Im Januar wechselte Jakub Blaszczykowski zurück zu seinem Herzensclub Wisla Krakau. Dort gilt er als Heilsbringer, nachdem Hooligans und Hochstapler den Verein fast ruiniert hätten.
Als Jakub „Kuba" Blaszczykowski im Sommer 2007 von Wisla Krakau zu Borussia Dortmund wechselte, ging er nicht ohne ein Versprechen. Das Versprechen, irgendwann zu Wisla zurückzukehren und seine Laufbahn in der zweitgrößten Stadt Polens zu beenden.
Eine Selbstverständlichkeit für den mittlerweile 33-Jährigen, der seine Beweggründe dafür vor einiger Zeit im BVB-Fanmagazin „Schwatzgelb" darlegte: „Ich habe eine große Chance von Wisla bekommen und ich vergesse nie, wer mir eine Chance gegeben hat. Nur durch Wisla Krakau bin ich auf das professionelle Level gekommen. Das war ein wichtiger Schritt, und dafür möchte ich zum Ende meiner Karriere Danke sagen." Seit Januar ist Blaszczykowski zurück in Krakau.
Doch statt gemütlich dem Ruhestand entgegenzukicken, hat „Kuba" alle Hände voll zu tun, den 13-maligen Meister vor dem Untergang zu retten. Denn Missmanagement, Hooligans und Hochstapler hätten Wisla Krakau fast in den Ruin geführt und den alten Glanz verblassen lassen.
Für diesen Glanz sorgte lange Jahre Boguslaw Cupial. Der Unternehmer kam mit der Herstellung von Kabeln zu Reichtum und stieg 1997 bei Wisla ein. Seinerzeit war der Club eine graue Maus und kämpfte regelmäßig gegen den Abstieg aus der Ekstraklasa, der höchsten polnischen Liga. Doch mit Cupial kamen Geld, Struktur und Erfolg.
Ein Danke zum Karriere-Ende
Wisla wurde zum erfolgreichsten polnischen Verein des neuen Jahrtausends, sammelte zwischen 1998 und 2011 gleich acht Meisterschaften und machte auch in Deutschland durch einen 4:1-Erfolg im damaligen Uefa-Cup gegen Schalke 04 von sich reden. Nur mit der Champions League standen die „Weißen Sterne" auf Kriegsfuß, Jahr um Jahr verpasste Wisla den sehnlichst gewünschten Einzug in die Gruppenphase. 2016 trennte sich Cupial von Wisla. Er war zermürbt von eigenen finanziellen Problemen, der sportlichen Stagnation und den ständigen Scharmützeln mit den Hooligans, die das Umfeld des Vereins kontrollieren. Dumm nur, dass Cupial bei der Suche nach einem Käufer auf einen Hochstapler hereinfiel. So griff letztlich der Towarzystwo Sportowe (Sportverein) Wisla für einen symbolischen Preis von einem Zloty (rund 23 Cent) zu. Damit schloss sich gewissermaßen ein Kreis, denn aus dem Gesamtverein TS Wisla wurde die Fußballabteilung in den Neunzigern als eigenständige Aktiengesellschaft ausgegliedert. Das klingt zwar nach etwas Romantik in Zeiten des ungebremsten Fußballkapitalismus, bedeutete in diesem Falle aber, dass eine Clique höchst zweifelhafter Gesellen nunmehr für Wislas Schicksal verantwortlich war. Denn die Hooligangruppe „Sharks" hatte den Gesamtverein schon zuvor unterwandert und durch den Erwerb von Wislas Kickern nun auch den langersehnten Zugriff auf die Fußballabteilung erlangt. Oder wie es der polnische Fernsehjournalist Szymon Jadczak in seiner vielbeachteten Dokumentation über die engen Verflechtungen von Funktionären und Schlägern bei Wisla ausdrückte: „Fast jeder Club in Polen hat ein Problem mit Hooligans. Aber bei Wisla waren Hooligans der Club."
Zu den führenden Köpfen der „Sharks" zählte auch Pawel Michalski. Der musste einst für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis, weil er den damaligen italienischen Nationalspieler Dino Baggio 1998 bei einem Europapokalspiel mit einem Messer bewarf. Nach dem Absitzen seiner Haftstrafe eröffnete Michalski, genannt „Misiek" („Bärchen"), ein Fitnessstudio. Und zwar in Räumlichkeiten des TS Wisla, die Michalski zum Freundschaftspreis mieten konnte. Zudem gründeten die „Sharks" unter dem Dach des TS Wisla eine Kampfsportabteilung. Deren schnelles Wachstum sicherte den Hooligans ein gewisses Stimmgewicht bei Mitgliederversammlungen. Die Macht der „Sharks" mündete darin, dass sie ihre Vertrauenspersonen in der Führungsetage des Vereins platzierten. Als Vorstandsvorsitzende drückten die Hooligans Michalskis Anwältin Marzena Sarapata durch, als Vize fungierte Damian Dukat, zuvor als Manager in Michalskis Fitnessstudio beschäftigt. Durch diese engen Drähte war es kein Wunder, dass allerlei Dienstleistungen rund um Wisla zu überhöhten Preisen an Freunde und Bekannte vergeben wurden.
Schlimme Zeiten: „Bei Wisla waren Hooligans der Club"
Der Spuk schien ein Ende zu haben, als der Justiz das Treiben der „Sharks" zu bunt wurde. Michalski wurde der Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie des Drogenhandels bezichtigt und schließlich auf der Flucht in Italien festgenommen. Zudem fanden nach Razzien auch viele andere Hooligans den Weg in den Knast. Die TV-Doku von Szymon Jadczak tat ihr Übriges. Nach der Ausstrahlung und den damit verbundenen Enthüllungen zogen sich diverse Funktionäre – unter anderen Sarapata – zurück und überließen Wisla sich selbst. Allerdings nicht ohne die Einnahmen aus dem letzten Spiel vor der Winterpause zu klauen. Da kam einiges zusammen, denn mehr als 22.000 Fans wollten dieses Spiel gegen Lech Posen sehen. Sie fürchteten, dass die Partie angesichts des drohenden Lizenzentzuges Wislas vorerst letzter Auftritt in der Ekstraklasa sein würde.
Leidtragende waren auch die Angestellten des Clubs. Weil zwischen Juli 2018 und Januar 2019 keine Gehälter geflossen sind, konnte sich Mittelfeldspieler Dawid Kort während einer Länderspielpause nicht einmal die Fahrt in seine Heimatstadt Stettin leisten. Auch Sportdirektor Manuel Junco erzählt im englischen Fußballmagazin „When Saturday Comes" von absurden Situationen: „Manchmal konnten wir nicht einmal Spieler sichten, weil wir kein Benzingeld mehr hatten, und in unserem Trainingszentrum stand nur noch ein einziger Heimtrainer."
Windiger Investor aus Kambodscha
Doch die größte Hilfe leistet Kuba gar nicht auf dem Platz. Viel wichtiger ist seine Bereitschaft, dem Club zusammen mit zwei Partnern mehr als 900.000 Euro zu leihen, um ausstehende Gehälter bezahlen zu können und die Lizenz wiederzuerlangen. Mit diesem Darlehen und den Erlösen aus Spielertransfers sind die größten Sorgen zwar vorerst gelöst. Doch um in eine sorgenfreie Zukunft blicken zu können, braucht es einen seriösen und zahlungskräftigen Investor. Mit Blaszczykowski als Zugpferd klingt das allerdings als machbar.