Prof. Dr. Michael Schrödl lehrt Artenvielfalt, Meereskunde und zoologische Systematik am Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Zoologe über das momentane, sechste große Artensterben, seine Ursachen und Auswirkungen auf den Menschen – und was jeder einzelne von uns dagegen tun kann.
Herr Prof. Dr. Schrödl, wie steht es momentan um unsere Tierwelt und Natur?
Miserabel! Studien an Insekten, aber auch an anderen untersuchten Tiergruppen zeigen einen dramatischen Rückgang der Individuenzahlen, Biomasse, genetischen Vielfalt, Populationen, Verbreitungsgebiete und Artenzahl. Bei uns und fast überall sonst, in besiedelten Regionen bis hin in naturnahe, geschützte oder gar völlig unberührte Gebiete. Gerade Letzteres ist erschreckend, denn dass auf einem intensiv gedüngten und gespritzten ÂMaisacker außer Mais nicht viel lebt, ist ja klar. Aber dass naturnahe Bereiche, Naturschutzgebiete oder gar Lebensräume fernab jeglicher Zivilisation derart verarmen, damit hatte bis vor Kurzem niemand gerechnet. Auch im Meer, immerhin leben wir auf einem blauen Planeten, herrschen üble Zustände. Erwärmung, Korallenbleiche, Ozeanversauerung, Plastik, Gifte, Nährstoffe, sauerstofffreie Zonen, Ãœberfischung, Veränderung von Meeresströmungen: Man kann ganze Bücher füllen über die weiter zunehmenden Bedrohungen des marinen Lebens. Wichtig zu wissen ist, dass keine Trendwende zum Guten in Sicht ist. Tropische Korallenriffe werden wohl als erstes großes Ökosystem menschgemacht nahezu komplett von der Erde verschwinden, samt den meisten Bewohnern, immerhin etwa ein Viertel aller bekannten Arten von Meeresorganismen. Studien zur Bestandsentwicklung gibt es aber fast nur von wirtschaftlich interessanten Arten. Im Meer stirbt es sich dunkel und still.
Wie ist es zu diesem Massensterben gekommen – was sind die Ursachen?
Spätestens seit der Industrialisierung nutzen, verändern, zerstören, überdüngen, verschmutzen und vergiften wir Menschen riesige Flächen, fast überall auf dem Planeten. Auf einem Parkplatz wächst höchstens mal ein Löwenzahn, in intensiv gespritzten Monokulturen nicht mal der. Ohne geeignete Lebensräume verschwindet die wunderbare Vielfalt des Lebens. Dazu kommen noch eingeschleppte, allzu konkurrenzfähige Arten und zunehmend auch der Klimawandel. Wir Menschen spielen Killerasteroid und vergessen dabei, dass wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören.
Gibt es Arten, die eines besonderen Schutzes bedürfen?
Der Schutz von imposanten, niedlichen oder nützlichen Arten wie von Elefanten, Delfinen und Bienen hat Symbolcharakter, ist für Umweltschutzverbände hilfreich zum Generieren von Spenden und hilft oft auch anderen Arten in ihren Lebensräumen. Ansonsten halte ich die Konzentration auf bestimmte Arten für einen Irrtum: Im Ökosystem hängt alles mit allem zusammen, und die speziellen Lebensweisen und Funktionen sind meist unbekannt. Zudem ist der Mensch als vernunftbegabtes Wesen für sein Handeln verantwortlich: Welches Recht haben wir, wie eine Heuschreckenplage über den Planeten herzufallen, alles zu vernichten, was uns in den Weg kommt, und dann auch noch zu entscheiden, welche ausgewählten Arten überleben dürfen? Wir müssen daher unbedingt versuchen, alle Arten zu retten, samt ihren Lebensräumen und geeigneten Umweltbedingungen. Der wie selbstverständlich unterstellte Zwang und die halbwegs sinnvolle Möglichkeit zur selektiven Arterhaltung sind falsche Grundannahmen! Und das momentane Niveau finanzieller Anstrengungen zur Art- und Naturerhaltung samt ihrer Erforschung ist so unfassbar niedrig, dass auch eine Verhundert- oder gar Vertausendfachung der Mittel keine Limitierung bedeuten würde. Maßstab sollten die Kosten des Artenschwundes sein: geschätzte fünf Billionen Dollar pro Jahr!
Welche konkreten Auswirkungen hat das Artensterben auf den Menschen?
Zunächst ist es für uns Industrielandbewohner vor allem schade, wenn die Welt um uns herum verarmt und verödet. Bunte Blumenwiesen, Glühwürmchen, große Schmetterlinge, wann haben Sie die zuletzt gesehen? Aber auch Heuschrecken, Hasen, Igel, Schwalben, Spatzen: Was früher häufig war, wird selten. Vielleicht vermissen wir, was wir als Kinder kannten und mochten? Wir Menschen müssen atmen, trinken, essen, bauen, wollen heilen und uns erholen. All das geht ohne vielfältige und einigermaßen stabile und produktive Natur nicht. Die schon erwähnten Korallen sind sogenannte Lebensraumbildner, aber dazu gehören natürlich auch die Bäume bei uns, denn sie bilden riesige, artenreiche und produktive Wälder, die noch dazu sehr viel CO₂ binden können, solange es den Bäumen gut geht. Als Lebewesen sind Bäume aber empfindlich, wie man im Dürresommer 2018 sehen konnte. Im Zuge der Klimaerwärmung werden sich Wälder überall auf dem Planeten verändern, teils sehr drastisch: Geschwächt durch Dürre, Parasiten, Brände, Überflutungen, Sturm, Mangel oder Überfluss an Nährstoffen, extreme Temperaturen sterben vielerorts die Bäume. Das tötet auch die Waldbewohner und setzt enorme Mengen von Treibhausgasen frei, auch aus den nun brachliegenden Böden. Das Sterben von Organismen, die Biokrise, befeuert den Klimawandel, und umgekehrt. Solch biogeophysikalische Rückkopplungen setzen Kettenreaktionen in Gang, denen wir Menschen wenig entgegenzusetzen haben.
Was passiert, wenn es irgendwann keine Insekten und insbesondere Bienen mehr auf der Erde gibt? Kann man das Defizit tatsächlich mit Bestäubungsrobotern ausgleichen, wie sie teilweise schon eingesetzt werden? Oder ist dann auch das Ende für den Menschen eingeläutet?
Unsere Honigbienen, so fleißig und niedlich und wichtig sie sind, sind Haustiere der Menschen. Solange wir uns kümmern, wird es sie geben, außer bei extremer Pestizidbelastung in bestimmten Kulturen. Begrenzt auf solche Plantagen mögen Menschen oder Roboter die Bestäuberfunktion ersetzen können, aber teuer und energetisch aufwendig. Also untauglich für riesige Freilandflächen. Dort sind neben Honigbienen auch Wildbienen und andere Insekten für die Bestäubung vielerlei Blütenpflanzen unerlässlich. Ansonsten sind Insekten aufgrund ihrer enormen Vielfalt und Biomasse auch zentrale Bestandteile von Stoffkreisläufen, sind Nahrung und Räuber, Pflanzenfresser und Parasiten von Pflanzenfressern, Bodenbildner und Resteverwerter und so weiter. Verschwänden die wild lebenden Insekten tatsächlich, verschwänden auch die meisten Blütenpflanzen, würden die Ökosysteme und Stoffkreisläufe an Land zusammenbrechen, wären die Umweltbedingungen insgesamt so katastrophal, dass es Menschen, zumindest Zivilisation und Bestäuberdrohnen, schon längst nicht mehr gäbe. Artenschwund ist nicht nur das Ergebnis von Lebensraumverlust und Umweltverschmutzung, sondern auch ein Indikator für lebensfeindliche Umweltveränderungen. Werden Insekten selten, haben wir ein echtes Problem, sind wir in einer Systemkrise, sollten alle Alarmglocken ertönen!
Wie kann man die Biokalypse noch verhindern?
Globale Probleme wie Biokrise und Klimawandel, aber auch Armut, Hunger und Massenflucht kann man letztlich nur global lösen. Dafür gibt es tolle UN-Nachhaltigkeitsziele, man müsste ihnen nur endlich Leben einhauchen. Fordern und fördern in globalem Maßstab, zum Wohle aller? Davon ist noch herzlich wenig zu sehen. Damit aus der momentanen Biokrise kein Desaster, keine Biokalypse, das Ende unserer Zivilisation wird, brauchen wir schleunigst einen globalen Sinneswandel! Landwirtschaftswende, Forst- und Fischereiwende, Energiewende, Industriewende, Verkehrswende – eine allgemeine, massive und rapide Wende hin zur Nachhaltigkeit, Vermeidung von Treibhausgasen, Schonung von Ressourcen und zum großflächigen Schutz von Leben und Lebensräumen samt Renaturierung riesiger Gebiete. Nicht mehr und nicht weniger. Ein guter Anfang wäre, sofort mit dem Abholzen tropischer Wälder aufzuhören und auf vorher gerodeten oder abgefackelten Flächen eine Billion neuer Bäume zu pflanzen und zu pflegen. Zum Kleckern ist es meiner Meinung nach zu spät, und die nötigen internationalen Gelder in Milliardenhöhe sollten als lohnende Investition in die Zukunft der Menschheit gesehen werden. Aber auch vor der eigenen Haustüre gibt es viel zu tun, und wer es sich als reiches Land leisten kann – und internationale Verträge unter anderem zum Klimaschutz unterschrieben hat – sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Willen, Ideen und ausreichenden Mitteln zum Wandel hin zur Nachhaltigkeit.
Was genau muss sich denn alles in der Landwirtschaft, in der Industrie und bei der Energiegewinnung ändern?
Gifte gehören vom Acker, aus der Luft und aus dem Wasser. Einsatz von Kunstdünger muss reduziert, Gülle sinnvoll verwendet anstatt verklappt und Massentierhaltung zurückgefahren werden. In der Industrie muss ressourcenschonend und umweltverträglich produziert werden, Energie muss aus regenerativen Quellen stammen, aber nicht aus essbarer Pflanzenmasse. Zusätzlich muss volle ökosoziale Transparenz für Verbraucher hergestellt werden. Ich sehe keine Alternative zum Primat der Nachhaltigkeit, und mittel- bis langfristig macht sich die Umstellung wohl auch bezahlt. Kurzfristig aber bedeutet der Wandel höheren Aufwand und Kosten für bessere Produkte und Umweltleistungen und damit höhere Preise. Hier muss die Politik helfen.
Wie genau sollte die Politik gegen die Biokalypse vorgehen?
Indem Agrarförderungen ab sofort nicht mehr überwiegend nach Fläche, sondern nach Nutzen für Natur und Gemeinwohl gewährt wird. Indem aberwitzig viele Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen allein in Deutschland ab sofort für die Förderung umweltfreundlicher Verfahren und Produkte verwendet werden. Indem CO₂-Emissionen ab sofort einen hohen Preis bekommen. Und sukzessive müssen meiner Ansicht nach auch Schäden an Natur, Gesundheit und Sozialsystemen in Produkte und Dienstleistungen eingepreist werden. Ökosoziale Ziele müssen formuliert und Bonus-Malus-Systeme eingeführt werden: Wer nachhaltig konsumiert oder produziert, wird mit dem Geld belohnt, das Umwelt- und Sozialsünder bezahlen müssen.
Klingt einfach und logisch, nicht wahr? Gibt es ansatzweise auch schon in einigen Ländern. Ist aber derzeit bei uns und auch global kaum mehrheitsfähig, also muss sich in den Köpfen, Medien und Meinungen was ändern: Artenforschung und Umweltbildung müssen Priorität bekommen! Wir brauchen schleunigst eine globale Arteninventur, am besten gleich noch mit Sequenzierung aller Erbeigenschaften aller Organismen, bevor sie für immer aussterben. Seit das Insektensterben ein Thema ist, werden wir Forscher ständig nach genauen Zahlen und Beweisen gefragt. Daten, die wir allzu gerne in den letzten Jahrzehnten erhoben hätten, aber aufgrund mangelnder Forschungsgelder und Ablehnung seitens der Förderer nicht erheben konnten. Was wir wissen, reicht aber für teils dramatische Warnungen und Aufrufe an die Menschheit: Bald müssen zehn bis elf Milliarden Menschen ernährt und versorgt werden, trotz des Klimawandels und der Abnahme der landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit; ohne faire und nachhaltige Wirtschaft und Politik funktioniert das nicht; ohne rücksichtslose industrielle Landwirtschaft, kurzfristige Gewinnmaximierung zum Schaden der Umwelt und der Allgemeinheit und kurzsichtige Lobbypolitik sehr wohl. Artenschutz muss cool werden. Ungespritzte Äpfel müssen normal werden. Güter gehören auf die Schiene. Umweltschmutz muss konsequent bestraft und beendet werden. Denn Naturschutz ist Menschenschutz. Ökonomie, Ökologie und Soziales gehören zusammen; das eine ohne die anderen klappt nicht.
Weder Arme noch Reiche, weder Mensch noch Tier noch Pflanze haben eine Zukunft, wenn alles stirbt, und das passiert gerade, überall und sehr rasch. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Jeder Einzelne kann beim nötigen Gesinnungs- und Gesellschaftswandel helfen. Also, auf geht’s!
Was sollte jeder Einzelne von uns konkret tun?
Da gibt es eine ganze Menge! Eine lange Liste mit größtenteils selbst erprobten Maßnahmen finden Sie im Vorgänger-Buch „Biodiversitot" (www.biodiversitot.de). Prinzipiell gilt „reduce, reuse, recycle", also generell Konsum und Verbrauch reduzieren. Waren so lange wie möglich benutzen und reparieren, und Reste am besten stofflich recyclen. Mülltrennen allein reicht definitiv nicht! Wichtig und sofort und ohne große Kosten umsetzbar sind folgende Punkte:
Sofort auf Ökostrom und gegebenenfalls Ökogas umstellen. Bei Anbietern, die regenerative Energien fördern.
Flüge vermeiden. Zumindest nie mehr „ohne" fliegen! Flüge sind extrem umweltschädlich und sollten grundsätzlich CO₂-kompensiert werden.
Wann immer möglich Bio-Qualität kaufen! Das erspart synthetische Pestizide und Kunstdünger, also Insekten- und Klimakiller. Regionale und saisonale Ware bevorzugen.
Genüsslicher Sonntagsbraten statt täglich Riesenschnitzel. Wenn wir bald einmal zehn bis elf Milliarden Menschen ernähren wollen, ohne unsere Rest-Wälder abzuholzen und damit Arten- und Klimaschutz zu torpedieren, müssen wir auf viel mehr pflanzliche Nahrung umsteigen. Der wöchentliche „Veggie-Day" war ein Schreckgespenst aus einer glücklichen Vergangenheit; in Zukunft wird es wohl eher auf einen „Animal-Day" pro Woche rauslaufen, wenn überhaupt. Lebensmittel verschwenden geht natürlich auch gar nicht.
Wir haben nun mal nur einen Planeten mit endlichen Flächen und Ressourcen, doch die reichen jetzt schon nicht mehr. Ihr Verbrauch steigt stetig weiter, wir leben auf Pump und befeuern damit die Erderwärmung und den Artenschwund. Der ökologische Fußabdruck ist ein ungefähres Maß dafür, wie viele Planeten man bräuchte, wenn alle Erdenbewohner ihren Lebensstandard hätten. Berechnen Sie also zunächst Ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck. Etwa auf www.fussabdruck.de. Sie werden staunen.
Sie haben die Macht, sich zu ändern – und auch Ihren Einflussbereich. Sehr wichtig: Gewinnen Sie Mut und Kontrolle zurück. Erleben Sie sich nicht mehr als hilflos im großen Spiel, sondern als selbstbestimmt und wirksam: Entziehen Sie denen Ihre Sympathie und Ihr Geld, die der Umwelt schaden, und geben Sie es denen, die der Natur helfen. Und machen Sie Druck, in Ihrer Umgebung, politisch. Unterstützen Sie Petitionen (www.change.org/artensterben), Initiativen, Umweltorganisationen, Volksbegehren. Und Ihre Kinder, wenn sie sich für „Fridays for Future" engagieren. Denn sie haben Recht, sage nicht nur ich, sondern sagen bis heute schon 23.000 deutschsprachige Wissenschaftler von „Scientists for Future".
Wie kann man insbesondere dem Insektensterben entgegenwirken?
Bio-Qualität kaufen, denn Pestizide und Düngemittel sind maßgebliche Insektenkiller. Fleischkonsum reduzieren, Vegetarisches und insbesondere Veganes bevorzugen, saisonal und aus der Region. Wildnis im Garten oder auf dem Balkon wagen, gerne auch standortgetreue Blühmischungen mit vielen mehrjährigen Stauden streuen und sich an dem freuen, was sich an summendem und brummendem Leben einfindet. Wiesen selten und spät im Jahr mähen. Auf Dünger und Spritzmittel verzichten, auch dies durch gutes Vorbild und mit sanftem Druck im Nachbarn- und Bekanntenkreis durchsetzen. Geduldig und nicht allzu missionarisch auch mit Haus-, Park- und Gemeindeverwaltungen reden: Öffentliche Grünflächen müssen und können mit etwas mehr gutem Willen erhalten, reicher strukturiert, vielfältiger und natürlicher gestaltet werden. Pestizide sollten tabu sein, Beton-, Pflaster- und Kieswüsten auch. Aber wie wäre es mit Dachbegrünungen, gemeinschaftlichen Gartenbeeten – und warum pflanzen Sie nicht irgendwo ein Apfelbäumchen?
Interessieren sich denn heute wesentlich weniger Menschen als früher für Tiere und Natur? Warum ist das so? Woher kommt diese Gleichgültigkeit?
Das fragte ich mich oft. Viele Leute sind gern draußen, Katzenvideos kommen gut an, Naturdokus in anderen Altersstufen auch, Haustiere und Zimmerpflanzen sowieso, doch die Beziehung zur echten Welt oder zumindest zur Natur scheint verloren zu gehen. Wir gewöhnen uns an monotone und zugepflasterte Gärten oder kennen es gar nicht mehr vielfältig und bunt. Wir halten Forst für Wald, Rasen für Wiese, und glauben noch, dass „Land" auch Natur bedeutet, was schon längst nicht mehr der Fall ist. Wir leben hektisch und gestresst und gönnen uns Auszeiten: Wer erholt sich schon gerne am Mittelmeerstrand oder auf dem Sonnendeck und fragt sich, wohin die Abwässer fließen, wo der Müll landet und ob es noch Fische gibt? Wir gefallen uns beim Fernökotourismus und bei „Natur"-Sportarten, womit wir entweder falsch liegen oder letzte naturnahe Bereiche nutzen und oft genug deren Bewohner stören. In unserer technisierten Welt haben Unkraut, Wildwuchs und lästiges Getier keinen Platz, das Wunder des Lebens und natürliche Schönheit wenig Stellenwert. An Schulen und Universitäten geht es längst nicht mehr um Artenkenntnis und Naturschutz, denn Karrieren und Jobs gibt’s anderswo.
Erstaunlich viele Menschen wissen tatsächlich noch nicht, wie übel es um Klima und Natur und unsere eigene Zukunft steht, andere wollen davon nichts wissen. Von Kommerz, Medien und Werbung geprägt erscheinen nötige Veränderungen schnell bedrohlich, einseitige Abrüstung in Sachen Ansprüche, Statussymbole und Hamsterrad absurd. Appelle an die kollektive Vernunft und ökologisch allzu korrekte Wesen stellen Systeme und Lebensentwürfe infrage, aktivieren Abwehr („naive Ökospinner", „Moralapostel", „Gutmenschen") und schlechtes Gewissen. So verdrängen wir aus Selbstschutz, reden uns Undinge schön, lenken uns ab. „Ich kann doch eh nichts ändern, warum sich dann anstrengen / einschränken / exponieren?", heißt die Devise. Und wenn genug andere so denken, stimmt das ja auch. Verständlich, aber wenig zukunftsfähig: Es ist noch nicht zu spät, aber je länger wir zögern, desto teurer und unwahrscheinlicher wird die Weltrettung.
Diese ungute Haltung der anderen, und es sind ja meistens die anderen, scheint sich nun zu ändern. Immer mehr Menschen verstehen, dass wir uns gemeinsam für Natur und Umwelt engagieren müssen, in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft. Aus meiner Sicht ist es absolut sinnvoll und zielführend, das Gute und Richtige zu wollen, danach zu handeln und an den Erfolg zu glauben – einen positiven Kipppunkt „globaler Sinneswandel". Das Rekord-Volksbegehren „Rettet die Bienen / Artenvielfalt" in Bayern macht Mut!