Der neue Luftreinhalteplan von Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther sieht vor, an einigen Straßenabschnitten die Durchfahrt für die meisten Dieselautos zu verbieten. Die Aufregung ist groß, dabei geht es eigentlich nur um die fällige Umsetzung eines Gerichtsbeschlusses.
Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther muss derzeit einige Kritik einstecken. Als „Anti-Auto-Senatorin" wird sie vom verkehrspolitischen Sprecher der CDU, Oliver Friederici, bezeichnet. Er glaubt vermutlich, sie damit zu diffamieren, aber da könnte er sich getäuscht haben. Denn sie hat sich zuletzt tatsächlich recht visionär über einen Abschied vom Verbrennungsmotor geäußert. Aber dabei ging es um die fernere Zukunft und den Klimaschutz, der ganz andere und neue Formen der Mobilität erforderten. Günther spielt immer etwas mit dem autokritischen Image. Dass die Grünen eine Verkehrswende wollen, ist kein Geheimnis, und das gilt bis weit über die Parteigrenzen hinweg auch als ein richtiger Denkansatz.
Derzeit geht es aber fürs Erste nur um ein paar Straßen in Berlin. Der von Günthers Haus Mitte März vorgelegte neue Luftreinhalteplan sieht vor, an 15 Straßenabschnitten in Berlins Innenstadt Fahrverbote mit einer Gesamtlänge von 2,4 Kilometer für diejenigen Dieselautos zu erlassen, die nicht die modernste Euro-6-Norm erfüllen. Das kam weder willkürlich noch plötzlich, sondern war so voraussehbar, wie es überhaupt nur geht: Günther setzt mit ihrem neuen Luftreinhalteplan nur um, was das Berliner Verwaltungsgericht im Oktober 2018 geurteilt hat. Das Gericht hatte den Senat damals regelrecht zu Fahrverboten verdonnert.
Günther hatte rechtzeitig vorher erklärt, sie wolle die Fahrverbote eigentlich vermeiden, daher hat sie vergangenes Jahr ein paar Tempo-30-Abschnitte erlassen. Aber die Luft blieb schmutzig, jedenfalls wurden die Grenzwerte weiter überschritten.
Das Verwaltungsgericht hatte angeordnet, dass der Senat Fahrverbote an elf Straßenabschnitten zu erlassen habe, wenn dort die EU-weit geltenden Grenzwerte für Stickoxid immer noch nicht eingehalten werden. An 100 weiteren seien sie zu prüfen. Nun wurden es immerhin 15 Stellen. Zusätzlich soll für 36 Straßenabschnitte künftig Tempo 30 gelten. Bereits jetzt gilt Tempo 30 an vielen Stellen in der Stadt aus Gründen sauberer Luft.
Unklar ist die Kontrolle des Verbots
Wenn Günthers Ideen vom Senat am Ende auch so beschlossen werden, werden die Leipziger Straße, die Reinhardtstraße, die Friedrichstraße, der Spandauer Damm und die Hermannstraße betroffen sein – allesamt bekannte und stark befahrene Ein- und Ausfallstraßen. Ausnahmen soll es aber geben für Handwerker, Anwohner, Rettungswagen und Pflegedienste. Wer wirklich dringend mit einem Diesel durchfahren muss, wird es weiter tun können.
Ein großes Fragezeichen gibt es noch, wie die Verbote überhaupt kontrolliert werden sollen. Seit Jahren fordern Umweltverbände und der Deutsche Städtetag eine blaue Plakette, analog zu grünen, nur mit strengeren Kriterien. So würde man sofort und von Weitem sehen können, ob die strikten Normen erfüllt sind. Doch die Bundesregierung lehnt das ab. Bislang wird in Hamburg und Stuttgart mit Stichproben anhand des Fahrzeugscheins geprüft – umständlich und wenig effektiv. Nun hat die Bundesregierung beschlossen, eine Kontrolle über „mobile Geräte" anhand des Autokennzeichens vornehmen zu lassen. Die Daten sollen dann mit dem Kfz-Register abgeglichen werden. In diesem stehen die Abgaswerte der Autos. Dagegen wehren sich jedoch die Berliner Grünen aus Datenschutzgründen. Dadurch würden alle Autofahrer unter Generalverdacht gestellt, sagt deren innenpolitische Sprecher Benedikt Lux.
Die politischen Gegner der parteilosen, aber für die Grünen amtierenden Senatorin tun so, als ob die Fahrverbote etwas Radikales und Neues seien. Dabei gilt in der gesamten Berliner Innenstadt innerhalb des S-Bahnrings seit 2008 die Umweltzone, in die Autos nur mit der grünen Plakette hineinfahren dürfen. Damals war der Ruß das entscheidende Argument. Heute sind es vor allem die Stickoxide, deren Grenzwerte überschritten werden. Stickoxide sind gefährlich für die Gesundheit, und die ist das höchste Gut, wie Günther betont. Wie gefährlich sie aber genau sind, darüber waren sich in den vergangenen Wochen sogar die Lungenärzte des Landes uneinig. Hinzu kommt, dass die Belastung mit Stickoxiden zwar insgesamt seit Jahren tendenziell sinkt, aber immer noch über den EU-weiten Grenzwerten liegt. Im Mittelwert betrug er 2018 in Berlin 49 Mikrogramm je Kubikmeter Luft, somit genauso viel wie im Vorjahr, aber immer noch mehr als der Grenzwert von 40 Mikrogramm zulässt. Vor Jahren waren die Werte für Stickoxid und auch Ruß in Berlin deutlich schlechter. So steht die Hauptstadt im Vergleich etwa zu Stuttgart oder München beim Stickoxid gar nicht so schlecht da, Städte in denen der Grenzwert weit überschritten wird. Geht es also in die richtige Richtung?
Von allein dürfte es nicht gehen. Zwar werden die Autos auf den Straßen im Schnitt jedes Jahr etwas sauberer, weil alte aus dem Verkehr gezogen werden und durch neue ersetzt werden. Aber es wird auch immer mehr gefahren. Vor allem in den vergangenen Jahren hat der Autoverkehr in der Hauptstadt von Jahr zu Jahr zugenommen – immer mehr davon spielt sich aber im Stehen ab: Autofahrer stecken in Berlin bundesweit am längsten im Stau. Im vergangenen Jahr verbrachten sie im Schnitt 154 Stunden damit oder fuhren im Schritttempo. Das sind mehr als sechseinhalb komplette Tage und mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Deswegen geht es dem rot-rot-grünen Senat um mehr als nur um Stickoxide. Natürlich sollen Menschen zum Umsteigen motiviert werden. Ein riesiges Investitionsprogramm in U-Bahnbau ist beschlossen. Das Parken soll teurer werden: Bislang werden 40 Prozent des Innenstadtbereichs parkraumbewirtschaftet, es sollen 75 Prozent werden. Fahrradwege werden ausgebaut, wenn auch langsam. Und es sind nicht nur die Autos, die sauberer werden sollen: Immerhin verursachen Busse der Verkehrsbetreibe BVG teilweise bis zu einem Viertel der Stickoxide und dazu beträchtlich viel Feinstaub. Das will der Senat durch Umrüstung auf die relativ sauberen Euro- 6-Dieselmotoren und vor allem durch E-Busse sicherstellen. Im Laufe des Jahres soll das Landesunternehmen 30 Elektrobusse erhalten, deren Akkus nachts aufgeladen werden und die dann bis zu 150 Kilometer fahren können. In zehn Jahren soll die gesamte BVG-Busflotte in Berlin elektrisch fahren.