Wiesen und Wälder, Seen, alte Parks, Schlösser, Städtchen oder idyllische Waldschänken: Die Routen des neuen Netzes „Fontane.Rad" durch die Mark Brandenburg bieten all das und noch viel mehr. Ganz gemütlich oder sportlich, auf insgesamt 600 Kilometern – und auch als kleine Zeitreise.
Ein kühler Frühlingstag, dicke Wolken ziehen übers Havelland westlich von Berlin. Eigentlich nicht gerade das ideale Wetter für eine ausgedehnte Radtour, aber sei’s drum, die Neugier lockt: Monatelang haben Tourismusvereine, Gemeinden und regionale Aktionsgruppen an der Ausarbeitung des Routennetzes gearbeitet, das Anfang Mai unter dem Titel „Fontane.Rad" offiziell in Betrieb genommen wird. Platz zum In-die-Pedale-Treten bietet die Tour auf den Spuren des märkischen Schriftstellers allemal: 600 Kilometer sind insgesamt zu erkunden, unterteilt in eine etwa 300 Kilometer lange Hauptroute und sieben Tagestouren sowie eine Stadtroute durch Fontanes Geburtsstadt Neuruppin. Ausgetüftelt hat die Strecken ein Planungsteam gemeinsam mit vielen Akteuren aus den verschiedenen „Fontane-Regionen" wie dem Ruppiner Seenland und dem Havelland. Dabei ging es ja nicht nur um die Wegeführung der verschiedenen Routen, sondern auch um mögliche Einstiegsorte für all diejenigen, die mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen. Der Clou: Dutzende von Infostelen, die einem vor Ort den Autoren Fontane, seine Biografie näherbringen. Dazu natürlich all jene Orte, die in seinen Romanen, Erzählungen oder auch den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" Erwähnung fanden.
Einer der Fontane-Orte schlechthin ist Ribbeck im Havelland, auch wenn der Dichter, so sagt es Axel Koziol von der Alten Schule in Ribbeck, wohl nie hier gewesen ist. Allein das bekannte Gedicht von „Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" lockt nicht erst seit der Wende Zehntausende Besucher in das Dörfchen an der Bundesstraße 5. Kein Wunder also, dass die Infostele am Ortsausgang, da, wo der Radweg weiter Richtung Paulinenaue führt, auch auf die berühmten Zeilen eingeht. Und klar auch, dass man hier – gerade im Fontane-Jubiläumsjahr – eine Vielzahl von Veranstaltungen organisiert hat, schließlich rechnet man in den kommenden Monaten mit besonders vielen Gästen. So wird im Schloss Ribbeck, dem im neubarocken Stil gebauten Sitz „derer von Ribbeck", am 1. Mai ein neues Fontane-Museum mit vielen interaktiven Elementen eröffnet.
Tour 1: Von Rheinsberg nach Molchow
Eine Raum-Musikinstallation in mehreren kleinen Häusern und auf dem Dorfplatz von Ribbeck schafft Begegnungsräume mit den Orten, den Menschen, der Zeit Fontanes. Dinnerabende im Schloss führen kulinarisch und literarisch ins 19. Jahrhundert zurück, und Ende September wird zu „Fontanes Birnenfest" eingeladen. Dazu gibt es eine breite Palette an geführten Touren durch das historische Dorfensemble und zum Birnbaum – von der szenischen Lesung bis hin zu Axel Koziols Marionettenvorstellung. „Wir haben ein bisschen in den Archiven gestöbert", sagt Koziol, der die Alte Schule als Café und Veranstaltungsort betreibt. „Und sind dabei auf einen Schulmeister Kusserow gestoßen, der wohl zu Fontanes Zeiten in Ribbeck gelebt hat. Wir stellen uns einfach vor, wie Fontane hierherkommt, an die Schultür klopft, ihm Frau Kusserow öffnet. Und das Lehrerpaar mit dem Dichter einen Rundgang durch den Ort unternimmt. Also haben wir beschlossen, diese drei Persönlichkeiten als große Marionetten fertigen zu lassen – mit denen machen wir eine Führung durch Ribbeck."
Jetzt allerdings geht es, trotz erster Regentropfen, erst einmal aufs Fahrrad. Hinaus aus dem Dorf, eine schmale Straße an Einfamilienhäusern und Gärten entlang Richtung Waldrand. Singvögel piepsen und zwitschern, ein Raubvogel zieht weit oben über dem Feld seine Kreise. Und der bestens ausgebaute Weg führt an Wiesen vorbei, dann durch den Wald – bis nach Groß Behnitz. Eine gemütliche Tour, so nennt es auch Mathias Kühn, der Geschäftsführer des Tourismusvereins Havelland. Eine Tour, die vielleicht mitsamt Einkehr im Landgut an der Strecke durchaus auch für weniger Sportliche und Familien mit kleineren Kindern geeignet sei. Überhaupt: Die Vielzahl von möglichen kurzen und längeren Touren ist eine der Besonderheiten des Routennetzes „Fontane.Rad", das sich so für alle öffnet. Im Internet kann man sich vorab über die Streckenvorschläge, die Anfahrt mit Bahn und Bus, Rastmöglichkeiten und Sehenswertes am Wegesrand informieren. Und so beispielsweise die 300 Kilometer lange Hauptroute Tagestour für Tagestour nach und nach „abfahren". Lust auf Seen, alte Parks, Mühlen und idyllische Waldschenken? Dann ist vielleicht der 38,5 Kilometer lange Tourenvorschlag Nummer 1 ab Rheinsberg das Richtige: Hier geht es am Kalk- und Tornowsee mit der von Fontane beschriebenen Boltenmühle entlang, dann weiter zum Zermützelsee und bis nach Molchow, von dort auf der Hauptroute des Fontane-Radwegs wieder zurück zum Ausgangsort Rheinsberg.
Auch weiter südlich führt die Tour Nummer 7 über weite Strecken hinweg am Wasser beziehungsweise in der Nähe des Wassers entlang. Sogar eine Überfahrt mit der Fähre gehört dazu, wenn man von Brieselang aus entlang des Havelkanals radelt um dann in Ketzin über die Havel zu setzen.
Weiter geht’s über Falkenrehde und Etzin nach Paretz hinüber, wo ein denkmalgeschütztes Schloss und der kleine historische Ortskern dem Besucher den Eindruck vermitteln, neben dem Weg durch die Landschaft auch gleich noch eine Zeitreise unternommen zu haben.
David Gilly hatte das Schloss im nördlich von Potsdam gelegenen Paretz 1797 für den späteren preußischen König Friedrich Wilhelm III. und dessen Gemahlin Luise gebaut, so erzählt es Mathias Marr vom Verein Historisches Paretz. Und das wenig später komplett umgestaltete Dorf wurde Kulisse für die mehrwöchigen Sommeraufenthalte der königlichen Familie.
Theodor Fontane besuchte Paretz ab 1860 mehrfach und ließ sich vom damaligen Hofgärtner Wilken, dessen Großvater das Königspaar noch in Paretz erlebt hatte, die Geschichten aus Luises „glücklichsten Tagen" in Paretz erzählen. Über das Schloss schrieb er: „Als sich die Läden öffneten, schoss das Licht hinein … Es war, als solle das schöne königliche Paar, das hier lebte und lachte, jeden Augenblick wieder seinen Einzug halten."
Eben diese und andere Schilderungen des Schlosses und des Dorfes in den „Wanderungen" hätten die ersten Touristen schon zur Kaiserzeit in die Region gelockt, ein Ausflugsdampfer tuckerte von Berlin nach Paretz, erzählt Mathias Marr. Und zu DDR-Zeiten seien Besucher aus der Bundesrepublik „mit ihrem Fontane unterm Arm" nach Paretz förmlich gepilgert. Fast logisch, dass man sich jetzt im Jubiläumsjahr auch hier auf großen Besucherandrang einstellt. Der Verein Historisches Paretz hat daher extra Infotafeln zu Fontane und seinen Paretz-Beschreibungen aufstellen lassen, zudem veranstaltet er –nebenso wie andere Einrichtungen im Ort – Lesungen, Konzerte, Führungen und Wanderungen auf den Spuren des Dichters. Und wer gerade den Kalender parat hat: Ein Höhepunkt dabei wird das „Historische Erntefest" am 28. und 29. September sein.
Alle Routen und weitere Infos: www.fontanerad.de