Amtsbonus und Wechselstimmung: Noch nie gab es an einem Wahltag so viele Direktwahlen. Die kommunalpolitische Landkarte dürfte nach dem 26. Mai neue Farbtupfer bekommen.
Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, sagt eine alte Fußballweisheit. In Maßen trifft das auch auf Direktwahlen in Städten und Gemeinden zu – mit vielleicht einem Unterschied. Echte Favoritenstürze sind eher die Ausnahme. Die Erfahrung lehrt, dass Amtsinhaber, soweit sie sich keine ganz groben Schnitzer erlaubt haben, mit einem Amtsbonus ins Rennen gehen, der es den Mitbewerbern nicht gerade einfach macht. Überraschungen sind dennoch nicht ausgeschlossen. Ein überzeugender Kandidat kann auch schon mal gegen klassische Mehrheitsverhältnisse in einer Kommune gewinnen. Waren Rathäuser früher ein zwischen CDU und SPD aufgeteiltes Terrain, hat sich in den letzten Jahren ein Trend zugunsten von Einzelbewerbern abgezeichnet. Der erste parteilose Bürgermeister war Stephan Strichertz, der 2002 ins Rathaus von Kleinblittersdorf einzog. Inzwischen sitzen in zehn Rathäusern Einzelbewerber (beziehungsweise in Wadern einer der freien Liste Pro Hochwald).
Letzter Termin für Bewerber und Wahlvorschläge war der 21. März, über Zulassung müssen die Wahlausschüsse bis zum 29. März entscheiden, die Frist für mögliche Widersprüche endet am 4. April. Auch wenn erst dann endgültig feststeht, welche Namen, Parteien und Listen auf die Stimmzettel gedruckt werden, konzentriert sich schon jetzt die Aufmerksamkeit auf eine Reihe besonders spannender Direktwahlen.
Dazu gehören die drei Oberbürgermeisterwahlen in der Landeshauptstadt Saarbrücken, in Saarlands zweitgrößter Stadt Neunkirchen sowie in der Mittelstadt St. Ingbert.
Das Saarbrücker Rathaus ist seit weit über 40 Jahren (Oskar Lafontaine ab 1976) in SPD-Hand. Charlotte Britz leitet die Geschicke seit 2004 und bewirbt sich nun um eine dritte Amtszeit. Herausforderer von der CDU ist Uwe Conradt, derzeit Direktor der Landesmedienanstalt. Was Britz kaum gefallen dürfte, ist, dass die beiden Partner der rot-rot-grünen Rathauskoalition mit eigenen Bewerbern ins Rennen gehen: Barbara Meyer-Gluche (Grüne) und Markus Lein (Die Linke). Für die FDP tritt mit Gerald Kallenborn ein Kandidat an, der nicht Mitglied der Partei ist. Die AfD hat die 46-jährige Deutsch-Iranerin Laleh Hadjimohamadvali als Direktkandidatin nominiert.
Kommunlawahlkampf nimmt Fahrt auf
Spannend wird es auch in Neunkirchen. Dort tritt Jürgen Fried (SPD) aus Altersgründen nicht mehr an. Um seine Nachfolge bewerben sich Jörg Aumann (SPD), Dirk Käsbach (CDU) und Tina Schöpfer (Grüne). Aumann ist derzeit Bürgermeister der Kreisstadt, Schöpfer Co-Landesvorsitzende der Grünen Saar. Der (Überraschungs-)CDU-Kandidat Dirk Käsbach ist derzeit Kämmerer in Königswinter. Die ehemalige Hüttenstadt Neunkirchen ist seit Jahrzehnten fest in SPD-Hand.
Unübersichtlicher wird es in St. Ingbert. Die Kommunalpolitik sorgt immer wieder für verwirrende Schlagzeilen, unter anderem durch einen zerstrittenen und zersplitterten Stadtrat. Bei der letzten Direktwahl (2011) unterlag Amtsinhaber Georg Jung (CDU) Hans Wagner (ehemals CDU, dann Familien-Partei, jetzt parteilos). Für die Familien-Partei ist St. Ingbert traditionell eine Hochburg, bei der letzten Wahl kam sie auf 12,5 Prozent. Die CDU will mit Finanz-Staatssekretär Ulli Meyer das Rathaus erobern, für die SPD geht Sven Meier ins Rennen, dessen Ausgang als offen gilt.
Offen und damit spannend ist auch der Urnengang in den Kommunen, in denen Amtsinhaber, zumeist aus Altersgründen, nicht mehr antreten. Dazu zählt etwa Kleinblittersdorf: Bürgermeister Stephan Strichertz verzichtet aus gesundheitlichen Gründen auf eine erneute Kandidatur. Nach derzeitigem Stand könnte Kleinblittersdorf Rekordhalter werden, was die Zahl der Bewerber angeht. Bislang haben sich acht Kandidaten gemeldet. Sowohl die CDU mit Erika Heit als auch die SPD mit Rainer Lang kämpfen gegen eine Reihe von freien Bewerbern um den Chefsessel.
Wechsel stehen auch in einer Reihe weiterer Gemeinden an. Unter anderem wird der dienstälteste Bürgermeister nicht mehr kandidieren. Armin Emanuel (SPD) steht seit 1991 an der Rathausspitze in Schmelz. Mit 61 könnte er zwar noch mal antreten, müsste aber mit Erreichen der Altersgrenze aufhören, was Neuwahlen 2022 bedeuten würde. Dieser „hohe organisatorische und finanzielle Aufwand" sei „nicht vertretbar", teilte Emanuel bereits vergangenes Jahr mit.