Traumjob Müllwerkerin? Landauf, landab fallen Männer-Bastionen. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) tauschte jüngst für einen PR-Auftritt ihren Bürostuhl gegen einen Tritt am Müllwagen. FORUM stellt sechs Frauen „an der Tonne" vor.
Sie sind wenige, aber sie sind im Kommen: Müllwerkerin war bundesweit bislang ein absoluter Ausnahmeberuf, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es sie seit bald einem Jahrzehnt. Doch seit zwei Jahren ziehen die anderen Bundesländer nach. Grund genug, sich in Berlin unter Schirmherrschaft von Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) zum ersten Netzwerktreffen zu verabreden und mal vorzustellen, wie man – nein, frau – aus anderen Berufen kommend ausgerechnet bei der Müllabfuhr landet.
Mona Schütz (41), aus Münster in Westfalen:
Ich bin gelernte Hotelfachfrau und habe das 15 Jahre gemacht. Mit Mitte 30 habe ich mir die Frage gestellt, wie lange ich den Schichtdienst noch durchhalte. Der ständige Schichtwechsel – da lässt sich ein geregeltes Leben kaum aufbauen. Ganz abgesehen von Wochenend- und Feiertagsdiensten. Dann kam mein erstes Kind: Ich hatte keine Lust, dem Kleinen über Jahre hinweg zuzumuten, Weihnachten vor- und Ostern nachfeiern zu müssen. Die Stadt Münster hat dann neue Jobs als Müllwerker ausgeschrieben und ausdrücklich betont, dass auch Frauen gern gesehen sind. Und raus ging die Bewerbung … Ein Vierteljahr später stand ich als erste Frau in Münster hinter dem Lkw. Die Kollegen waren am Anfang skeptisch. Der Betriebsleiter hat mich aber angespornt; ich sollte den Lkw-Führerschein machen. Jetzt bin ich Fahrerin und Laderin. Mein Fazit: Im Hotel hatte ich auch jeden Tag mit Schmutz zu tun, mein jetziger Schmutz wird aber wesentlich besser bezahlt.
Melanie Töpfer (33), aus Heidelberg in Baden-Württemberg:
Ich bin über einen Umweg zum „Müllwerken" gekommen. Vorher war ich zehn Jahre Pferdewirtin. Irgendwann hat mich mein damaliger Chef angehalten, einen Lkw-Führerschein zu machen – das war es dann mit meiner „Ponderosa". Ich hatte als Kraftfahrerin Blut geleckt, wollte aber nicht ständig auf Achse sein. Durch Zufall hörte ich, dass die Stadt Kraftfahrerinnen sucht, und ich habe den Job bekommen. Dort musste ich dann noch einen zusätzlichen Lehrgang als Müllwerkerin absolvieren und seither kutschiere ich in Heidelberg den Müll durch die Gassen. Ich habe erst im Nachhinein gemerkt, dass das ein sicherer Job im öffentlichen Dienst ist. Was mich an meinem Job fasziniert, ist das Fahren mit einem so riesigen Lkw. So ein Müllwagen hat einen unglaublichen Wendekreis. Da stockt auch meinen männlichen Kollegen der Atem, wenn wir mit dem Ding durch die kleinen Straßen scheppern und ich den Müllwagen ruckzuck wende. Die kucken da nicht schlecht!
Viktoria Brummer (30), aus Kassel in Hessen:
Ich bin von Hause aus ein bisschen aus dem Rahmen gefallen. Mein großer Bruder ist Florist und hat in der Innenstadt einen stylischen Blumenladen. Ich sollte bei ihm eine Ausbildung machen. Das kam ja mal gar nicht in die Tüte. Ich habe erst mal einen Lkw-Führerschein gemacht und dann eine Ausbildung zur Mechatronikerin. In der Werkstatt zu arbeiten war mir aber zu langweilig, also habe ich beim ADAC angefangen. Ich war da immer auf den Autobahnen unterwegs und hab die kaputten Wagen von der Autobahn geschleppt. Ein großes Hallo gab es, wenn ich mit meinen 1,56 Meter Körpergröße mit dem zehn Tonnen schweren Abschlepper aufgetaucht bin, um die richtig großen Brummis an den Haken zu nehmen. Aber: Da gab es fast immer Spät- oder Nachtdienst. Als die Stadt Müllwerker mit Lkw-Führerschein suchte – na ja, eine Frau hatten die nicht auf dem Plan – da konnte ich mit meiner Erfahrung punkten.
Meine neuen Kollegen hatten sofort reichlich Respekt vor mir: Wenn eine Tonne oder ein Container einfach zu schwer ist, muss ich nicht lange fragen, die helfen von ganz allein. Toller Job, gutes Geld, und ich kann Lkw fahren.
Jessi (31), aus Berlin:
Ich hatte mich schon vor ein paar Jahren beworben. Aber: Da gab es die Stelle hier in Berlin noch nicht, und ich musste weiter als Arzthelferin jeden Tag acht bis zehn Stunden in einem geschlossenen Raum arbeiten. Dann kam im letzten November die Chance bei der Berliner Müllabfuhr. Ich war allerdings entsetzt, als sie beim Vorstellungsgespräch zu mir sagten, sie könnten nur 15 Müllwerkerinnen einstellen und auf diese Stellen hätten sich viel mehr Frauen beworben. Aber ich konnte beim Einstellungstest überzeugen. Als ich den großen 1.100-Liter-Container (150 Kilogramm schwer) in unter einer Minute und ohne anzuecken die 100 Meter über den Hof geschoben hatte, wussten die: Ohne mich keine Müllabfuhr mehr in Berlin! Der Job ist cool, mit Männern arbeite ich einfach besser. Die sagen direkt, was los ist. Das Einzige, was echt nervt: Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland, in der die Müllabfuhr die Tonnen und Container vom Hof und aus dem Keller holt. Die normale 240-Liter-Tonne wiegt generell mehr als 50 Kilo, meist das Doppelte. Aber: Ich bin jeden Tag an der frischen Luft und kann mich körperlich abarbeiten. Das wollte ich schon immer.
Jenny Fischer (33), aus Köln in Nordrhein-Westfalen:
Ich bin gelernte Zahnarzthelferin. Aber so richtig glücklich war ich damit nicht. Ich wollte mich bei der Arbeit bewegen und auch nicht den ganzen Tag drinnen sein. Seit zwei Jahren bin ich jetzt Müllwerkerin – und das war wirklich die beste Entscheidung meines Lebens. Mein Freundeskreis und vor allem meine Familie haben mich für verrückt erklärt und gingen davon aus, dass ich das nicht schaffe. Und da habe ich mich dann mal richtig ins Zeug gelegt. Allerdings: Die Innenstadt von Köln ist hoffnungslos zugeparkt. Jonglieren Sie mal eine Tonne mit 90 Kilo zwischen den geparkten Autos zum Müllauto: Das sollte eine olympische Disziplin werden!
Nicole Zesin (35), aus Bremen:
Ich bin seit neun Jahren Müllwerkerin und damit ein alter Hase. Zumindest bei uns war ich die erste Frau auf dem Müllwagen. Ich komme ursprünglich aus der Sicherheitsbranche und habe auf dem Flughafen gearbeitet. Ganz abgesehen von der Bezahlung: Security auf dem Flughafen macht man nicht lange. Du wirst nur angemault, jeder macht dich für seinen verspäteten Flug verantwortlich und meckert. Dann suchte die Müllabfuhr in Bremen Leute, und ich habe mich beworben. Frauen waren zwar nicht vorgesehen, aber da wurde kein langer Schnack gemacht. Wir haben es einfach ausprobiert.