Schadstoffsauger könnten die Zukunft sein und kommen derzeit schon an einigen besonders mit Feinstaub und Stickstoffdioxid belasteten Orten testweise zum Einsatz. So auch am Stuttgarter Neckartor oder in Kiel und Shanghai.
Das Thema „belastete Luft" reizt viele. Die einen, weil sie Probleme beim Atmen und generell mit ihrer Gesundheit haben. Die anderen, weil sie Fahrverbote fürchten. Während sich die Debatten über Lösungsansätze in die Länge ziehen, lassen sich Erfinder auch mal auf die Schnelle etwas einfallen. Beispielsweise, indem sie einfach sauber machen. In diesem Fall die Luft, mit einem simplen Ansatz, den jeder aus seinem heimischen Alltag kennt: Hust, hust, der Staub muss weg, Sauger her, erledigt. So wie in Comics der clevere Erfinder Daniel Düsentrieb, der nicht lang diskutiert, sondern ganz pragmatisch raffinierte Maschinen baut, wenn akute Hilfe gefragt ist.
Mit Geweben zur Verbesserung der Luftqualität in Gebäuden befasste sich Robert Krüger seit 2008 unter dem Dach der Trittec AG im schleswig-holsteinischen Trittau. Vor zwei Jahren trieb es den 52-Jährigen im Frühling mit seinen Sauberputz-Aktionen hinaus in die frische Luft, die mancherorts so frisch nicht mehr war. Vielmehr war sie durch diverse Feinstaub- und Gasteilchen problematisch belastet.
Abwarten, bis aus Schloten und Auspuffrohren nur noch leckere Luft strömt, bis der Verkehr keinen Abrieb mehr erzeugt, entsprach nicht Krügers Wesensart. Riesengroße, aufwendige und entsprechend teure Luftputzmaschinen für draußen, wie sie in Asien schon vereinzelt zu finden waren, sah der Pragmatiker nicht als attraktive Lösungen für enge Korridore in deutschen Städten an. In schwierigen Straßenschluchten werden stellenweise Feinstäube und Stickstoffdioxide unausweichlich gefangen, weil es an freien Grünflächen zunehmend mangelt, während Bebauung und Verkehrsströme immer dichter werden.
Der Erfinder suchte sich Mitstreiter aus IT, Design und Marketing und machte sich als Geschäftsführer der Entwicklungsfirma Purevento, einem eigenfinanzierten Projekt von Trittec, an die Arbeit. Bereits Ende 2018 trat der Tüftler an die Stadt Kiel als eine von mehreren Städten heran, die nach ergänzenden Mitteln suchen, um Fahrverboten an besonders brenzligen Stellen mit zeitweise hohen Schadstoffkonzentrationen zuvorzukommen.
Das Besondere und Alleinstellungsmerkmal an der Purevento-Idee: Wie ein Laubsauger ist der Luftsauger in seiner „E"-Variante mobil unterwegs, äußerlich ähnlich einem Wohnmobil-Anhänger auf Rädern. Solarmodule versorgen ihn mit Sonnenenergie, gegebenenfalls in der Rush Hour ergänzt durch die Leistungszufuhr aus einer integrierten Brennstoffzelle. Der Stadtluftreiniger – derzeit noch ein Prototyp – kann deshalb jederzeit an jedem Ort an den Straßenrand in eine Parkbucht gestellt und zum Dreckschlucken angeworfen werden. Intuitiv, schlicht, funktionell. Wie jeder Kleintransporter oder jeder Anhänger, ohne aufwendige Genehmigungsverfahren, ohne hohe Kosten. Einfach dann, wenn dicke Luft ansteht.
Bereits bewährte Techniken sinnvoll verknüpft
„Wir verstehen unsere Technologie als einen Lösungsbaustein, bis in den Städten die Elektromobilität stark zunimmt, der ÖPNV ausgebaut wird und die Schadstoffbelastung zurückgeht", erklärt Krüger. Das Rad will er nicht neu erfinden, sondern bekannte Funktionen in eine geeignete Form bringen: „Wir haben bereits bewährte, konventionelle Techniken intelligent miteinander verknüpft. Das Ergebnis ist ein Stadtluftreiniger, der kompakt, energieeffizient und mit wenig bürokratischem Aufwand direkt beim Verursacher, dem Straßenverkehr, platziert werden kann."
Die mehrwöchigen Testläufe mit dem Prototypen sollten zeigen, ob der Stadtluftsauger tatsächlich so patent aussieht und arbeitet, wie seine Macher es erwarten und die Bürger(meister) sich erhoffen. Beispielsweise soll das Gerät nur dann anspringen, wenn seine Sensoren eine Schadstoffkonzentration in der vorgegebenen Höhe messen und die intelligente Steuerung dann den Start aktiviert. Idealerweise soll das Saugen dabei nicht lauter sein als der restliche Straßenlärm, etwa am stark befahrenen Theodor-Heuss-Ring in Kiel, für dessen 200 Meter langen, besonders belasteten Korridor nach Angaben von Purevento rechnerisch etwa sechs Sauger benötigt würden, um von vorne bis hinten richtig durchzusaugen. Dabei tönen Stadtluftsauger weniger unangenehm laut als manche vielfach verwendeten, lästig röhrenden Laubsauger.
In der Regel sollen die Stadtluftsauger im energieeffizienten, mittleren Drehzahlbereich arbeiten – mit dem Geräuschpegel eines Straßencafés. Im Basisbetrieb, bei 50 Prozent Leistung und 20.000 Kubikmetern pro Stunde, wird etwa ein Kilowatt pro Stunde verbraucht. In Vollauslastung, bei etwa 40.000 Kubikmetern pro Stunde Reinigungsleistung, bis zu viereinhalb Kilowatt pro Stunde.
Dem Vernehmen nach zweifelten manche Anwohner nach Teststart, ob das Prototyp-Gerät schon läuft: Sie hörten es nicht bewusst, auch wenn sie ihre Fenster endlich mal wieder länger offen hatten, um frische Luft reinzulassen. Letzteres ist in unmittelbarer Nachbarschaft von Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen an einer vierspurigen Fahrbahn kein Vergnügen. Die gesetzliche Grenze liegt aktuell bei einem Jahresdurchschnitt von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Außenluft.
Pro Stunde schafft es ein Stadtluftreiniger nach Angaben des Herstellers, bis zu 40.000 Kubikmeter Luft zu säubern – quasi das Volumen von 1.200 Schiffscontainern. Dabei wirkt die Reinigung in zwei Stufen: Ein geschlossenes Ansaugsystem saugt mithilfe eines Spezialmotors die belastete Luft unmittelbar vor dem Gerät ein und gleich durch die erste Ebene, wo etwa 80 bis 90 Prozent der Feinstaubpartikel weggenommen werden sollen. Die so vorgereinigte Luft wird durch eine zweite Filterebene, in der sie von bis zu 85 Prozent der gasförmigen Schadstoffe – etwa Stickoxide – befreit wird, nach außen gedrückt. Auf der Fußgängerseite landet die frisch gereinigte Luft und „verdünnt" auch im weiteren Umfeld die belastete Luft.
Ein- bis zweimal im Jahr ist der Filter zu wechseln. „Die Aufgabenstellung für den Stadtluftreiniger lautet, ein Glied der Verbesserungskette zu sein, konkret in Kiel also für eine Reduktion der Stickoxide um mindestens zehn Prozent zu sorgen", sagt Krüger. Die tatsächliche Wirkung während des Purevento-Tests in Kiel wollte das Bundesumweltamt mit einem mobilen Messgerät festhalten und später veröffentlichen.
Am Stuttgarter Neckartor, wo seit 2017 mit Grenzwert-Überschreitungen gekämpft wird, soll indes ein Anfang Februar vorgestelltes, neu entwickeltes Kombifiltersystem aus dem Hause Mann+Hummel Schadstoffe aus dem Verkehr mit zwei Lagen unschädlich machen: mit einer Filterlage für Partikel plus zusätzlicher, hochporöser Aktivkohlelagen, die auf großen Oberflächen besonders viel Stickstoffdioxid aufnehmen.
Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützen das Pilotprojekt, bei dem seit Ende 2018 mit der einlagigen Vorgängervariante nach ersten Auswertungen mit zunächst 17 Säulen die Konzentration an Feinstaubpartikeln vor Ort um zehn bis 30 Prozent gesenkt worden ist. Das entspricht dem Ludwigsburger Unternehmen zufolge 40 Prozent aller Feinstaubpartikel, die von vorbeifahrenden Fahrzeugen verursacht werden.
Auch andere Firmen testen bereits eigene Systeme
Bis zum Sommer sollen alle Säulen an Stuttgarts sensibelster Straßenverkehrsstelle mit der Kombi-Technologie ausgestattet werden und das Stickstoffdioxid in vergleichbaren Dimensionen wie den Feinstaub herunterfahren. Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter für nachhaltige Mobilität im Verkehrsministerium Baden-Württemberg: „Wir freuen uns, dass inzwischen eine Stickstoffdioxidfilterung am Neckartor möglich erscheint. Die Messwerte sind am Neckartor 2018 nicht nur beim Feinstaub, sondern auch bei Stickstoffdioxid stark gesunken. Wir sind optimistisch, mit einem weiteren Bündel an Maßnahmen die Messwerte in die Nähe des Grenzwertes zu senken. Dabei setzen wir maßgeblich auf den Beitrag der Stickstoffdioxidfilterung."
Ventilatoren in den sogenannten Cubes ziehen die Umgebungsluft an. Mehr als 80 Prozent der Schadstoffe aus der angesaugten Luft sollen gebunden werden, dabei durch einen geringen Druckverlust mit wenig Energie auskommen. Wenn beispielsweise drei Filter-Cubes auf einer Säule aufeinandergestapelt werden, lassen sich, dem württembergischen Filtrationsspezialisten zufolge, 14.500 Kubikmeter Luft in der Stunde reinigen. Auch hier lässt sich die Steuerungselektronik bedarfsgerecht einstellen, nachdem die Luft- und Wetterdaten, von Sensoren erfasst, passenderweise in der Cloud zusammengeführt und analysiert werden.
Auch in Shanghai, Delhi und im indischen Bangalore haben Mann+Hummel Filter-Cubes an belasteten Orten installiert. Kommunen weltweit sind gespannt, was die Probeläufe und Serienstarts mit Open-Air-Filtersaugsystemen verschiedener Hersteller ausrichten.
Kohlendioxid ist mit den smarten Säulen und mobilen Stadtluftsaugern aus Schleswig-Holstein und dem Schwabenland derzeit übrigens noch nicht zu beseitigen.
Dafür werden aber andernorts bereits Sauger-Technologien entwickelt. Die könnten mit aufgesetzter Technologie sogar noch weitergehen: mit wiederverwertbarem Kohlendioxid zum Gemüseanbau oder auch als Kraftstoff.