Elegante Mode ist zugunsten des bequemen Schlabber-Looks verschwunden
Dem kürzlich verstorbenen Pariser Modezar Karl Lagerfeld, der einst seine eher korpulente Körperfülle mittels Size-Zero-Diät in XXS-Maß-Anzüge hineingehungert hatte, gebührt fraglos ewiger Dank dafür, dass er lange Zeit vehement gegen das Überhandnehmen von Tracksuit-Hosen, Hoodies oder Sneaker angekämpft hat. Legendär und etwas für die Ewigkeit ist sein vielzitierter Spruch: „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren." Lagerfeld war bis zuletzt einer der wenigen noch übriggebliebenen Verbündeten im schier aussichtlosen Kampf um einen Hauch von Eleganz in der Mode.
Doch wie Lagerfelds noch berühmtere Vorgängerin Coco Chanel immer wieder zu predigen pflegte: „Mode ist vergänglich. Stil ist ewig." Wie recht Madame Chanel damit hatte, beweist seit einigen Jahren das allmähliche, aber hoffentlich nicht unwiderrufliche Verschwinden der eleganten Kleidung. Vor allem in der Streetwear, aber längst auch auf den internationalen Laufstegen berühmter Designer. Stattdessen hat sich unaufhaltsam allerorten der sportiv-lässige Bequemlook breit gemacht, dem Coco Chanel allerdings garantiert nicht das Etikett „Stil" zugestanden hätte. „Deutschland einig Schlabberland" überschrieb denn auch die „Süddeutsche Zeitung" vor einigen Monaten einen ernstgemeinten, aber satirisch-süffisant unterfütterten Fashion-Beitrag.
Dieser hat mich letztlich zur Verteidigung eines vom Aussterben bedrohten Outfits ermutigt. In meinen Fashion-Beiträgen für dieses Magazin muss ich mich auf die Rolle des neutralen Trend-Berichterstatters beschränken und meine persönliche Meinung sogar zu den schrägsten Innovationen weitgehend für mich behalten. Auch wenn ich beim besten Willen nicht verstehen kann, dass sich im vielbesungenen Zeitalter der Individualität Männlein wie Weiblein voll auf dem Gender-Trip mitfahrend gänzlich gleich anziehen und kaum noch den Versuch unternehmen, durch ihre Kleidung etwas von ihrer eigenen Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
Wie soll das auch möglich sein, wenn alle fast nur noch diese uniformen Turnschuhe an den Füßen tragen, die im Sommer zur Steigerung meiner Sehnerv-Schädigung teilweise durch Birkenstocks, Trekking-Sandalen, Flip-Flops oder Adiletten-Badelatschen-Varianten ersetzt werden. Wohlgemerkt nicht nur im heimischen Garten, sondern zum Flanieren in den Fußgängerzonen. Lederschuhträger wird man kaum mehr ausmachen können.
Dafür aber eine ganze Legion von Menschen beiderlei Geschlechts in Shorts, den neuerdings angesagten Radlerhosen, weiten Jogging-Pants und natürlich den ewigen Jeans-Evergreens. Bei den Damen die Leggins, früher eine schlimme Fashion-Sünde, nicht zu vergessen.
Obenrum braucht’s zur Komplementierung des Allerwelt-Streetwear-Looks dann nur noch T-Shirts, gern mit fettem Logo-Print oder mit glitzerndem Bling-Bling bei den Damen-Pieces, Sweater, Kapuzenpullis oder Tank Tops. Schön anzusehen muss das Outfit gar nicht unbedingt sein, da dies dem mega-angesagten Bad Taste im Gefolge von Guccis Kreativchef Alessandro Michele widersprechen würde.
Früher war Provokation ein Markenzeichen von Mode. Davon ist heute kaum mehr etwas übrig geblieben, weil sich kaum jemand mehr selbst über die skurrilsten Entwürfe von Kult-Labeln wie Balenciaga oder Off-White echauffiert. Wo ist nur der legendäre Pariser Chic in der Damenmode geblieben? Oder ein letzter Rest von vornehmem Dandytum in der Menswear? Laut der „New York Times" im „Zeitalter des Hässlichen" untergegangen.
Höchste Eisenbahn daher, dass Frau sich mal wieder ihres eleganten Kostüms, ihrer femininen Bluse oder ihres schicken Hosenanzuges entsinnt und das kleine Schwarze auch mal abseits feierlicher Anlässe aus dem Kleiderschrank holt. Und dass der gepflegte Gentleman sich mal wieder einen klassisch-hochwertigen Anzug samt feinem Hemd und solidem Lederschuhwerk zulegt. Doch das dürfte wohl nur Wunschdenken bleiben – leider.