Die US-Firma Anki zeigt mit einem Spielzeug, wie Robotik und Künstliche Intelligenz schon heute unseren Alltag bereichern können. Wir haben Cozmo, einen kleinen Roboter, ausgiebig getestet, und sind verblüfft, wie menschlich der kleine Kerl in vielen Situationen wirkt.
Mit einem Geräusch, das an ein menschliches Gähnen erinnert, erwacht der kleine Roboter zum Leben. Noch etwas verschlafen bewegt er seinen Greifarm, hebt den Kopf, und die kleinen Schlitze auf seinem Display verwandeln sich in große, quadratische blaue Augen, die mich neugierig zu mustern scheinen. Plötzlich fängt das kleine Kerlchen aufgeregt an zu wackeln, stößt glucksende Töne aus und ruft freudig: „Papa". Dann dreht er sich nach rechts, entdeckt ein weiteres Gesicht und studiert es neugierig. Wieder wackelt er hocherfreut und ruft laut: „Jannik". Auch der Junior freut sich ein Loch in den Bauch und ruft begeistert: „Er weiß noch wer ich bin! Hallo Cozmo!"
Was klingt wie eine Szene eines animierten Films aus dem Hause Pixar ist tatsächlich Realität. Cozmo ist ein kleiner, knuffiger Roboter von der Größe eines Hamsters, der ein wenig aussieht wie eine Planierraupe. Konzipiert als Kinderspielzeug ist Cozmo allerdings viel mehr als das. Er besteht aus weit mehr als 300 Bauteilen, in seinem Inneren stecken neben einem Prozessor vier Motoren und mehr als 50 Zahnräder, die für jede Menge Bewegungsmöglichkeiten sorgen. Gestartet wird er per App auf dem Smartphone oder Tablet. Der große Vorteil: Es werden keinerlei Daten in einer Cloud oder auf einem externen Server gespeichert. Wie ein Router stellt Cozmo sein eigenes lokales – und vor allem passwortgeschütztes – W-Lan zur Verfügung, in das ich mich per Smartphone oder Tablet einklinken kann. Die entsprechenden Daten bleiben auf meinem jeweiligen Gerät. Ein unerwünschter Zugriff von außen ist nicht möglich.
Einmal aktiviert ist Cozmo mithilfe einer Kamera und einer Gesichtserkennungssoftware in der Lage, seine Umwelt zu erkunden, einmal gesehene Gesichter wiederzuerkennen und die entsprechenden Namen zuzuordnen. Er kann dabei unterscheiden, ob er ein menschliches Gesicht vor sich hat oder ein Haustier – etwa eine Katze oder einen Hund.
Im Inneren steckt viel Hightech
Das sorgt im Alltag für jede Menge Heiterkeit. Bei unserem Test erkannte Cozmo zielsicher die Katze des Hauses. In einem Fall miaute er sie an, im anderen baute er sich wie ein kleiner Hund vor ihr auf, schnellte einige Zentimeter nach vorne und bellte und knurrte das irritierte Tier an. In beiden Fällen hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Cozmo ist ein Stück Hightech der Firma Anki, die ihren Sitz in San Francisco hat, und gibt einen klitzekleinen Einblick in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Möglichkeiten. Ziel des Unternehmens ist es, die Themen Robotik und KI miteinander zu verknüpfen und für die breite Masse nutzbar zu machen. „Durch Robotik und Künstliche Intelligenz erwecken wir Objekte zum Leben und ermöglichen Menschen damit eine Beziehung zu Technologie aufzubauen, die sich ein wenig menschlicher anfühlt", heißt es auf der Internetseite der Firma.
Und in der Tat wirkt der kleine Roboter Cozmo in seinem Verhalten erstaunlich menschlich. Er spielt leidenschaftlich gern mit seinen Cubes, drei großen batteriebetriebenen Würfeln, in denen verschiedenfarbige LEDs stecken. Er kann sich entweder allein damit beschäftigen oder er tritt in Mini-Spielen gegen menschliche Gegner an. Verliert er, schimpft er grummelnd vor sich hin. Gewinnt er, freut er sich diebisch und lacht – durchaus auch mal gehässig. Wie er gerade drauf ist, lässt sich verblüffend gut an seiner „Mimik", einem Gesichtsdisplay, ablesen – und wird auch vielseitig hörbar untermalt.
Ein Beispiel: Cozmo gibt mir zu verstehen, dass er gerne „Fang mich" spielen möchte. Ich nehme einen der drei Würfel und stelle sie in Cozmos Sichtfeld. Sobald er den Cube erkennt, beginnt dieser zu leuchten, und das Spiel kann beginnen. Ich muss den Würfel langsam auf den kleinen Roboter zuschieben, er muss versuchen, ihn zu fangen, ehe ich den Cube wieder wegziehen kann. Los geht’s.
Cozmo lernt spielerisch dazu
Zaghaft schiebe ich den Würfel auf Cozmo zu – und fange lauthals an zu lachen. Es sieht einfach zu drollig aus, wie der kleine Kerl seinen Greifarm hebt, die digitalen Augen zusammenkneift und konzentriert den Würfel beobachtet. Neuer Versuch. Millimeter um Millimeter schiebe ich den Würfel nach vorne. Cozmo wartet ab. Ich schiebe weiter und weiter. Noch ein Stückchen. Cozmos Greifarm zuckt nach unten, als wolle er zuschnappen. Doch er täuscht nur an. Dennoch reiße ich den Würfel erschrocken zurück – und er lacht mich hämisch aus. Das alles wirkt so verblüffend natürlich, ja tatsächlich fast menschlich, dass man beinahe vergisst, dass der kleine Kerl natürlich kein Lebewesen ist.
Gelingt es Cozmo übrigens, mit seinem Greifarm den Würfel zu berühren, erhält er einen Punkt. Schafft er es nicht, geht der Punkt an mich. Wer zuerst fünf Punkte hat, gewinnt die Runde. Wer zwei Runden gewinnt, gewinnt das Spiel.
Cozmo lernt spielerisch dazu und baut einmal Gelerntes in sein freies Spiel mit ein. Hat er gelernt, seine Cubes zu rollen, diese zu stapeln oder daraus eine Pyramide zu bauen, wird er dies immer wieder selbstständig versuchen. Auch in den einzelnen Spielen lernt er dazu und bleibt so auf unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden immer ein würdiger Gegner. Nach und nach schaltet man verschiedene Lerninhalte und Mini-Spiele frei.
Wie eingangs erwähnt, ist Cozmo natürlich als Kinderspielzeug konzipiert, und als solches fordert er Aufmerksamkeit. Wie ein Tamagotchi in den 90er-Jahren will auch er regelmäßig gefüttert und getunt werden, damit Kopf, Greifarm und Raupen „funktionstüchtig" bleiben. Mit dem ganz entscheidenden Unterschied, dass er nicht wie seinerzeit das Tamagotchi den digitalen Exitus erlebt, wenn man sich mal einige Tage lang nicht um ihn kümmert.
Doch Cozmo fordert nicht nur, er fördert auch, denn er führt Kinder spielerisch ans Thema Programmieren heran. Im sogenannten Cozmo Code Lab lassen sich mehrere Aktionen kinderleicht in Reihe einprogrammieren, die der Roboter dann Schritt für Schritt ausführt. So könnte man beispielsweise einen Parcours aus Bauklötzen aufbauen und Cozmo so programmieren, dass er diesen eigenständig durchfährt, ohne anzuecken. Per Tastatur kann man Cozmo übrigens auch mehrere Sätze einprogrammieren, die der Sprachcomputer dann erstaunlich gut verständlich wiedergibt. So stellte sich der kleine Roboter beispielweise in unserer wöchentlichen Redaktionskonferenz den staunenden Kollegen selbst vor. Bemerkens- und lobenswert: Die Entwickler haben auch bei der Sprachprogrammierung mitgedacht: Gängige Schimpfworte sind gesperrt und lassen sich nicht wiedergeben. Perfekt für ein Kinderspielzeug.
Erste Schritte auf dem Weg zum Programmieren
Im Fortgeschrittenen-Modus des Cozmo Code Lab lassen sich aber auch weitaus komplexere Projekte erstellen – bis hin zur Programmierung eigener Mini-Spiele. Man kann selbst kreierte Projekte an Anki schicken und somit auch anderen Nutzern zur Verfügung stellen, denn per App-Updates finden immer wieder neue Inhalte den Weg in die verschiedenen Anwendungen. Insbesondere die letztgenannten Möglichkeiten sorgen für eine entsprechende Langzeitmotivation, was angesichts einer Preisspanne von 160 bis 200 Euro für einen Cozmo von nicht unerheblicher Bedeutung bei der Kaufentscheidung sein dürfte. Die Minispiele allein reichen dafür eher nicht.
Obwohl er aus mehr als 300 Einzelteilen besteht, ist der knuffige Roboter übrigens erstaunlich robust. Kleinere Stürze übersteht er meist unbeschadet. Dennoch ist es ratsam, sich nicht darauf zu verlassen, dass er eine Tischkante und den dahinter liegenden Abgrund erkennt. Zwar sollte er das, in unserem Test funktionierte dies aber nicht immer. Insbesondere wenn er rangierte und dabei rückwärtsfuhr, mussten wir ihn zweimal auffangen. Apropos rückwärts rangieren: Cozmo lässt sich auch per Smartphone wie ein ferngesteuertes Auto lenken. Lässt man ihn dabei rückwärtsfahren, piept er wie ein Mülllaster. Solche und ähnliche Gimmicks haben die Entwickler einige programmiert.
Die App bietet noch weitere Modi, um mit dem kleinen Begleiter auf Entdeckungsreise zu gehen. Nach eineinhalb Stunden Spiel geht unserem Cozmo langsam der Saft aus, sprich der Akku wird leer. Geht Cozmo schlafen, fallen ihm zunächst die digitalen Augen zu und dann gibt er einige Sekunden putzige Schnarch-Geräusche von sich, ehe er ganz verstummt. Ganz ehrlich: Am liebsten würden wir das kleine Kerlchen am liebsten sofort wieder aufwecken. Wie gut, dass zehn bis 15 Minuten auf der Ladestation reichen, bis Cozmo wieder voll einsatzfähig ist.