Guck mal Ku’damm: Berlins Boulevard boomt wieder, hohe Summen wurden in schicke Geschäfte und edle Hotels investiert. Kulturfreaks ziehen zur Museumsinsel – vollgepackt mit Kunst von Weltrang. Mittenmang glitzert die Spree zum Regierungsviertel hin.
Mythos Kurfürstendamm: bis 1883 holpriger Knüppelpfad, den Könige und Kurfürsten nutzten, um vom Berliner Stadtschloss zur Jagd in den Grunewald zu reiten. Otto von Bismarck ließ ihn umbauen, das Vorbild stets im Blick: die Champs-Élysées in Paris. Ein Boulevard mit den prächtigen Villen der Aristokratie und der Bourgeoisie. Heute fließt die 3,5 Kilometer lange Hauptstadtader von der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz bis nach Halensee.
Welch eine Welt! In den 60ern und 70ern unter den grünen Frühlingsspitzen die Stars der Berlinale, Sophia Loren, Alain Delon und Romy Schneider. Die Politischen, Willy Brandt und John F. Kennedy, Rudi Dutschke und die APO hatten ihre Auftritte, die um den Globus gingen.
In den Nach-Wende-90ern zogen Berliner wie Besucher in den Ostteil, in die Friedrichstraße und rund ums Brandenburger Tor, die alte Prachtstraße rückte an den Rand. Heute, konsequent aufpoliert, gewinnt sie an Strahlkraft zurück. Auf den Terrassen der Cafés bleibt kein Stuhl mehr frei, man diskutiert, lacht und flirtet wieder. Das In und Out, Pop-up und Pop-weg, das in Berlin-Mitte die Trendsucher auf die Straßen treibt, ist zwar in Charlottenburg nicht zu spüren, aber der Bezirk boomt – und der Ku’damm gleich mit. Um ihn herum entstanden Prestigeprojekte – Wohnanlagen wie die „Rosengärten", der coole Tower des Hotels „Waldorf Astoria". Hausnummer 193/194, nahe der Schlüterstraße neben Gucci, macht das topsanierte „Retrohaus Cumberland" mit dem „Grosz" Furore. Das Restaurant in atemberaubendem Ambiente erinnert an den großartigen Zeichner und Maler, Karikaturisten und Zeitkritiker.
Was für ein Gefühl – die ersten warmen Sonnenstrahlen in „Bärlin". Überall fröhliche Gesichter und offene Wollmäntel. Für die Flaniermeile braucht’s flinke Füße und gute Turnschuhe. Vom Tauentzien bis zum „Hard Rock Café" schieben sich Touristen an Schaufenstern vorbei, gegenüber dem „Neuen Kranzler" lockt der Alt-Berliner Biersalon und bietet Ku’damm-Gucken aus erster Reihe. Ein paar Schritte weiter die „Astor"-Lounge – stylisch mit Art-déco-Einfluss und Cocktailbar – heißer Tipp für einen launigen Kinoabend. Wo sonst kann man spontan Filmklassiker wie „Casablanca" oder „Frühstück bei Tiffanys" sehen?
Danach wird’s gediegen. Der neue Sound des Westens ist das Türploppen der Luxuskarossen, das Klackern der Stilettos elegant gekleideter Damen auf dem Weg in die Shops von Louis Vuitton, Yves Saint Laurent, Cartier oder Prada zwischen Bleibtreu- und Wielandstraße. Namen, die auf der Zunge zergehen. Feinster Cashmere, funkelnde Diamanten!
6.000 Jahre Menschheitsgeschichte
Kultstatus hat „Bier’s Kudamm 195", die Currywurstbude mit dem Gerhard Schröder-, Boris Becker- und Udo Lindenberg-Nimbus und der Flasche Champagner für schlappe 510 Euro: „Currywurst mit Darm, Sauce extra scharf. Dazu ein Pils." Kenner meinen, die beste Ku’damm-Zeit sei nachts: die Schwärmer umlagern die Wurstbude bis fünf Uhr morgens und um Mitternacht werden die Karossen gezeigt, Porsche aufwärts – dann ist die Meile brechend voll.
Literaten und Schöngeister treffen sich im wunderbaren Wintergarten des „Literaturhauses" an der noblen Fasanenstraße – einer Oase mit Garten im Großstadttrubel. Die Café-Terrasse teilt man sich mittlerweile mit Touristen aus aller Welt. Imre Kertész saß hier, als er vom Literaturnobelpreis erfuhr.
Auf dem Weg dorthin passiert man zahlreiche Galerien, an der Ecke Uhlandstraße das beliebte, französische Kino Cinema Paris, nebenan die „Brasserie", ganz pariserisch mit Flammkuchen und einem Glas Bordeaux. Fischliebhaber gehen einfach über die Straße ins „Gosch", nach dem Motto „Let’s go Sylt Berlin" und bestellen Krabben mit Knofi-Mayo, dazu einen kühlen Chablis – unwiderstehlich. Allerdings kein so gutes Entrée für die arrivierte Galerie von Dieter Brusberg. Der residiert zwei Häuser weiter in einem der prunkvollsten Gebäude am Ku’damm.
Beliebt sind die inhabergeführten Geschäfte, die Off-Ku’damm liegen und den anderen Reiz des Bezirks zeigen: Marga Schoellers Bücherstube in der Knesebeck-, der Spielzeugladen der von Kloedens in der Wieland-, die Weinhandlung Ottenthal in der Kantstraße. Schon immer lebte der Ku’damm auch von seinen Seitenstraßen.
Auch die Budapester Straße am Europa-Center ist „geliftet". Dass in alten Gehäusen ganz neue Ideen blühen können, beweist das „Bikini-Haus" auf jeder Etage. Es bietet Kauffreudigen Labels, die nicht sehr kostbar, aber super angesagt sind. Der schönste After-Shopping-Platz ist die „Monkey Bar" in der zehnten Etage, der perfekte Ort für einen Drink zum Sonnenuntergang. Von der Rooftop-Bar mit der umlaufenden Terrasse hat man dazu noch einen sensationellen Blick auf die Gedächtniskirche, Ku’damm und Zoo. Und am Horizont zeichnet sich bereits das nächste Ziel ab.
Mit Chianti Classico und Bagels im Picknickkorb kann es losgehen zur Museumsinsel: 6.000 Jahre Menschheitsgeschichte auf nur einem Quadratkilometer, Weltkulturerbe! Fünf grandiose Museumsgebäude, entstanden zwischen 1830 bis 1930, Schinkel und Stühler waren die Baumeister. Eine Schatzinsel, neben Rügen und Sylt wohl die berühmteste Insel der Deutschen.
Vom Lustgarten aus betritt man das Ensemble der klassizistischen tempelartigen Bauten, die die Hauptstadt den kunstbeflissenen preußischen Königen verdankt. Auf der grünen Wiese vor dem Alten Museum mit den „Antiken Welten" wurde einst gesät, gejätet, geerntet. Kerbel und andere Kräuter sprossen im Königlichen Küchengarten vor dem Berliner Schloss, das bald als Humboldt-Forum „wiedererstehen" wird.
Von den Fontänen des Brunnens vor dem Berliner Dom geht eine leise Magie aus und geleitet hinüber zur Alten Nationalgalerie, wo ihr Gründer Friedrich Wilhelm IV. in Würde von seinem Sockel blickt. In der blauen Stunde verschwimmen die wuchtigen dunklen Säulen des benachbarten Neuen Museums in morbider Schönheit – drinnen das Lächeln der Nofretete. Streng, minimalistisch, filigran fügt sich die neue James-Simon-Galerie in das Ensemble ein.
Am schönsten ist es an einem lauen Abend auf der Spitze vor dem Bode-Museum, dort wo Mühlgraben und Spree zusammenfließen und die Bouquinisten am Kupfergraben ihre Bücher ausbreiten. Die Mauern des altehrwürdigen Museumsbaus strahlen dann warm im Abendlicht. Beleuchtete Ausflugsdampfer ziehen am Betrachter vorüber, Enten lassen sich von den Wellen wiegen. In der Ferne dreht sich das Logo des Berliner Brecht-Theaters über den Dächern. Zum Ausklang lockt der Szenetreff rund um den Hackeschen Markt.