere zu verdanken hat. Dass Löw nun handelt, nachdem bereits Sami Khedira (unfreiwillig) und Mesut Özil (freiwillig) nicht mehr zum Kader gehören, zeigt auch die geschwächte Position der Bayern. Dass eine Club-Ikone wie Thomas Müller einfach aussortiert wird, hätte vor einigen Jahren noch einen Proteststurm bei den Alphatieren Hoeneß und Rummenigge hervorgerufen. Dieser fiel auch deshalb vergleichsweise milde aus, weil die beiden Bayern-Bosse wissen, dass auch ihr Weg der Erneuerung alternativlos ist. Kimmich, Goretzka und Süle spielen schon in der Allianz Arena, Werner und Fiete Arp werden folgen. Sie werden die kommende Generation in der Nationalelf prägen – gemeinsam mit Kai Havertz (Leverkusen), Arne Maier (Hertha BSC) und Max Eggestein (Bremen). Der überfällige Umbruch des deutschen Fußballs setzt spät ein, aber nicht zu spät. Und seit der vergangenen Woche dürfte ebenfalls klar sein, dass Torwart Manuel Neuer nur noch ein Kapitän auf Abruf ist.