Sind Tempolimit oder selbstabregelnde Autos im Sinne der Verbraucher?
Vor Kurzem machte eine Meldung die Runde, die bei eingefleischten Autofans, im Volksmund Petrol Heads genannt, Kopfschütteln bis Entsetzen auslöste: Volvo will in Zukunft nur noch maximal 180 km/h schnell fahren. Das gilt für alle Modelle, die ab 2020 hergestellt werden. So gab Volvo-Chef Hakan Samuelson nur wenige Tage vor Eröffnung des Genfer Automobilsalons, einer der fünf wichtigsten und weltweit nobelsten jährlichen Automesse, bekannt, dass Volvo-Automobile künftig nicht schneller als 180 Kilometer pro Stunde fahren können, dann werden sie abgeriegelt.
Und das in einer Zeit, wo die Branche wegen Dieselskandal, Elektromobilität und Roboterautos massiv unter Druck ist. Für die traditionellen Autohersteller ist dieser Vorstoß von Volvo ein absoluter Überraschungscoup. Die europäischen Hersteller – allen voran BMW & Co – agieren nach wie vor gemäß den alten olympischen Denkschemata, nach denen neue Automobile immer noch „schneller, höher weiter" zu fahren und mehr PS und mehr Leistung haben müssen als die Vorgängermodelle.
Richtig ist, dass es auf der diesjährigen Automesse am Lac Leman in Genf nur so von Elektro- oder Hybridautos in allen Schattierungen wimmelte. Allen gemeinsam war die unzureichend niedrige Reichweite der Lithium-Ionen-Akkus ebenso wie unzureichend hohe Ladezeiten an der Steckdose. Das führt dazu, dass ihnen noch etwas gemeinsam ist: nämlich, dass sie alle aufgrund ihrer begrenzten Akku-Kapazität bei wesentlich niedrigeren Geschwindigkeiten abgeriegelt werden und abrupte Beschleunigungsvorgänge zum seltenen Ereignis werden. Elektroautos beziehungsweise ihre Besitzer können von einer Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h nur träumen.
Im Sinne der Klimaschützer scheint Volvo augenscheinlich den Trend der Zeit erkannt zu haben. Tatsächlich sind auf den gängigen Automessen aber nach wie vor nicht die langweilen E-Autos die Hingucker, sondern die mit Verbrennungsmotoren und jeder Menge PS unter der Haube. Der Auto-Superstar des diesjährigen Genfer Salons war der neue Bugatti La Voiture Noire – ein pechschwarzes Einzelstück der Traditionsmarke anlässlich ihres 110-jährigen Bestehens. Dieses Unikat ist für schlappe elf Millionen Euro zu haben und verfügt über läppische 1.500 PS und eine schwarze Sichtkarbon-Karosserie – und war unentwegt vom Publikum umlagert.
Anders als Volvo, seit 2009 für 1,3 Milliarden Euro Eigentum des chinesischen Auto-Emporkömmlings Geely. Volvo war in diesem Jahr als Aussteller gar nicht erst in Genf angetreten.
Folgt man dem Publikum, wirft das zu Recht die Frage auf: Wollen die Autofahrer denn überhaupt diese asketischen, tempobegrenzten fahrbaren Untersätze, wenn sie denn schon 20.000 bis 30.000 Euro für den Kauf auf den Tisch legen müssen? Volvo-Chef Hakan Samuelsson begründete die unverhoffte Tempo-Enthaltsamkeit mit Sicherheitsaspekten. Volvo wolle den Straßenverkehr sicherer machen, wozu ein Tempolimit beitragen könne, wenn es auch kein Allheilmittel sei.
Doch die Absicht des chinesisch-schwedischen Autobauers geht noch weiter: Volvo Cars wolle einen Meinungsaustausch darüber in Gang bringen, ob Autobauer das Recht oder sogar die Pflicht hätten – und jetzt wörtlich – „… mit der Technik in den Autos das Verhalten ihrer Fahrer zu ändern!"
Ja heiligs Blechle! Wenn dem so ist, warum dann nicht gleich Tempolimit 130 km/h? Oder elektronische Abriegelung bei Tempo 50 oder 30 km/h beim Passieren der Stadt- oder Ortsgrenze. Wehret den Anfängen! Nichts gegen ein Tempolimit auf Autobahnen, wenn es Volkes Wille ist. Aber das sollte dann vom Gesetzgeber im demokratischen Auftrag der Wähler verhängt und nicht vom Fahrzeug dem Fahrer verordnet werden. Regulative Vorschriften im Verkehr – und anderswo – sollten dem Staat und seinen Institutionen vorbehalten bleiben und nicht der Willkür eines Autoherstellers überlassen werden. Noch sind wir nicht China!