Erst zum Ende seines Lebens wurde er populär. Seitdem hat er sich weiter ins literarische Gedächtnis eingeschrieben: Theodor Fontane. Nun wird er 200. Gefeiert wird ein ganzes Jahr, nicht nur in seiner märkischen Geburtsstadt Neuruppin.
Den meisten fällt die Geschichte vom „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" ein, in dessen Garten „ein Birnbaum stand". („Junge, wist’ne Beer?") Viele haben noch vage Erinnerungen an die mehr oder weniger gern gelesene Schullektüre „Effi Briest". Einige entsinnen sich vielleicht an „John Maynard", die spannende Ballade vom Schiffskapitän auf dem Erie-See im Norden Amerikas. Wenige Dichter haben sich wie Theodor Fontane ins kollektive Gedächtnis eingegraben, vergleichbar vielleicht noch mit Heinrich Heine („Loreley") oder Theodor Storm („Der Schimmelreiter").
Doch Fontane war mehr als ein Balladendichter und Autor für Pflichtlektüre. Er war Journalist, Kriegsberichterstatter, Theaterkritiker, Reiseschriftsteller und vor allem Briefeschreiber. Seine schönsten galten seiner Frau Emilie, ohne die er nie zu dem Dichter geworden wäre, der er dann war. Emilie hat jedes seiner Manuskripte – und das müssen Zehntausende Seiten gewesen sein – eigenhändig abgeschrieben und für den Druck vorbereitet, oft unterstützt von Tochter Martha. Sie ist eine der „Frauen Fontanes", über die Autor Robert Rauh geschrieben hat, der sich auch mit den realen Vorbildern einiger Protagonistinnen in Fontane-Romanen und -Erzählungen beschäftigt hat.
Zig Notizbücher voller Beobachtungen
Zum 200. Geburtstag des preußischsten aller deutschen Dichter hat seine Geburtsstadt Neuruppin eine Schau konzipiert, die sich auf die Stimmen, Bilder und Wörter Fontanes konzentriert. „Unsere Leitausstellung zum Jubiläum", sagt Maja Peers-Oeljeschläger, die Leiterin des Museums, „lädt ein, Fontane aus einem anderen, neuen Blickwinkel zu betrachten. Man begegnet seinem kreativen Schaffen. Das ‚Wie‘ steht stärker im Vordergrund als das ‚Was‘." Heike Gfrereis, Literaturwissenschaftlerin und Macherin der Ausstellung, sagt, sie wollte Fontanes Texte aus den Schubladen, in denen sie abgelegt worden sind, wieder herausziehen. Um „zu entdecken, wie modern dieser Schriftsteller ist, der für den Markt arbeitete und Texte von ihrer Programmierbarkeit aus dachte". Seine Romane haben ihre Probe als Fortsetzungsroman bestehen müssen. Die in der Schau ausgestellten 55 Notizbücher, von denen es Hunderte gegeben haben muss, quellen über vor Zeichnungen, Beobachtungen, Listen, Zitaten, die er jeweils für einen Roman, eine Reportage oder einen Brief benutzte. Zuweilen, so schreibt er, arbeite er wie ein „Psychograph", die „grenzenlose Düftelei kommt erst hinterher". Dafür ließ er sich Wörter und Wortkombinationen einfallen, die so plastisch wie einleuchtend sind, etwa „Ängstlichkeitsprovinz" ober „Menschheitsbeglückungsidee" oder „Schwankezustand". 160 davon haben Gfrereis und ihr Team für die Ausstellung gesammelt.
Mit den „Wanderungen" hat er eine ganze Region zum Leben erweckt: die Mark Brandenburg. Wir begeben uns hier auf Fontanes Spuren, paddelnd und auf dem neuen Fontane-Radweg. Doch zuvor versuchen wir auszuloten, wie sein Verhältnis zu Preußen wirklich war: von Nostalgie geprägt, eine enttäuschte Liebe oder doch das Bedürfnis nach Heldenverehrung? War er am Ende ein Konservativer, ein Liberaler oder ein Demokrat? Auf jeden Fall musste er sich durchschlagen, lebte oft an der Kante zum Existenzminium, was auch viele Autoren und Journalisten heute gut nachvollziehen können. Gegen Ende seines Lebens zieht er „Summa Summarum" Bilanz:
Eine kleine Stellung, ein kleiner Orden
(Fast wär ich Hofrat geworden)
Ein bisschen Namen, ein bisschen Ehre,
Eine Tochter geprüft, ein Sohn im Heere,
Mit siebzig ’ne Jubiläumsfeier,
Artikel im Brockhaus und im Meyer
Altpreußischer Durchschnitt.
Summa Summarum
Es dreht sich immer um Lirum Larum
Um Lirum Larum Löffelstiel
Alles in allem – es war nicht viel.