Die Spitze der Sorrentinischen Halbinsel liegt zentral zwischen Golf von Neapel und Amalfiküste und doch so unendlich weit weg vom touristischen Trubel. Die Region verspricht kulinarische Genüsse, Wanderfreuden und eine spektakuläre Küste.
Allein schon der Name – Termini. Das klingt schon ein wenig nach dem Ende der Welt, nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Tatsächlich ist der kleine Weiler am Ende der Sorrentinischen Halbinsel das ideale Refugium für all jene, die dem Trubel der benachbarten Amalfiküste oder der antiken Stätten am Golf von Neapel ein wenig entfliehen wollen. Gleichzeitig liegt dieser Winkel der Halbinsel immer noch nah genug, um leichterdings Ausflüge nach Positano oder Pompeji, zum Vesuv oder zur Insel Capri zu unternehmen. Gerade Capri liegt verheißungsvoll vor der Küste und wirkt an manchen Stellen zum Greifen nah. Es muss aber natürlich jeder selbst entscheiden, ob man angesichts der Schönheit der Region überhaupt noch allzu viele Unternehmungen in die Ferne machen möchte.
Die Sorrentinische Halbinsel ist landschaftlich ohne Frage der schönste Abschnitt des Golfs von Neapel. Vielerorts fällt die schroffe Küste steil hinab ins tiefblaue Meer, während die Landschaft oberhalb von ausgedehnten Zitronen- und Olivenhainen geprägt ist. Vor allem die Zitronen aus Sorrent, die „Ovali", haben die Region berühmt gemacht. Konkreter: der Limoncello-Likör, der aus ihnen gewonnen wird.
Die hiesigen Zitronen sind größer als andere Sorten, die gelbe Farbe kräftiger, doch ihr wahres Geheimnis liegt in ihrer dicken Schale. Diese ist reich an ätherischen Ölen, welche dem Limoncello später seinen unverkennbaren Geschmack verleihen. Dafür werden die Aromen aus der Zitronenschale mit Alkohol extrahiert und der aromatisierte Alkohol anschließend mit einer Wasser-Zucker-Lösung verdünnt. Vier bis fünf Wochen dauert die Herstellung, die sich auch zu Hause relativ leicht nachmachen lässt, um damit den Urlaub sozusagen noch ein klein wenig zu verlängern. Ein sommerlicher Gruß aus dem Süden, der eisgekühlt übrigens am besten schmeckt.
Ein dichtes Netz alter Wirtschaftswege
Überhaupt spielt die Region kulinarisch in der Oberliga. Nach dem kleinen Ort Nerano ganz in der Nähe von Termini ist sogar ein eigenes Pasta-Gericht benannt worden: die Spaghetti alla Nerano mit Zucchini und Basilikum in einer Creme aus Provolone. Angeblich soll das Rezept in den 50er-Jahren entstanden sein, als im Strandrestaurant „Maria Grazia" im Badeort Marina del Cantone – einer charmanten Bucht südlich von Nerano – im Rahmen einer Wette eine Alternative für die allgegenwärtigen Spaghetti mit Tomatensoße gesucht wurde. Das Lokal gibt es bis heute, auch die Meeresfrüchte dort sind unbedingt einen Versuch wert. In Termini selbst empfiehlt sich ein Besuch bei Alessandra Vanacore und Enzo De Simone in der rustikalen „Trattoria Eugenes". Hier essen auch die Einheimischen, und die wissen bekanntlich immer ganz genau, wo es am besten schmeckt. Ein Besuch im mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten „Don Alfonso 1890" in Sant’ Agata sui due Golfi ist dagegen eher etwas für besondere Anlässe. Der Gourmettempel zählt zu den besten Restaurants in ganz Italien, wobei die meisten Zutaten direkt aus dem angrenzenden Landwirtschaftsbetrieb des Küchenchefs stammen. Lokaler geht es kaum.
Wer angesichts solcher Versuchungen nicht ansetzen will, der sollte unbedingt seine Wanderschuhe einpacken. Die Sorrentinische Halbinsel lässt sich hervorragend zu Fuß erkunden, ein dichtes Netz alter Wirtschaftswege und Maultierpfade verbindet die einzelnen Ortschaften. An den Ausblicken auf Meer und Berge kann man sich nicht sattsehen. Besonders beeindruckend ist das Panorama vom Gipfel des 486 Meter hohen Monte San Costanzo, des Hausbergs von Termini – der 360-Grad-Blick reicht vom Golf von Neapel bis zum Golf von Salerno. Am Horizont erhebt sich der majestätische Vesuv, an dessen Fuß sich die Millionenstadt Neapel ausbreitet, die von hier oben auf einmal ganz nah wirkt und doch so unendlich weit entrückt. Im Westen sind die Inseln Ischia und Procida zu erkennen, in östlicher Richtung die Sirenusen – drei kleine Inseln vor der Amalfiküste, von denen es heißt, dass dort einst die Sirenen lebten und mit ihrem Gesang die vorbeifahrenden Schiffer betörten. Die gleichnamige Kirche auf dem Monte San Costanzo stammt aus dem 16. Jahrhundert. Zu besichtigen ist sie allerdings nur zur Prozession am 14. Mai, wenn Hunderte von Menschen den Berg zur Heiligen Messe erklimmen. Im Juli wandert die goldene Heiligenstatue dann wieder nach unten in die Dorfkirche, begleitet von Musik und einem spektakulären Feuerwerk.
Vom Monte San Costanzo könnte man jetzt direkt zur Punta Campanella wandern, der südwestlichen Spitze der Sorrentinischen Halbinsel. Ein etwas leichterer und gut ausgeschilderter Weg führt jedoch von der Ortslage Termini aus zunächst in Richtung der Badebucht Cala di Mitigliano und dann immer die Küste entlang bis zur Punta Campanella. Dort befand sich in der Antike ein griechischer Tempel zu Ehren von Athena, der Schutzgöttin der Seefahrer. Der Tempel steht heute nicht mehr, stattdessen findet man die Reste eines mittelalterlichen Küstenwachturms sowie einen modernen Leuchtturm. Baden kann man an dieser Stelle nicht, dafür ist der Ausblick auf die hier nur noch fünf Kilometer entfernte Insel Capri einfach grandios.
Königin vergnügte sich mit ihren Liebhabern
Die Punta Campanella ist seit 1997 zudem Namensgeber für ein rund 1.500 Hektar großes Meeresreservat, das sich über 40 Kilometer Küste an weiten Teilen der Sorrentinischen Halbinsel entlangstreckt. Dabei handelt es sich um ein Meeresschutzgebiet von besonderer Bedeutung für das Mittelmeer, das zahlreichen Fischarten ein Zuhause bietet, darunter solch extravaganten Exemplaren wie dem Großen Roten Drachenkopf oder den als äußerst angriffslustig geltenden Barrakudas. Die Baia di Ieranto mit ihren zahlreichen Grotten – erreichbar nur zu Fuß über eine rund anderthalbstündige Wanderung – gilt dank der Schutzmaßnahmen sogar als der unberührteste Küstenabschnitt der gesamten Amalfi-Region. Eine der Grotten wird als Grotta d’a Soppressata bezeichnet, weil die Stalaktiten darin so aussehen wie die gleichnamige Salami. Ganz anderen Genüssen gab man sich dagegen einst am Punta del Capo unweit von Sorrent hin. In einem Naturpool inmitten der Felsen soll sich Königin Giovanna d’Anjou, Königin von Neapel im Jahr 1300, einst mit ihren unzähligen Liebhabern vergnügt haben. Einige sollen sogar hier gestorben sein, um das Geheimnis nicht zu verraten.
Vom Kap ist es nur noch ein Katzensprung nach Sorrent, Namensgeber der Halbinsel und mit rund 18.000 Einwohnern zugleich der größte Ort weit und breit. Die Stadt liegt auf einem steil zum Meer abfallenden Felsplateau, welches umso eindrucksvoller wirkt, wenn man sich mit dem Schiff von der Wasserseite aus nähert. Die beeindruckende Lage 50 Meter über dem Golf von Neapel hat die Menschen schon immer fasziniert, davon zeugen die zahlreichen in erster Reihe direkt an der Steilküste stehenden Villen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, heute zumeist luxuriöse Hotels. In der Altstadt kann man zudem eine selten gewordene Kunstfertigkeit bewundern: hochwertige Intarsienarbeiten aus Holz, neben dem Limoncello das wohl beliebteste Mitbringsel aus Sorrent.
Die Stadt verfügt über gleich zwei Häfen: die Marina Grande, kurioserweise der kleinere und beschaulichere von beiden, in dem der Fischeralltag noch allgegenwärtig ist; und die Marina Piccola, der Fährhafen, in dem sich allmorgendlich dasselbe Schauspiel wiederholt, wenn sich die Tagestouristen zur Überfahrt nach Capri versammeln. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sorrent gerade in der Hochsaison oft doch arg überlaufen ist. Wer Ruhe und Erholung sucht, ist deshalb in Orten wie Termini besser aufgehoben, der zudem noch einen weiteren entscheidenden Vorteil besitzt. Nur von hier lässt sich die viel besungene rote Sonne beobachten, wie sie bei Capri im Meer versinkt.