Ob Smartphone, Drucker oder Kaffeemaschine – früher oder später sind sie alle defekt. Veraltet. Reif für die Tonne. Zunehmend früher als später: Jeder Europäer produziert im Jahr über 20 Kilo Elektroschrott. Kann das sein? Oder helfen Hersteller gezielt nach, damit Kunden schneller kaufen?
Gefühlt ist das Smartphone noch neu, ein gutes Jahr alt, aber der Akku schwächelt bereits. Selbst frisch aufgeladen hält er nur noch ein paar Stunden. Eine neue Batterie muss also her. Doch schon beim Versuch, das Smartphone zu öffnen, ist Schluss. Die Rückseite ist rundum verklebt. An den darunterliegenden Akku ist nur schwer heranzukommen. Die Reparatur wäre nicht nur aufwendig, sondern preislich schon verdächtig nah am ursprünglichen Kaufpreis. Also doch ein neues kaufen? Landet das (fast) intakte Smartphone jetzt in der Schublade? Da wäre es zumindest in bester Gesellschaft: Hierzulande horten wir 124 Millionen ungenutzte Handys, so die Deutsche Umwelthilfe. Ungenutzt, weil veraltet, zu langsam, nicht reparierbar.
Natürlich verschleißen Handys, Toaster oder auch Waschmaschinen im Laufe der Zeit – sie werden alt, so wie alle Produkte, die wir kaufen. Der Fachbegriff für diese Alterung ist Obsoleszenz, vom lateinischen Wort obsolescere – abnutzen, veralten, außer Gebrauch kommen. Was immer wieder für Schlagzeilen sorgt, ist eine bestimmte Spielart dieser Obsoleszenz: die geplante Alterung. Hersteller, so die Vermutung dahinter, verkürzen die Lebensdauer von Geräten absichtlich. Etwa, indem sie das Reparieren erschweren oder unmöglich machen. Damit kurbeln sie den Verkauf neuer Ware an, denn Kunden kaufen dann viel schneller als eigentlich nötig das nächste neue Gerät.
Jedenfalls habe die Industrie keinen Grund, ihre Produkte auf lange Lebensdauer auszulegen, so der Verbraucherforscher Tobias Brönneke in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. In Zeiten, da jeder schon alles hat, sei es naheliegender, „die Lebenszeit (…) herabzusetzen", formuliert es der Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Pforzheim. Ob das dann wirklich geplant sei, hält er für zweitrangig: Er spricht von „fahrlässiger Obsoleszenz". Auch das Umweltbundesamt spricht nicht von geplanter Obsoleszenz, hat in einer Studie 2016 aber erfasst, dass immer mehr Geräte bereits innerhalb der ersten fünf Jahre ausgetauscht werden. Nicht immer sei ein Defekt der Grund dafür, auch der Wunsch nach einem neueren Modell sei Motiv für das Ausrangieren der Vorgänger. Sicher ist: Kurzlebige Produkte belasten unsere Umwelt deutlich stärker als Geräte mit langer Nutzungsdauer. Für die Produktion werden natürliche Ressourcen vernichtet, die – anders als unsere Berge aus Elektroschrott – endlich sind. Und: Der hier produzierte Elektromüll wird, oft illegal, exportiert, etwa nach Ghana. Die Filmemacherin Cosima Dannoritzer hat die katastrophalen Zustände dort in ihrem Film „Kaufen für die Müllhalde" dokumentiert.
Kurze Lebenszeit – geplant oder fahrlässig?
Für Betriebswirt Stefan Schridde ist geplante Obsoleszenz eine klare Sache: „Es ist sehr gut möglich, nachzuweisen, dass ein Unternehmen absichtlich die Lebensdauer verkürzt, um den Umsatz zu beschleunigen. Zum Beispiel, wenn Bauteile falsch ausgelegt sind und sich schneller abnutzen, ein wenig belastbares Material gewählt ist oder der Zugang zu Ersatzteilen erschwert oder Reparaturen verteuert werden. Oder auch dann, wenn vermeintliche Innovationen oder verführerische Werbung einen Neukauf beschleunigen sollen. Dreifache Haltbarkeit zu sonst gleichen Kosten wäre möglich." Schridde hat 2012 die Kampagne „Murks? Nein danke!" gegründet. Mit dem gleichnamigen Verein treibt er sein Thema voran – quer durch Unternehmerverbände, Hochschulen, Ministerien.
Den „kaufenden Bürger" will Schridde vor allem sensibilisieren und emanzipieren: Seit 2012 gibt es das Murksbarometer. Darin veröffentlichen Kunden ihre Erfahrungen mit Produktverschleiß, man nenne „Ross und Reiter" – so entstehe viel Öffentlichkeit, erklärt der Aktivist. Derzeit ist eine Neufassung des Barometers in Arbeit. Aktuell geht es Schridde vor allem darum, den Handel mit an Bord zu holen, der verdiene am gewollten Verschleiß bislang kräftig mit: „Der Handel muss das Regal aufräumen, nicht der Bürger."
In einigen Nachbarländern hat das Aufräumen schon begonnen: In Italien sind 2018 die Handy-Hersteller Apple und Samsung zu Millionenstrafen verurteilt worden. Beide Firmen, entschied die Kartellbehörde in Rom, haben die Leistungsfähigkeit älterer Geräte gezielt gedrosselt. Durch Updates der Betriebssysteme wurden ältere Geräte langsamer; Kunden wurden durch diesen geplanten Verschleiß gedrängt, sich neue Modelle zu kaufen. Und in Frankreich steht die „geplante Obsoleszenz" seit 2015 unter Strafe. Das heißt: Es ist verboten, Geräte absichtlich so zu bauen, dass sie schneller verschleißen.
Kennzeichnung gefordert für die Gebrauchsdauer
Deutschland hinkt hinterher: Obwohl die Belege auch hierzulande zahllos und stichhaltig seien, werde immer noch diskutiert, ob die Industrie den vorzeitigen Verschleiß und beschleunigten Verkauf ihrer Produkte tatsächlich plane, so Schridde. Er hält eine aussagekräftige Kennzeichnung für angebracht: Der Kunde soll beim Kauf sehen, wie lang die geplante Gebrauchsdauer ist, ob ein Gerät reparierbar ist und wie lange Ersatzteile erhältlich sind. „Und wenn ein Stabmixer nicht zu reparieren ist, dann sollte er eben Einweg-Stabmixer heißen." Und solange diese klare Kennzeichnung noch nicht umgesetzt ist? „Gebraucht kaufen!" rät Schridde. Oder sich doch an die Reparatur wagen, zum Beispiel in Reparatur-Cafés: Dort treffen sich Gleichgesinnte, um Elektrogeräten ein zweites Leben einzuhauchen. Vielleicht klappt’s ja auch beim Smartphone?