Das Hirschberger Tal in Niederschlesien in Polen ist eine der schlösserreichsten Gegenden Europas. Einige der inzwischen aufwendig restaurierten Schlösser, Burgen und Herrenhäuser wurden in Hotels umgewandelt. Dort kann man nicht nur fürstlich übernachten, sondern auch engagierte Schlossherren kennenlernen.
Eher wie eine mittelalterliche Burg wirkt Schloss Karpniki (Fischbach) – mit hohem Turm, Wassergraben und zwei Kanonen vor dem mächtigen Eingangstor. 1822 kaufte Prinz Wilhelm von Preußen die sagenumwobene Tempelritterburg. Schloss Fischbach entwickelte sich damals während des Sommers zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Das Hirschberger Tal wurde in ganz Europa bekannt. Alle kamen, Alexander von Humboldt ebenso wie der Zar von Russland. Fast 200 Jahre später entschied sich Jacek Masior, ein polnischer Bauunternehmer mit einem Faible für historische Architektur, das mächtige Gebäude zu kaufen, zu renovieren und 2014 als Hotel zu eröffnen. „Endlich hatte mein Vater Platz für seine jahrelang gesammelten Antiquitäten", schmunzelt sein Sohn Wojciech Masior.
Der 40-Jährige leitet das Schlosshotel und wohnt selbst im Gemäuer. Er zeigt die herrschaftlichen Räume, in welchen sich Prinzen und Prinzessinnen königlich amüsierten, wie im „Blauen Zimmer" mit gotischem Gewölbe und Sternen an den Decken oder im „Roten Salon" mit den großen Ganzkörpergemälden der deutschen Kaiser Wilhelm I. und II. Die Hotelzimmer sind edel ausgestattet.
Kein Schloss ohne Park: Der Landschaftsgarten von Fischbach ist fünf Hektar groß und wurde ursprünglich vom königlichen Gartenbauarchitekten Josef Lenné gestaltet, ein Star seiner Zeit und seines Metiers. Das Ensemble mit künstlichen Ruinen, Skulpturen und dem Mariannen-Cottage bildete das „schlesische Elysium". Wie damals die adligen Gäste sollen die Besucher von heute dort Ruhe und Erholung im Grünen finden.
Das Hirschberger Tal war im 19. Jahrhundert der Ort der Sommerfrische für den preußischen Adel. Die preußische Königsfamilie besaß in Niederschlesien gleich mehrere Sommerresidenzen. Eines haben die Schlösser, so unterschiedlich sie auch sein mögen, fast alle gemeinsam: den Blick auf die Schneekoppe. Sie überragt alle Gipfel des Riesengebirges. Auf dem legendären Berg soll man Gott besonders nahe sein. Diesem Ruf erlag selbst Goethe.
Elisabeth von Küster ist eine Schlossherrin, wie man sie nicht unbedingt erwartet. Gerade hat sie beim Rosenpflanzen noch selbst Hand angelegt, die Handwerker in ihrem barocken Schloss Lomnica (Lomnitz) angewiesen, danach mit den Gärtnerinnen des Küchengartens die Auswahl alter Gemüsesorten besprochen und schließlich neue Gäste in ihrem Schlosshotel begrüßt. Bei allem verliert sie nie die Ruhe. Mit einem Lächeln bewältigt die schlanke Frau ihr Tagesprogramm.
Die Vorfahren ihres Mannes, die Familie von Küster, besaß Schloss Lomnitz von 1835 bis 1945. Niederschlesien wurde nach dem Zweiten Weltkrieg größtenteils Polen zugeschlagen und die ehemaligen Schlossbesitzer enteignet. Nach der Wende beschloss das damals junge Paar von Küster, die zwischenzeitlich verfallene Schlossanlage entgegen dem Rat der Familie zurückzukaufen.
„Dreimal war der Alte Fritz bei meiner Urgroßmutter zu Besuch"
„Wir waren Anfang der 90er-Jahre die ersten Deutschen hier", erzählt Elisabeth von Küster, Jahrgang 1971, deren Ehemann als Richter in Görlitz arbeitet. Doch die anfänglichen Ressentiments haben sich in Anerkennung verwandelt. Über die Jahre ist die schön komponierte Schlossanlage wieder zum Leben erweckt worden.
Die Familie hat den von Josef Lenné und Fürst Pückler geplanten Englischen Landschaftspark rund um das Schloss mit viel Mühe wiederhergestellt. Und im ummauerten Küchengarten sprießen wieder Kräuter und Gemüse.
Das barocke Hauptschloss verwandelten die von Küsters in ein Museum und das großzügige „Witwenschloss" von 1803 gleich daneben in ein charmantes Hotel. Quasi nebenbei hat Frau von Küster während dieser Zeit des Wiederaufbaus fünf Kinder geboren.
Im Hotel genießt der Gast historische Wohnkultur mit modernem Komfort. Die Zimmer wurden mit Antiquitäten ausgestattet, denn in keinem Schloss in Niederschlesien ist das originale Mobiliar erhalten. Die feine Beletage präsentiert sich als heller, luftiger und großzügiger Frühstückssalon, in welchem der Kaffee noch in edlen Porzellankannen serviert wird.
„Ich bin ein Denkmal-Fan", gesteht Elisabeth von Küster. Das möchte man der gebürtigen Potsdamerin gerne glauben. Mit Schloss Lomnitz lebt sie diese Leidenschaft voll aus – zum Vergnügen ihrer Gäste. Längst sind diese nicht mehr nur nostalgische Schlesien-Schwärmer, sondern einfach natur- und landschaftsinteressierte Schlösser- und Gartenfans.
Schnurgerade führt der mit Blumenrabatten gesäumte Weg vom Parktor bis zum stattlichen Barockgebäude vom nahe gelegenen Schloss Pakoszów (Wernersdorf). Seit 2004 haben Hagen und Ingrid Hartmann in jahrelanger Arbeit aus dem verfallenen Gebäude ein Schlosshotel mit 23 elegant möblierten Zimmern gemacht. Warum? Alte Familienbande.
„Meine Vorfahren bewohnten das Haus", erklärt Hagen Hartmann. „Dreimal war der Alte Fritz bei meiner Urgroßmutter zu Besuch." Der in Breslau geborene Nephrologe (Nierenarzt) verspürte eine innere Verbundenheit. Diese Motivation ließ die Hartmanns zu „Teilzeit-Schlossherren" werden. Auch mit 77 Jahren pendelt das Ärztepaar immer noch zwischen dem Saarland und Wernersdorf hin und her.
Stolz zeigt Hagen Hartmann den renovierten großen Ballsaal mit seinen farbigen Deckenfresken. Ein absolutes Highlight ist das sogenannte Kachelstübchen, ein Zimmer mit 1.000 handbemalten Kachel-Unikaten aus dem holländischen Delft an den Wänden. Wie durch ein Wunder hat das Delfter Zimmer die Zeiten von Krieg und Stalinismus überstanden.
Im wirtschaftlich florierenden Niederschlesien investierten nicht nur Fürsten und Könige, sondern auch wohlhabende Kaufleute in Herrenhäuser. Die „Schleierherren" verdienten mit dem sogenannten Schleierleinen oft mehr Geld als der ansässige Adel. Im Erdgeschoss von Schloss Wernersdorf, wo früher Arbeiter Leinen bleichten, werden heute den Gästen des Gourmetrestaurants anspruchsvolle Köstlichkeiten serviert.
Auch im Landschaftsgarten von Schloss Staniszów (Stonsdorf) ist die Sichtachse auf die Schneekoppe wieder freigelegt. „Insgesamt 40 Bäume mussten wir dafür entfernen", sagt Waclaw Dzida. „An anderen Stellen pflanzen wir viel." Der Schlossbesitzer spaziert schon am frühen Morgen mit seinem Hund durch den Landschaftspark. Natürlich gestaltet wirkt er mit seinen geschwungenen Wegen, alten Eichen, Rotbuchen, Fischteichen und dem Hügel. Zwischen riesenhaften Felsformationen wachsen unter Bäumen Heidelbeeren. „Die sammeln wir für den ‚Stonsdorfer‘, unseren berühmten Kräuterschnaps", erläutert Waclaw Dzida weiter.
Gästezimmer mit Antiquitäten ausgestattet
Beim Fahrradfahren hatte der Hotelier das spätbarocke Schloss zufällig entdeckt. Oder war es Fügung? Nach jahrelangem Leerstand zeigte sich das Herrenhaus völlig verwahrlost. „Die Zeit des Kommunismus war eine Katastrophe für solche Häuser", meint der Pole in ausgezeichnetem Deutsch. Dzida hat sich trotzdem verliebt und die Schlossanlage 2001 gekauft.
Bei der Renovierung ließ er äußerste Sorgfalt walten. „Wir versuchten, möglichst nah an das Original heranzukommen und dem ehemaligen Fürstensitz seine Pracht wieder zurückzugeben." Längst sind die Holztäfelungen von Ölfarbe befreit, die Parkettfußböden restauriert, Stuckaturen an Kaminen, Decken und Wänden freigelegt und Wandfresken entdeckt.
Von Anfang an war der Plan, aus dem Adelssitz in idyllischer Lage ein individuelles Hotel zu erschaffen. Um die Innenausstattung hat sich Dzidas Ehefrau Agata gekümmert. Sie kennt sich aus. Die Kunsthistorikerin hat über deutsche Kunst in Niederschlesien promoviert. Agata Rome-Dzida führt auch die Kunst- und Möbelgalerie auf dem Schlossgelände.
Die Gästezimmer und Flure im Schloss sind mit Antiquitäten ausgestattet, die Wände mit edlen Tapeten mit historisch anmutenden Mustern. Die lassen die Dzidas eigens in Frankreich drucken. Das Resultat: eine stilvolle Atmosphäre zum Wohlfühlen mit Schlossherren-Feeling.
Erholung finden auch die Gäste im Hotel auf Schloss Uroczysko 7 Stawów (Zu den sieben Teichen) in Gola Dzierżoniowska (Guhlau), ein Stück hinter dem Hirschberger Tal in Richtung Breslau. Warum? Der abgeschiedenen Lage, des luxuriösen Ambientes und der Umgebung aus naturbelassenen Wäldern wegen. Schon die Einfahrt in das gepflegte Gelände strahlt Ruhe aus. Da geht es vorbei an modern angelegten Beeten zum Schlossgebäude aus der Renaissance. „Es war mein Jugendtraum, ein Schloss zu besitzen", sagt Marek Gendaj auf Deutsch. Der polnische Unternehmer, der lange im Ausland arbeitete, musste zwölf Jahre lang für diesen Traum renovieren. Bäume wuchsen aus dem Gebäude, als er es kaufte. Bei der Sanierung ist ihm die Kombination „außen historisch – innen modern" gelungen. Kunstwerke polnischer Künstler schmücken die Flure und den Garten. Auch in diesem Schloss ist die Kunst Sache der Ehefrau. Wie praktisch, dass Anna Gendaj in Wroclaw (Breslau) eine Galerie führt. Gern essen die beiden selbst im haubengekrönten Hotelrestaurant. „Wir sind das erste Restaurant in Polen, das eine eigene vegane Küche hat", berichtet Anna Gendaj und nippt an ihrem Bio-Apfelsaft. Der wird auf dem Gut des Schlosses selbst hergestellt.
Die Schlosshotels in Niederschlesien eint ihre gemeinsame Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Schritt ins Heute könnte jedoch nicht unterschiedlicher ausfallen. Schön für den Gast, der die Vielfalt liebt.