Die von Verkehrsminister Andreas Scheuer eingesetzte Verkehrskommission sollte die Grundlagen der Verkehrswende in Deutschland schaffen. Jetzt liegt ein Zwischenbericht vor. Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des Umweltverbandes BUND, kann diesen nicht mittragen.
Herr Hilgenberg, die Arbeit der Verkehrskommission ist ja fürs Erste erledigt. Was haben Sie denn für die Umwelt erreicht?
Also die Arbeit ist eigentlich noch nicht zu Ende, denn wir haben ja lediglich einen Zwischenbericht zur Einhaltung der Klimaziele im Verkehr 2030 vorgelegt. Einen Abschlussbericht haben wir bislang nicht geschafft. Und dieser Zwischenbericht wird von den Umweltverbänden, also auch von uns, vom BUND, zudem nicht mitgetragen. Und das liegt einfach daran, dass wir den Auftrag nicht erfüllt haben. Bis 2030 müssen die CO2-Emmissionen um mindestens 40, besser 42 Prozent sinken. Dieses Ziel wurde für jeglichen Verkehr in Deutschland genannt, also für Straße, Schiene, Schifffahrt und beim nationalen Flugverkehr. Dieses Ziel ist erreichbar, aber über das Wie wurden wir uns nicht einig.
Warum haben Sie Zweifel, dass bis 2030 der CO2-Ausstoß um mindestens 40 Prozent bei den Verkehren gesenkt werden kann?
Wir haben keinen Zweifel, dass das Ziel erreichbar ist. Aber dafür bedarf es merklicher Veränderungen in allen Bereichen des Verkehrs. Den Traum von Teilen der Industrie, einfach herkömmliche Treibstoffe durch sogenannte Biokraftstoffe oder gar synthetische Kraftstoffe zu ersetzten, wird so nicht aufgehen. Da wiederholt man einen Fehler, der leider auch oft bei der Betrachtung von E-Autos gemacht wird.
Industrie und Politik machen es sich da sehr einfach, wenn sie sagen, Biosprit und Elektromobilität erzeugen bei der Fortbewegung kein CO2 und sind damit gut für die Umwelt. Wir als Umweltverband wollen grundsätzlich weniger Autos und dafür mehr ÖPNV und mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Zudem müssen die Autos kleiner, leichter und ressourcensparender werden. Das ist aber leider nicht der Ansatz der Industrie und schon gar nicht von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.
Was spricht denn gegen Elektromobilität und Biosprit?
Es ist ja ein Irrglaube, dass die beiden Energieträger nun restlos CO2-neutral wären. Denn bei der Herstellung entsteht ja trotzdem CO2. Auch die Herstellung der Fahrzeuge an sich schädigt ja die Umwelt. Und beim Bio-Kraftstoff darf man eines nicht vergessen, auch hier ist der Rohstoff endlich. Den Rohstoff müssen wir importieren, und der fehlt dann wiederum woanders. Wir importieren jetzt schon drei Viertel der Rohstoffe für Biosprit, also die Ressourcen sind schon jetzt mehr als begrenzt. Zudem kann Biomasse aus Sicht des BUND klimaeffizienter in anderen Sektoren wie beispielsweise der Industrie eingesetzt werden.
Aber auch die Fokussierung auf die Elektromobilität hilft der Umwelt wenig und ist eher politische Augenwischerei?
Das ist ja das Lieblingsprojekt der Politik, doch will man tatsächlich was Gutes für die Umwelt tun, dann ist auch hier weniger deutlich mehr. Also: sehr viel kleinere Fahrzeuge, die dem tatsächlichen Nutzungsverhalten der Verbraucher entsprechen. Es macht keinen Sinn, die meiste Zeit allein in einem riesigen SUV zu sitzen. Auch wenn dieser einen Elek-troantrieb hat, verbraucht er in der Größe viel mehr Energie als eigentlich notwendig, um von A nach B zu gelangen. Da brauchen wir ein völliges Umdenken auch bei der Elektromobilität ...
… denn Elektromobilität ist weit mehr, als nur ein eigenes Auto …
… ganz genau. Elektromobilität ist die Straßenbahn, S- und U-Bahnen und der Oberleitungsbus, der leider aktuell hierzulande nur selten anzutreffen ist. Das ist aber vor allem auch die Schiene im Fernverkehr. Denn diese umweltschonende Fortbewegung steht uns ja längst zur Verfügung, geht nur leider immer etwas unter. Auch bei der Bahn muss eine Menge passieren, da müssen stillgelegte Strecken reaktiviert werden, da müssen der Service und die Zuverlässigkeit besser werden. Aber wir verfügen doch längst über ein bundesweites Elektromobilitätsangebot. Gut, am Endbahnhof, zum Beispiel in Mecklenburg oder im Bayerischen Wald, müssen sie dann vermutlich noch für die letzten Kilometer auf ein anderes Fahrzeug umsteigen, aber bis kurz vor dem Ziel geht das in der Regel gut mit der Bahn.
Also müssen wir uns vom Individualverkehr verabschieden?
Nein, das werden wir nicht hinbekommen, und das ist ja auch nicht unser Ziel. Wir müssen Verkehr verändern, neu denken und vor allem wegkommen vom reinen Auto-Denken. Schauen Sie sich unsere Innenstädte an, das hat doch mit Individualverkehr schon lange nichts mehr zu tun. Die Menschen kommen doch nicht mehr wirklich schnell voran, sondern brauchen mit dem Auto erheblich länger für die gleiche Strecke als zum Beispiel mit dem Fahrrad.
Ist es politisch eigentlich einsam um den BUND geworden? Selbst die Grünen sind ja bei ihren Forderungen zur Verkehrswende sehr zurückhaltend geworden?
Ach nein, es ist nicht einsam um uns geworden. Es sind in letzter Zeit sehr viele Initiativen auf den Plan getreten, die doch recht deckungsgleich mit uns für unsere Ziele eintreten. Also, wir stehen nicht allein. Und auch in fast allen Parteien gibt es Menschen, die unsere Ansichten teilen.
Aber ein Verbot von SUVs in den Innenstädten wäre doch schon mal eine Ansage?
Wir haben uns damit auch schon beschäftigt und sind da ganz schnell an die Grenzen bei der Definition gestoßen. Es gibt kleine SUV, dann gibt es Fahrzeuge, die als Geländewagen eingestuft werden. Übers Gewicht ist es auch nicht ganz so einfach, dann wären kleine Lieferwagen auch betroffen. Ein Weg wäre eine CO2-abhängige City-Maut, aber damit würde man sich sicher nicht viel Freunde in den Städten machen. Und ich wüsste auch keine Partei, die das auf Bundesebene momentan offensiv fordert.
Wie geht es denn nun mit der Verkehrswende der großen Koalition weiter?
Offiziell soll es nach Ostern in der AG1 weitergehen, denn es gibt ja bislang nur einen Zwischenbericht und nun wollen und sollen wir ja noch einen Abschlussbericht fertigstellen. Ob es dazu allerdings kommt, ist eher ungewiss, denn Verkehrsminister Scheuer hat sich ja schon weitestgehend festgelegt. Aber offiziell hat die NPM (Nationale Plattform Zukunft der Mobilität) ja ohnehin vor allem eine beratende Funktion.
Also die Verkehrswende findet eher nicht statt?
Doch, ich glaube schon, dass die Verkehrswende kommen wird, in Teilen stecken wir ja schon mittendrin. Sie geht aber eher nicht von der aktuellen Bundesregierung aus, sondern es ist eine Verkehrswende von unten. Das heißt, in den Gemeinden und vor allem in den Städten gibt es ein Umdenken. Da werden verstärkt Fußgängerzonen eingerichtet, da werden verkehrsberuhigte Zonen und Fahrradstreifen eingerichtet. Noch lange nicht genug, aber der Anfang ist vielerorts gemacht. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht länger akzeptieren, dass zwar in einer Straße kein Fahrradweg vorhanden ist, dort aber 100 Autos kostenlos parken dürfen. Das wird die Verkehrswende voranbringen.