Angela Mickley ist eine Expertin für den Frieden. Die Professorin initiiert und leitet bis heute in zahlreichen Krisengebieten Programme für die Konfliktbearbeitung.
Eigentlich bin ich eher ein Angsthase", bekennt Friedensforscherin und Friedenspädagogin Angela Mickley und lächelt. „Doch in Konflikt- oder Gefahrensituationen fahre ich meine gesammelte Kompetenz auf". Dass sie genau das kann, hat die 67-jährige Professorin in ihrem Leben schon oft bewiesen. Ihre Bühne ist meist die Weltpolitik, wo sie sich unter anderem Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts für eine Aussöhnung im Nordirland-Konflikt eingesetzt hat. Weitere Stationen waren Namibia, Moldau oder Georgien. Seit 1991 kümmert sie sich auch um Mediationen an Schulen. „Egal, wo ich auftauche, mein Ziel ist immer eine nachhaltige Verhaltensänderung", sagt Angela Mickley.
Begegnung mit Angela Mickley in einem Café im schicken Berliner Bezirk Zehlendorf. Draußen nieselt es, das Thermometer vor dem Café zeigt kühle fünf Grad. „Ich bin trotzdem mit dem Fahrrad gekommen, da ist man einfach schneller", erzählt Angela Mickley mit einem Lächeln. Sie muss es wissen: Angela Mickley wurde in Zehlendorf geboren und obwohl sie ihre Reisen über die ganze Welt geführt haben, ist sie immer wieder hierhin zurückgekehrt. „Mich verbindet extrem viel mit dem Bezirk", erzählt die 67-Jährige und bestellt sich einen Cappuccino. „Bitte mit extra viel Milch und Kakaopulver, so habe ich ihn immer schon getrunken und mag ihn einfach am liebsten." Dann setzt sich die Friedensforscherin auf eine Bank und erzählt: „Hier in Zehlendorf wurde ich auch politisch geprägt." Viel habe sie in Sachen Frieden und Friedensforschung durch ihren Vater gelernt. „Besonders extrem wurde es aber dann auf dem Gymnasium. Ich bin mit den Söhnen von Willy Brandt auf die Schule gegangen und zusammen haben wir uns extrem für Friedenspolitik eingesetzt." Das habe die Grundlage für ihre weitere Arbeit als Konfliktbearbeiterin in Europa und Afrika gelegt.
Begonnen hat alles 1971. „Da habe ich Geschichte und Politologie studiert. Nach dem Studium bin ich nach Nordirland gegangen." In Belfast hat sie für ihre Doktorarbeit geforscht. „Dort ist mir sehr schnell aufgefallen, dass sich die Kinder in unserer Straße für uns interessiert haben. Wir hatten uns der Friedenbewegung angeschlossen. Die Kinder hatten in Zeiten von ständigen Bombenanschlägen überhaupt keine Vorstellung von Frieden." Angela Mickley und ihr Mann wohnten in einer katholischen Gegend. „Da muss man sich vorstellen, die Kinder hätten die Straße nicht überqueren können, weil sie da in eine gemischte Gegend gekommen wären. Im günstigsten Fall wären sie nur zusammengeschlagen worden." Angela Mickleys unkonventionelle Idee: Sie brachte den Kindern – zum Teil in interreligiösen Gruppen – schwimmen bei. „Da haben wir den Kindern zum ersten Mal etwas gezeigt, was die bislang nicht kannten. Gemeinsamkeiten über Religionsgrenzen hinweg zu erleben, war ja sonst dort nicht möglich." Ein kleiner Schritt mit großer Wirkung. „Erst im letzten Jahr hat mich eine Mail aus Belfast erreicht. Da hat sich ein heute 50-jähriger Mann für diese Erfahrung von damals bedankt. Das ist schon sehr ergreifend." Auch sonst habe es eine Menge Projekte für die verfeindeten nordirischen Parteien gegeben, die Angela Mickley leitete.
„Nur so kann man die Menschen zu Verhaltensänderungen bewegen", erklärt die Friedenspädagogin. „Es ist halt extrem wichtig, mit den verschiedenen Konfliktgruppen zu sprechen und sie ernstzunehmen. Das gilt auch für Paramilitärs wie in Nordirland. Überhaupt haben meine Forschungsergebnisse zum Thema Gewaltfreiheit viel zum Thema Frieden in Nordirland beigetragen. Das macht mich schon stolz: Die Ergebnisse konnten im Prinzip aus dem Archiv direkt in die Praxis übertragen werden."
„Konfliktgruppen muss man ernst nehmen"
Heute ist Angela Mickley nur noch sehr selten in Nordirland. „Da hat sich ja viel getan, vor allem auch durch die Öffnung im Rahmen der EU." Durch den Brexit von Großbritannien sieht sie durchaus Gefahren: „Die ganzen Waffen von früher sind ja immer noch da. Die Lage könnte wieder eskalieren." Zwar schweigen die Waffen seit 1998, aber Ende Januar kam es in der nordirischen Stadt Londonderry zur Explosion einer Autobombe. Ob hinter dem Anschlag die irische Terrororganisation IRA steckt, ist bis heute unklar.
Zurück zu Angela Mickley: Die Historikerin, Politologin und Mediatorin initiiert und leitet bis heute in zahlreichen Krisengebieten Programme für die Konfliktbearbeitung. Einsatzorte waren unter anderem Moldau, Georgien und Armenien. In den Jahren 2003 bis 2009 engagierte sie sich auch in Namibia. „Hier vermitteln wir den Vertretern des Staats- und Zivilsektors Kernkompentenzen in Konfliktanalyse, Verhandlungs- und Entscheidungskompetenzen sowie Mediation. Sie bilden ein landesweites Expertennetzwerk." Ziel sei es, Konflikte künftig ohne Hilfe von außen lösen zu können. „Warum ausgerechnet Namibia? Die Antwort ist einfach: Das Land hat eine belastete Beziehung zu Deutschland. 1904 verübten Truppen des deutschen Kaiserreiches hier zahlreiche Völkermorde. Doch Angela Mickley ist nicht nur im Ausland aktiv. An der Fachhochschule Potsdam hatte sie bis zum letzten Jahr eine Professur im Studienbereich Sozialpädagogik. Seit 2008 unterrichtet sie zudem Krisenintervention an der Führungsakademie der Bundeswehr. „Da ist es ungemein wichtig, den Führungskräften beizubringen, dass Menschen nicht dauerhaft auf Befehle hören wollen. Das führt ja zu nichts." Außerdem arbeitet Angela Mickley als Mediatorin an Schulen. „Meine Arbeit dort ist durchaus vergleichbar mit der bei Konflikten auf internationaler Ebene. Wir werden ja oft erst gerufen, wenn Konflikte schon lange eskaliert sind. Da hätte man, egal, ob bei politischer Krise oder Krise im Klassenraum, schon viel früher ansetzen können." Insgesamt könne man Konflikten – egal auf welcher Ebene – durchaus entgegenwirken. „Wir sollten Konflikte schon in der Entstehungsphase ernstnehmen", so Angela Mickley. „Mein Ziel ist immer ein Perspektivenwechsel der Beteiligten zur Friedenslogik, das heißt langfristige Berücksichtigung und Integration der unterschiedlichen und gemeinsamen Ziele."
Bei Mickleys zu Hause scheinen diese Grundsätze zu greifen. „Ich lebe glücklich und zufrieden mit meinem Mann und meinen drei Kindern." Drei Enkelkinder habe sie auch. „Beim Thema Kommunikation setzen wir unsere Grundsätze um. Eine meiner Töchter ist mittlerweile selbst Mediatorin."