Die Biosphärenregion Bliesgau hat seit einigen Jahren wieder eine kleine Brauerei im Traditionsbrauerdorf. Im Walsheimer Sudhaus gibt es „GlüX-Pils" in Handarbeit.
Microbrewery nennen sich heutzutage die kleinen Minibrauereien, die beste Biere in Handwerkstradition produzieren. Etwa 100 Hektoliter Gerstenkaltschale kocht der gelernte Bierbrauer und Mälzer Stefan Raffel pro Jahr. Tendenz für die kommenden Jahre: dank Nachfrage stark steigend. Spätestens im Jahr 2020 soll die Produktion erneut ausgeweitet werden. Nämlich dann, wenn der Brauer seinen derzeitigen Arbeitsplatz in der größten saarländischen Brauerei in Altersteilzeit verlässt.
„Seit 1973 dreht sich bei mir alles ums Bier", sagt Stefan Raffel und öffnet mit einem lauten „Plopp" den Verschlussbügel einer dunklen Zwei-Liter-Bauchflasche, aus deren Öffnung eine zarte Kohlendioxidfahne entweicht. Das flüssige CO² nutzt er, um den Druck in Flaschen und Fässern (30 Liter) anzuheben, damit deren Inhalt mit stabiler Schaumkrone in die Gläser kommt. Raffel füllt zwei Stielgläser mit seinem bernsteinfarbenen, naturtrüben, unfiltrierten Flascheninhalt, den er ganz selbstbewusst mit einem Lächeln „GlüX-Pils" nennt.
Seit fast fünf Jahrzehnten bestimmt der gelbe Gerstensaft das Arbeitsleben des 60-Jährigen. Doch damit nicht genug. Als sich der gebürtige Walsheimer nach vielen Jahren entschied, auf dem ehemaligen Brauereigelände der Walsheimer Brauerei ein Haus zu bauen, keimte schon der Gedanke, vielleicht einmal eine alte Brauertradition wieder aufleben zu lassen.
„Back to the roots", sagt Raffel, hebt sein Glas, riecht am Schaum und trinkt genüsslich das eiskalte Pils. „So muss eine gute Bierspezialität schmecken. Leichte Zitrusaromen, ein wenig Heu und je nach Sorte des Malzes Nuancen von gerösteter Haselnuss und grünen Walnüssen. Als mein Vater Otto Raffel 2011 mit mir die Minibrauerei gründete, war uns eines wichtig: Wir wollten Bier trinken, das nach alter Tradition in kleineren Chargen hergestellt wird", erzählt der Brauer. „Wir experimentierten anfangs in unserer kleinen Kellerküche herum, bis wir die Rezepturen für vier Varianten perfekt hatten: GlüX-Pils, Festbier, Weißbier und Walsheimator, ein alkoholreiches dunkles Bier. Im vergangenen Jahr habe ich dann aufgrund der hohen Nachfrage nach einem ordentlichen Biosphärenbier ohne Konservierungsstoffe und Filtrierung einen Anbau am Haus vorgenommen, der die Produktion mit all ihren Arbeitsschritten erheblich erleichtert."
„Gutes Bier nach alter Tradition in kleinen Chargen"
Stefan Raffels Kinder, Florian und Nathalie, sind mittlerweile Mitgesellschafter der Walsheimer Sudhaus GbR und bereits jetzt in Sachen Geschmack hervorragende Berater. Fünf Malzarten sind in das Prozedere des Brauens eingebunden: Pilsener und Münchner Malz, Weizenmalz und Caramellmalz sowie das Spezialmalz Red-X. Sie alle enthalten die typischen Malzaromen wie Mischbrot, frische Brotscheiben und Weizenähren.
Karamalz allerdings hebt sich durch feine Noten von Honig und Feigen ab. Typisch für Pilse und Weizenbiermalze sind auch Aromen von Grapefruit und Zitrus. Red-X allerdings bringt noch spezielle Aromen von Passionsfrucht, Portwein und Sherry mit ins Spiel. Die Hopfenvariante Hallertauer Perle und Aromahopfen, die Seele des Bieres aus dem größten Hopfenanbaugebiet der Welt, bringen die gewünschte Bitterkeit in das Lieblingsgetränk der meisten Deutschen – und nicht nur von denen.
In mehreren Stufen des Brauvorganges wird Hopfen zugesetzt, der zum einen dem Bier die gewünschte sehr aromatische Bitterkeit verleiht, und zum anderen eine Eiweiß fällende, Schaum beeinflussende, vor allem aber eine konservierende Eigenschaft verleiht. Eine wichtige Tatsache, ohne die aus dem Sud kein Bier vorstellbar wäre. Brauer Raffel kocht beziehungsweise braut in sechs Schritten seine Maische, die zum Schluss von 100 Grad Celsius auf etwa 20 Grad heruntergekühlt und mit Hefe versetzt wird. Binnen drei bis fünf Tagen ist die Maische vergoren, wird geläutert, das bedeutet von den festen Bestandteilen durch Abseihen getrennt und zur weiteren Reife in Kühltanks bei Temperaturen nahe null Grad bis zur Abfüllung in Flaschen oder Fässern gelagert.
1848 wurde in Walsheim vom Brauergesellen Christian Schmidt nach der Heirat mit der Walsheimerin Elisabeth Maria Lugenbiel eine Brauerei gegründet. Damals wurde meist in ländlichen Gebieten im Nebenerwerb Bier gebraut. Im damaligen Saargebiet löschten mehr als 100 kleine Brauereien den Durst der Bevölkerung. Im Bliesgau soll es mindestens 20 davon gegeben haben. Schmidts Brauereibetrieb erlebte einen wahren Aufschwung, sodass dieser bereits 50 Jahre später als Brauerei mit Weltruf angesehen wurde. Alles in einer Zeit der voranschreitenden Industrialisierung, in der auch zahlreiche Erfindungen wie etwa die Kältemaschine entwickelt wurden und auch bakteriologische Erkenntnisse halfen, die der Forschung des Biochemikers und Mikrobiologen im Medizinbereich Louis Pasteur zu verdanken sind.
300.000 Hektoliter zu Hochzeiten
Maßgeblich für erfolgreiches Bierbrauen war auch die Züchtung von Reinzuchthefen in Dänemark, welche die gleichmäßige und zuverlässige Vergärung von Maischen ermöglichte, die bis dahin ausschließlich einer spontanen Vergärung unterlagen und somit kaum gleichbleibende Bier-Qualitäten garantierten. „Schmeckt oder schmeckt nicht" war oftmals das Urteil über das Endergebnis des Brauvorganges, was dem Ansehen so manches Braumeisters schadete. Die Walsheimer Brauer bedienten sich neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, und am Erfolg ihrer hohen Kunst hatte auch das im Bliestal vorhandene gute Quellwasser bedeutenden Anteil.
„Walsheim Bier" wurde mit den berühmten Bieren Münchner Brauereien verglichen. Der Westpfälzer Otto Guttenberger heiratete eine Tochter von Brauer Schmidt. Mit seinem Schwager Karl Schmidt machte er aus dem Familienunternehmen eine Aktiengesellschaft mit dem Firmennamen „Bayerische Brauereigesellschaft vorm. Schmidt und Guttenberger".
Weit über das Bliestal hinaus in Elsass und Lothringen war „Walsheim Bier" beliebt und wurde gern getrunken. Selbst in der Weltstadt Paris wurde es ab 1870 ausgeschenkt. Um die Wende zum 20. Jahrhundert betrug die Jahresproduktion 50.000 Hektoliter. Französische Kunden verloren nach dem Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag das Interesse an den Saar-Brauereien. Verbunden damit waren nämlich hohe Einfuhrzölle. Ein Vertrag mit der Brauerei Park- und Bürgerbräu Zweibrücken aus dem Jahr 1922 über eine Liefermenge von 72.000 Hektoliter konnte die weitere Existenz des Unternehmens sichern.
Der Heidelberger Kapitalgeber Dr. Kanter wurde Groß-Aktionär, und die Brauerei wurde in „Walsheim Brauerei AG" umbenannt. Zahlreiche Investitionen machten aus dem Unternehmen eine Großbrauerei mit einer jährlichen Produktion von 300.000 Hektoliter Bier. Das süffige Bliestaler Bier wurde nun auch in vielen Teilen Europas, in Algier, Beirut, Madagaskar und in den Großstädten Südamerikas getrunken. Aus bis heute unbekannten Gründen nahm der Großaktionär Kanter im Jahr der Saarabstimmung 1935 sein Kapital aus dem Unternehmen. Möglicherweise wollte er, der jüdischer Abstammung war, der Nazi-Propaganda „Juden-Brauerei" entgegenwirken und sich vor der zu erwartenden Nazi-Herrschaft in Sicherheit bringen. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges ging es mit der Brauerei bergab. Dr. Paul Weber, Gesellschafter der Karlsberg Brauerei, erkannte 1946 den Wert der Exportmarke Walsheim und sicherte sich die Produktion von Bier im Fass, in Flaschen und Dosen. Doch der Niedergang war unaufhaltsam. Der Abriss der Brauerei dauerte bis in die frühen 1980er-Jahre. Geblieben ist ein Brauereikeller zum heutigen Nutzen der Dorfgemeinschaft.
Das richtige Glas erhöht den Genuss
Stefan Raffel, Brauer aus Leidenschaft, sieht sich der langen Tradition verpflichtet. Als er das Baugründstück 2004 auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei Walsheim erwarb, gärte bereits der Wunsch, die alte Biertradition wieder aufleben zu lassen. Mit seinem inzwischen verstorbenen Vater Otto gründete er das Walsheimer Sudhaus. Anfangs etwas belächelt, wie so oft bei solchen Projekten, hat er allerdings bewiesen, dass es ihm ein ernstes Anliegen ist. Dies ist auch wichtig, denn der Konsument besonderer Biere sucht auch im Saarland ausdrucksstarke regionale Biere, die sich vom Industrie-Einerlei deutlich abheben.
Die Zahl der saarländischen Kleinst-Brauereien ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Discounter bieten industriell hergestellte Bier-Produkte oftmals für Centbeträge an. Mit diesen Preisen können die sogenannten Handwerksbrauer, neudeutsch Craft-Brauer, nicht mithalten. Doch die Handwerksbrauer, die das Besondere schaffen, wissen, dass ihre Biere nicht zur Volldröhnung oder kollektiven Druckbetankung herhalten sollen. Was sie herstellen, ist ein Genussmittel der besonderen Art, welches auch bestimmter Rituale bedarf.
Richtig durchgekühlt muss ein Bier sein, und im richtigen Glas soll es serviert werden. Dazu kann es auch mal ein Stielglas sein, in dem sonst nur hochwertiger Wein verkostet wird. Vor allem aber sollten es Leute miteinander trinken, die die Arbeit des Brauers zu schätzen wissen.
Brauer Raffel weiß, wie er seine Schätze zu servieren hat und freut sich, wenn bierselige Leute seine Sorten ausgiebig probieren. Gäste sind, wann immer Raffel Zeit hat, in seiner kleinen Mikrobrauerei gerne gesehen. Übrigens: Der Liter Walsheimer Bier kostet bei ihm gerade mal drei Euro. Ein wahrhafter Genuss. Bis zum Herbst ist er auch auf einigen saarländischen Festen vertreten. Auch dort lassen sich seine Produkte trefflich verkosten.