Die Erste Allgemeine Verunsicherung, kurz EAV, verabschiedet sich nach 40 Jahren vom Publikum mit einem Programm-Mix aus bitterböser Gesellschaftskritik und grenzenlosen Albernheiten. Die Wiener Band um Sänger, Schauspieler und Conférencier Klaus Eberhartinger und Gitarrist und Songschreiber Thomas Spitzer hat in ihrer Heimat mehr Tonträger abgesetzt als die Beatles und Michael Jackson. Der 68-jährige Frontmann im FORUM-Interview.
Herr Eberhartinger, auf Ihrer Abschiedstournee spielen Sie eine zweieinhalbstündige Revue mit Hits wie „Ba-Ba-Banküberfall", „Burli" und „Märchenprinz". Die Rechten sind überall auf dem Vormarsch. Braucht es da nicht dringend eine kritische Band wie die Erste Allgemeine Verunsicherung?
Unsere Hits werden in kleinen Blöcken zusammengefasst, und zwischendurch gibt es auch Songs aus unserem aktuellen Album „Alles ist erlaubt". Als EAV muss man schon auf den ganzen Rechtsruck eingehen, aber von der Bühne herunter wird man es nicht schaffen, die Welt zu verändern oder zu verbessern. Wenn sich der eine oder die andere Zweifelnde überlegt, klare Position zu beziehen, dann ist das schon Unterhaltung mit Haltung. Das war uns immer wichtig trotz Nonsens-Slapstick-Nummern wie „Ba-Ba-Banküberfall" oder „Küss die Hand". Es ist eine schöne, unangestrengte Mischung für das Publikum und kein Bierzeltprogramm.
Wird es unter Umständen eine zweite Abschiedstournee geben?
Nein, wir tragen jetzt die EAV als Projekt zu Grabe. Das Spielen macht bei der Abschiedstournee wieder richtig Spaß. Und der Zuspruch ist so stark, dass viele Konzerte schon ausverkauft sind.
Die Briten sind wegen des geplanten Brexits verunsichert, Dax-Anleger sind verunsichert, die AfD sorgt für Verunsicherung in der deutschen Kulturszene. Was verstehen Sie eigentlich unter „Verunsicherung"?
Wir verstehen uns als Gegenentwurf zu den Versicherungen, die einem einreden wollen, man könne gegen alles versichert sein. Verunsicherung ist, wenn du nicht mehr klar und zielgerichtet planen kannst. Siehe Trump und Putin. Jetzt beginnt wieder ein atomares Wettrüsten. Das hätte man nicht gedacht. Was Friedenszeiten in Europa betrifft, gab es lange keine Verunsicherung, sondern Sicherheit. Das steht jetzt wieder auf dem Spiel. Dazu kommen völlig falsche Entwicklungen in der Gesellschaft. Ich rede von Ökologie und Umweltschutz. Auf der anderen Seite verlangen wir eine billigere Fleischproduktion. Dann darf man sich nicht wundern, dass die Produktion entsprechende Mittel einsetzt, die diesen Billigwahn auch ermöglicht. Das ist ein völlig falscher Weg. Man muss öffentliche Verkehrsnetze ausbauen, dann kann man das abfedern.
Fahren Sie bereits ein Elektroauto?
Ich glaube nicht an die Elektrifizierung. Weil die Herstellung von Batterien und die Stromgewinnung schmutzig sind. Mit der Elektrifizierung werden wir noch viele Probleme kriegen. Auf der anderen Seite sind Dieselfahrverbote absolut richtig, aber was ist mit dem Flug- und dem Hochseeverkehr? Ein Containerschiff hat einen Ausstoß wie eine mittelgroße Stadt. Die Verunsicherung wird steigen.
Mit dem Song „Kurti" thematisierten Sie 1988 die Nazi-Vergangenheit des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Hat Ihr jahrzehntelanges Engagement gegen Rechtsextreme und rechte Gewalt etwas verändert?
Leider hat sich keines unserer Themen erledigt. Wir waren immer schon gegen Neonazis. Heute sind sie fast schon salonfähig. Was sie sich heute erlauben, wäre früher absolut tabu gewesen. Das wird natürlich auch vorgelebt: Die White-Power-Ideologie ist in Europa weit verbreitet. Ausländer haben für die AfD eine Sündenbockfunktion. Diese Angstpartei streut braunes Saatgut aus. Aus Angst wird Wut, aus Wut wird Hass. Die Dummheit ist die Lunte zum Pulverfass.
Wird man als Satiriker bald arbeitslos sein, weil die Wirklichkeit immer mehr zur Realsatire wird?
Heute wirkt vieles wie drastisch überzeichnet, aber das stimmt nicht ganz. Schauen Sie mal nach Amerika. Die ganzen Talkshowmaster müssten eigentlich zu Hause ein Foto von Trump haben mit einer Kerze davor und dem Spruch: „Gott erhalte uns diesen Trottel!" Aber ein Vollidiot ist Trump nicht. Er verfolgt einfach nur rücksichtslos sein Interesse, nämlich Gewinnmaximierung. Seinen Größenwahn hat ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial. Ein Schmierenkomödiant, der Präsident spielt, aber viel Macht besitzt. Putin, der Russland zur alten Größe zurückführen will, ist viel schlauer als Trump. Ein guter russischer Schachspieler. Und die Chinesen haben offensichtlich einen Masterplan für die Weltherrschaft. Sie sichern sich unter anderem in Afrika die Bodenschätze, Geld haben sie ja genug. Diese drei Machtblöcke reiben sich gerade aneinander. Das liegt auch daran, dass man die Zeit des Friedens nicht wirklich genutzt hat. Zu diesem Machtkampf kommt noch die Religion als nützlicher Idiot hinzu. Religion hat nicht von sich aus so viel Macht, aber sie hat die Macht, mobilisieren zu können.
Sind Sie Moralist? Leben Sie Satire als ernsthafte Auseinandersetzung mit unserer Wirklichkeit?
Satire ist unser Stilmittel. Sie ist eine tolle Waffe, um recht gute Aufklärung zu betreiben. Ich bin ein Fan der Fernsehsendung „Die Anstalt". Großartig!
Sie sind in Braunau am Inn aufgewachsen, der Geburtsstadt Adolf Hitlers. Wie war das?
Ich bin am Gymnasium mit Bildern von Konzentrationslagern politisch sozialisiert worden. Ich habe gelernt: Diese Sachen muss man ablehnen. Ein Regime, das so etwas betreibt, ist in jedem Fall abzulehnen. Schon als 15-Jähriger in Braunau bin ich bei Veranstaltungen gegen Rechts aufgetreten. Und auf der Uni bin ich beim Kommunistischen Studentenverband gelandet. Bis heute schätze ich Karl Marx als Sozialökonomen des 19. Jahrhunderts als sehr hoch ein.
Wie hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf die Zeile „Drum brauch’ ma einen wie den Strache, mit dem rechten Sinn fürs Flache" und „Wer bricht da aus dem rechten Unterholz? Werwolfi Strache im Wählerstolz!" reagiert?
Gar nicht. Wahrscheinlich hat man es ihm zugetragen, aber es war ihm scheißegal. Nach meiner Einschätzung wird Strache von Bundeskanzler Kurz instrumentalisiert. Der wiederum ist ein irrsinnig schlauer Kopf. Ein ganz großes politisches Talent. Ich weiß aber nicht genau, wo ich ihn positionieren soll. Sebastian Kurz ist kein Rechtspopulist, er musste sich mit der FPÖ ins Regierungsbett legen, weil keine andere Alternative da war. Das geht auch ganz gut, aber Innenminister Herbert Kickl hat wirklich Ausfälle. Er möchte die Menschenrechte gern so weit überarbeiten, dass man Menschenrechtsverletzungen durch Flüchtlinge ahnden darf. Damit abgelehnte Asylbewerber nicht wieder zurückkommen können.
Wie denken Sie darüber?
Leider sind unter den Geflüchteten nicht nur Diamanten. In einer Situation, in der man sich über einen wirklich guten Integrationsplan Gedanken gemacht
hat, erhöht dies das Aggressionspotenzial speziell bei jungen Ausländern. Unter Geflüchteten hat die Religion noch die Kraft, wie die katholische Kirche sie im Mittelalter gehabt hat. Da werden Gehirne gewaschen. Das ist nicht ungefährlich. Was da in Moscheen so gepredigt wird, gehört genauer überprüft. Ich streite aber nicht ab, dass es genug gemäßigte Muslime gibt.
Mit dem „Salatisten-Mambo" wettern Sie gegen den Vegan-Wahn. Was steht bei Ihrer Abschiedstour auf dem Speiseplan?
„Strache mit dem rechten Sinn fürs Flache" haben wir raus- und dafür die ganze neue Rechte hineingenommen. Aber es ist auch ein Rückblick auf 40 Jahre EAV. Ich werde darüber ein bisschen plaudern. Die Show beginnt und endet in einem Sarg. (lacht) Das macht mir große Freude.
Wird man im Alter milder?
Nein, nein, nein. Man wird nicht schöner und nicht schneller, aber angeblich weiser. Sich mit dem Alter zu arrangieren, heißt nicht, alle Zähne abzugeben, wenn man mal kräftig zubeißen möchte.
Werden Sie als Konzession an die Mode der Zeit auf der Bühne Trachten tragen?
(lacht) Nein, das überlassen wir anderen! Diese vorgetäuschte Authentizität der Trachtentümelei wird komischerweise nie hinterfragt. Für viele ist das Ganze bloß eine Verkleidung. Aber mir persönlich gefällt rein ästhetisch österreichische Tracht gut. Aber echter und kein Trachten-Look. Das ist wie ein Rotwildhirsch, dem gegenüber ein Arschgeweih steht. Im Sommer trage ich ganz gern mal Lederhose, aber die lange schwarze. Die Rock’n’Roller-Tracht.
Wie ist es um die Satire bestellt? Würde ein satirisches Lied wie „Burli" über einen Jungen, der nach einem Akw-GAU mit Mutationen zur Welt kommt, heute noch ein Hit werden?
Das kann ich nicht sagen. Es ist erstaunlich, dass wir dieses Lied schon einmal entsorgen wollten. Aber wir haben es doch noch eine Weile gespielt –
und dann passierte die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. Seitdem ist die Atomkraft nicht vom Energieplan der Welt verschwunden! Rundherum in Europa werden wieder Atomkraftwerke gebaut. In Indien sind sogar 20 neue geplant.
Kann die EAV Menschen in schwierigen Situationen oder chaotischen Zeiten Trost spenden?
EAV ist Seelsorge! Wenn wir einen positiven Effekt auf Menschen haben, dann ist es nicht das Trostspenden, sondern eher das Aufrütteln. Es ist eine Notwendigkeit, aufzustehen und sich jeden Tag aufzulehnen. Der positive Effekt von sozialen Netzwerken ist, sich zu solidarisieren. Ansonsten haben sie bis jetzt viel gesellschaftliches Unheil angerichtet, weil sie der Vereinsamung Vorschub leisten. Ich bin kein Freund von Facebook, aber ich verwende gerne Whatsapp, weil ich viel unterwegs bin.
Sie pendeln zwischen Österreich und Kenia. Wie lebt es sich in Afrika?
Ich habe dort ein eigenes Haus, bin in meiner Umgebung aber auch mit Armut konfrontiert. Ich unterstütze tolle Projekte wie die African Medical Research Foundation und die Flying Doctors, die über HIV aufklären. Ich fühle mich aber nicht verpflichtet, in einer Lehmhütte zu leben. Im Winter ist der Indische Ozean die größte Badewanne der Welt.