Immer mehr Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Praxen werden von Investment-Unternehmen aufgekauft. Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Herbert Rebscher über das Für und Wider privater Investoren im Gesundheitswesen.
Herr Professor Rebscher, woran arbeiten Sie aktuell?
Ich fertige Gutachten an, arbeite mit Autoren zusammen, gebe Bücher heraus. Alles zum Thema Gesundheitsökonomie. Zurzeit bereite ich gerade ein Buch über Medizinprodukte vor.
Krankenhäuser kämpfen mit roten Zahlen, Pflegeheime müssen stark auf die Kosten achten – wieso sind solche Einrichtungen lohnende Investitionsobjekte?
Wenn Sie in internationalen Investmentberichten nachschauen, sehen Sie: Das deutsche Gesundheitssystem gilt als sicheres und lohnendes Investitionsobjekt.
Wer investiert da zum Beispiel?
Da gibt es viele Beispiele: Fresenius, Asklepios oder nehmen sie die Median-Kette mit rund 130 Einrichtungen. Sie wird von Waterland finanziert, einer niederländischen Private-Equity-Investment-Gesellschaft. Da werden Krankenhäuser und vor allem Rehakliniken zugekauft, sie gehören mittlerweile zu den Top 5 der Branche.
Wird es durch die Größe rentabler für den Investor?
Größe bringt Vorteile, zum Beispiel auf dem Beschaffungsmarkt, in der Logistik, etwa beim Essen, bei der Wäsche. Und bei der Personaleinsatzplanung. Sie können flexibler disponieren und auch ihr Leistungsportfolio spezialisieren und damit optimieren.
Das bedeutet ja erst mal keine Nachteile für die Patienten in diesen Häusern. Warum werden private Investoren im Gesundheitssystem kritisch beäugt?
Jeder von uns hat ein komisches Gefühl, wenn Hedge-Fonds investieren. Das Bild der Heuschrecke ist allgegenwärtig. Aber ob gut oder schlecht, muss sich erst im Versorgungsalltag zeigen.
Warum kümmert sich jetzt der Gesetzgeber um die Erschwerung von MVZ-Übernahmen (Medizinische Versorgungszentren), also zum Beispiel das Aufkaufen von Arztpraxen?
Unterstellt wird eine sachfremde Motivation. Dass der Investor nicht Medizin, sondern Rendite als Geschäftsmodell verfolgt.
Das Vorgehen dabei: Ich kaufe ein kleines Krankenhaus in der Provinz und werde dessen Träger. Das ist meine Eintrittskarte. Danach kaufe ich Praxen auf.
Welche Gefahren bedeutet das für Patienten und Pflegebedürftige?
Wenn der Gesellschafter versucht, die Rendite zulasten der Versorgungsqualität zu steigern. Das kann man leicht durch Sparen von Personal. Die Personalkosten machen im Krankenhaus- und Rehabereich zwischen 60 und 80 Prozent aus.
Auf der anderen Seite: Wir brauchen jedoch privates Kapital. Dann wird auch mal etwas modern ausgestattet. Das hilft den Patienten und den Pflegebedürftigen.
Pflegeeinrichtungen in öffentlicher Hand erwirtschaften eine Rendite von 1,8 Prozent, private Pflegeeinrichtungen bis zu fünf Prozent. Da wäre zu belegen, woran das liegt.
Fremdes Kapital ist also nicht gleich böses Kapital. Wir kennen positive Fälle von privatem Geld im Gesundheitswesen. Das beginnt schon beim Kredit für die Arztpraxis. Die Unterstellung jedoch lautet: Die Fonds kaufen die Praxen auf, um Rendite zu erwirtschaften und nach wenigen Jahren wieder abzustoßen.
Wie sieht das wettbewerbsrechtlich aus?
Seit Beginn der Marktwirtschaft haben wir zwei Regulative: das Kartellrecht und den unlauteren Wettbewerb. Jetzt aber entwickeln sich neuartige Netzwerkökonomien. Bei den großen Klinikketten prüft das Kartellamt immer noch die Anzahl der Betten. Was kaum beachtet wird: dass ganze Wertschöpfungsketten in die Hand eines Investors wandern. Zum Beispiel Medizintechnik, Pharmazie, Standorte. Zum Beispiel im Fall des Dialyse-Markts. Das ist im ökonomischen Sinn viel kartelllastiger, als wenn Sie zwei Kreiskrankenhäuser zusammenlegen.
Was tut die Politik?
Der Gesetzgeber hat ja nicht umsonst bestimmte Standards festgelegt, etwa beim Pflegepersonal, um bestimmte Strategien von Investoren zu vermeiden. Facharzt und Fachkräfte-Quoten sind gerade überall ein Thema. Krankenhäuser werden verpflichtet, Tarife voll anzuerkennen und zu finanzieren. Deshalb wurde die Pflege aus dem DRG-System herausgenommen.
… Diagnosis-related groups, also Fallpauschale…
Und es gibt Personaluntergrenzen. Wegen der Unterstellung, dass Unterversorgung droht. Hier bewegen wir uns weg von einem liberalen Wettbewerbsmodell. Es ist durchaus verständlich, dass die Politik diese Diskussion führt. Aber auch problematisch.
Worin liegt das Problem dieser staatlichen Regulierung?
Es führt zu weniger Wettbewerb und weniger freien Gestaltung. Es fördert auch nicht die technologische Entwicklung, zum Beispiel von Überwachungssystemen, die mit weniger Personal auskommen könnten.
Sie sind Aufsichtsratsmitglied der Paracelsus-Kliniken. Auch dahinter steckt ein privater Investor. Sieht es nach einem langfristigen, medizinisch orientierten Geschäftsmodell aus?
Ja, die Paracelsus-Kliniken wurden vom Schweizer Investor Porterhouse gekauft. Porterhouse ist, so wie die vielen Kliniken, ein Familienunternehmen, das zeigen will, dass man daraus ein dauerhaft erfolgreiches Modell entwickeln kann.
Wenn private Investoren Gesundheitseinrichtungen rentabler betreiben können, worin liegt der Vorteil von Einrichtungen in staatÂlicher Hand?
Private Strukturen sind nicht per se effizienter als öffentliche. Vorteil der öffentlichen: Sie gehen auch dahin, wo es keine Renditeerwartung gibt, sie sind am Gemeinwohl orientiert.
Könnte man so zum Beispiel die Versorgung in strukturschwachen Regionen sicherstellen?
Ja, Kommunen dürfen heute auch Arztsitze aufkaufen, MVZ gründen und Ärzte anstellen.