Bislang galt Joggen als die Sportart Nummer eins, die die Chance auf ein längeres Leben deutlich erhöht. Neue Studien haben nun aber bewiesen, dass vor allem mit Ballspielen noch wesentlich größere Effekte bezüglich der Lebenserwartung erzielt werden können.
Pro Woche mindestens 150 Minuten moderate Bewegung, beispielsweise zügiges Gehen, oder alternativ 75 Minuten intensiver Sport sind die Richtwerte, die laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Bewahrung von Gesundheit und Fitness eingehalten werden sollten. Die Deutschen scheint das wenig zu interessieren, haben sie sich doch wie die Bürger der meisten einkommensstarken westlichen Nationen zu regelrechten Bewegungsmuffeln entwickelt. Laut der aktuellsten WHO-Studie bewegen sich schon 42,2 Prozent der Bundesbürger viel zu wenig, womit Deutschland im Ländervergleich auf den hinteren Rängen landet, während die Spitzenplätze von afrikanischen Staaten belegt werden. Dieses ernüchternde Ergebnis wurde 2018 von einer Untersuchung der Krankenkasse DKV bestätigt, wonach nur 43 Prozent der rund 2.900 Befragten die Einhaltung der WHO-Richtwerte bestätigen konnten.
Höchste Zeit also, sich aus gesundheitlichen Gründen zu einem Neuanfang aufzuraffen. Sich nach dem bewegungsarmen Büroalltag mal nicht jeden Abend vor die Glotze zu setzen, sondern stattdessen mit sportlichen Aktivitäten zu beginnen. Und da scheint Joggen die naheliegendste Lösung zu sein, schließlich gilt es seit ewigen Zeiten als die Sportart schlechthin, um sich bis ins hohe Alter fit zu halten und dadurch mit etwas Glück auch die Lebenserwartung zu erhöhen. Das hatten diverse wissenschaftliche Untersuchungen in der Vergangenheit bewiesen. Zuletzt etwa besagte eine 2011 im Magazin „Lancet" veröffentlichte Studie, dass regelmäßiges moderates Laufen von 15 Minuten am Tag oder 90 Minuten pro Woche eine Verlängerung der Lebenserwartung um drei Jahre zur Folge haben könne.
Die Deutschen sind Bewegungsmuffel
Doch 2016 hatte eine im Fachmagazin „British Journal of Sports Medicine" veröffentlichte Studie mit mehr als 80.000 teilnehmenden erwachsenen Briten erstmals am Nimbus des Joggens als Patentrezept Nummer eins für ein langes, gesundes Leben rütteln können. Denn die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass all jene, die regelmäßig Tennis, Badminton oder Squash gespielt hatten, ein um 47 Prozent niedrigeres Risiko hatten, im Studienzeitraum vorzeitig zu sterben. Beim Schwimmen lag der Prozentsatz bei 28, bei Aerobic bei 27 und beim Radfahren bei 15 Prozent.
Dass speziell Ballsportarten offenbar regelrechte Wunderwaffen im Kampf für ein längeres Leben sein können, wurde auch von den Ergebnissen einer im Dezember 2018 im Magazin „Mayo Clinic Proceedings" veröffentlichten Studie nochmals untermauert. Die internationalen Verfasser der „Copenhagen City Heart Study" hatten die Lebensdauer von 8.577 gesunden, erwachsenen Dänen in Bezug auf die Sportarten, die sie über einen Zeitraum von 25 Jahren trieben, untersucht. Dafür mussten die Teilnehmer, von denen 4.500 während der Untersuchungsperiode zwischen Ende 1991 und Frühjahr 2017 verstarben, Fragebögen zu ihren sportlichen Aktivitäten ausfüllen und sich regelmäßigen Gesundheitschecks unterziehen. Bei der Auswertung der Ergebnisse hatten die Wissenschaftler zusätzlich noch den Bildungsstand und das Alter der Probanden sowie deren sozioökonomischen Status berücksichtigt. Die Binsenweisheit, dass derjenige, der Sport treibt, länger lebt, wurde natürlich bestätigt. Sprich: Die Dänen, die fast nie trainierten, waren im Vergleich zu den aktiven Teilnehmern früher verstorben. Wesentlich spannender waren dann auch die Resultate, die nahelegten, dass es ganz bestimmte Sportarten gibt, die die Lebenserwartung offenbar ganz deutlich erhöhen können. Absoluter Spitzenreiter ist demnach Tennis, das die Dauer des Lebens im Schnitt um stolze 9,7 Jahre verlängern kann, gefolgt von Badminton mit 6,2 Jahren, Fußball mit 4,7 Jahren, Radfahren mit 3,7 Jahren, Schwimmen mit 3,4 Jahren, Joggen mit 3,2 Jahren und Gymnastik mit 3,1 Jahren.
Soziale Kontakte und kindlicher Spieltrieb
Die Forscher wiesen darauf hin, dass sportliche Aktivitäten im Team womöglich einen zusätzlichen lebensverlängernden Effekt im Vergleich zu Individualsportarten wie Joggen oder Radfahren auslösen können. Soziale Interaktionen scheinen daher in Bezug auf sportliche Betätigung eine nicht unwichtige Rolle zu spielen. „Mit anderen Menschen zu sprechen und zu interagieren", so der US-amerikanische Kardiologe und Mitautor der Studie James H. O’Keefe, „hat wahrscheinlich einzigartige psychologische und physiologische Effekte." O’Keefe weiter: „Für das mentale und physische Wohlbefinden und die Lebensdauer ist unser soziales Netzwerk die wahrscheinlich einzig entscheidende Komponente für ein langes, glückliches Leben."
Dass gerade die Ballsportarten wie Tennis oder Badminton scheinbar so etwas wie einen Jungbrunnen darstellen, erklären die Wissenschaftler damit, dass bei ihnen der auch in jedem Erwachsenen noch vorhandene kindliche Spieltrieb wieder geweckt werde. O’Keefe: „Du kannst zum Beispiel nicht Badminton spielen, ohne dich nicht wieder wie ein Kind zu fühlen. Es ist einfach nur purer Spaß." Zudem mutmaßen die Forscher, dass die kurzen, intensiven Intervalle besonders beim Tennis sehr förderlich für den Körper sein können. Die Wissenschaftler räumen allerdings ein, dass die Spitzenreiter Tennis und Badminton meist von besser situierten Personen betrieben werden, die in der Regel auch gesünder leben und sich bewusster ernähren. Das kann sich natürlich auch positiv auf die Lebenserwartung der Betreffenden auswirken.