Als strahlender Überraschungsgast in seiner Heimat kommentierte Philipp Kohlschreiber gut gelaunt das Teilnehmerfeld der BMW Open by FWU, deren dreifacher Rekordsieger er ist. Hauptrivale: Alexander (Sascha) Zverev, die Nummer drei der Tennis-Welt.
Glücklich wieder „dahoam", hielt Kohlschreiber im letzten März-Drittel im „Hearthouse Munich" intensive Zwiesprache mit Sascha Zverev. Frisch eingeflogen zur Pressekonferenz (PK) aus den USA, wo der 35-Jährige locker und souverän beim Tausender-Masters in Indian Wells erstmals die Nummer eins der ATP Tour-Wertung, Novak Djokovic, besiegt hatte, so wie zuvor bereits den leicht genialen Griechen Nick Kyrgios. Kohlschreiber: „Die Zeit in Amerika, so ein Highlight-Match, das ist immer sehr schön." Anders schön sind für den Kosmopoliten die BMW Open vom 27. April bis zum 5. Mai, auch aus sehr emotionalen und sentimentalen Gründen: „Das ist die Heimat, sonst ist man immer unterwegs. Den heimischen Fans gutes Tennis zeigen. Meine erste Wildcard mit 16 fürs Hauptfeld bekommen. Meine ersten Erfahrungen sammeln, mein erster Titel."
Dieses Jahr ist Zverev zum sechsten Mal beim ATP-Turnier in München dabei. „Sascha ist absolut der Turnierfavorit. Toll, dass die Nummer drei der Welt kommt", sagte Kohlschreiber dazu. „Das ist gut für das deutsche Tennis. Ein toller Typ", lobte „Kohli" seinen Davis-Cup-Kollegen Sascha. Zverev sei „konstant unter den Teilnehmern bei den BMW Open. Er bringt da immer seine Leistung." Die deutsche Nummer eins war bei der PK allerdings nur als Pappkamerad vor Ort. Der echte Zverev kämpfte gerade in Miami mit den Folgen einer kräfte- und gewichtzehrenden Grippe. Dadurch seiner Muskeln und mentalen Stärke beraubt, ließ sich der Hamburger vom 36-jährigen Spanier David Ferrer auf dessen Abschiedstour niederringen.
„Eine Revanche würde mich total freuen"
Doch mit 22 Jahren erholt man sich schnell. Das weiß auch Kohlschreiber, der 42. der Weltrangliste, der braungebrannt und strahlend, voll „positiver Energie", wie er augenzwinkernd verriet, nach 18 Jahren im Geschäft wenig Respekt vor schwierigen Gegnern hat. So soll das auch in München sein, beim mit knapp 600.000 Euro dotierten Sandplatzturnier, den 104. BMW Open by FWU. Da möchte Mittdreißiger Kohlschreiber dem Tween Zverev – bei allem herzlich bekundeten Respekt – in diesem Jahr gern den Hattrick, also den dritten Siegertitel in Folge, beim 250er-Turnier am hoch gelegenen, sonnigen Aumeister verhageln. Im Angesicht der knapp 40.000 Zuschauer und vorbeischauender Promis, wie Thomas Gottschalk, Veronica Ferres oder diesmal Ronan Keating als musikalischem Partygast („You say nothing at all").
„Kohlis" Ziel 2019, für das er sein „Bestes geben" will, wenn er gegen Zverev antritt: „Finale gegen ihn, vielleicht gibt es eine Revanche, das würde mich total freuen." Zu seiner 14. Teilnahme, in seinem 15. Jahr unter den Top 100 der ATP-Weltrangliste und mit acht ATP-Titeln in der Tasche sagte Kohli: „Vielleicht reicht es noch mal für den vierten Titel. Ich bin relaxed. Ich will ready und voll Hunger auf Sandplatz starten."
Der feinkörnige Belag habe beispielsweise einen stärkeren Effekt auf die Beine als die Böden der vorangegangenen Hartplatzsaison, worauf sich besonders die Top-100-Profis gern intensiv vorbereiten. Wohlüberlegt mischte sich Kohlschreiber deshalb nicht unter die Kollegen, die aus der Wüste von Indian Wells auf die Betonböden des regengeplagten Miami weiterzogen, sondern avisierte stattdessen frühlingshafte, heimatlich bayerische Gefilde und eine gut dosierte Vorbereitung auf die Sandplatzsaison, die dem Augsburger besonders gut liegt.
Die Tennisbase Oberhaching, wo außer Kohli auch viele andere deutsche Spitzenspieler ihr Trainingszuhause haben, ist nicht fern vom Austragungsort, dem Tennisclub MTTC Iphitos, der sich alljährlich mit 200 Freiwilligen aufschwingt, professionelle Strukturen mit herzlicher Atmosphäre zu verbinden. Kohlschreiber über seinen Ex-Verein: „Mit dem Club in der Bundesliga schnuppern. Hier ist mein Startschuss in die große, weite Welt gewesen. Es ist cool, zurückzukommen, wo alles begann … Einfach das Familiäre."
„Nicht so overcrazy"
Wie eine mentale Tankstelle wirkt das Münchner Turnier mittlerweile für die späteren Saison-Erfolge der deutschen Spieler. Zverev gewann 2017 und 2018 jeweils im Anschluss Masters-Turniertitel in Rom und in Madrid. 2018-Halbfinalist Maximilian Marterer, 23 Jahre, Ex-Nummer 45 der Welt, spielte sich vergangenes Jahr danach bei den French Open bis ins Achtelfinale, kämpfte dort stark gegen Denis Shapalov und gegen Rafael Nadal und stieg in die Top 50 auf. „Selbstvertrauen" hole man sich am Aumeister, erklärte Kohlschreiber: „Klar macht es auch Spaß, in einem Grand Slam sehr weit zu kommen. Ich bin ein sehr bodenständiger, normaler Junge. Mir taugt, was München ist. Alles ist sehr nah. Das Turnier hat für mich einen Riesenstellenwert. Hier ist es nicht so overcrazy wie ein Grand Slam, wo nur Chaos ist, wo man sich als Spieler ein wenig verloren fühlt. Hier kenne ich die Leute, seit ich 14 bin, im Club."
Mit der Konkurrenz bei Philipps „Lieblingsturnier" gehe es steil nach oben. Spieler aus elf Nationen haben zugesagt, sechs Teilnehmer stehen oder standen unter den Top 20 der Welt. „Nicht mehr ganz so viele deutsche Spieler wie früher" seien gesetzt, bemerkte Kohlschreiber. Doch zu den 19 bereits gelisteten Hauptfeldspielern stoßen kurzfristig noch vier Qualifikanten, zwei „Special Exempts", die gerade besonders gut abschneiden, und drei Wildcard-Inhaber. „Vielleicht schafft es noch Lokalmatador Maxi Marterer", hofft Kohlschreiber. Dustin Brown, bei dessen Spielen der Aumeister immer bebt, während das Publikum beim akrobatischen Spiel des Winseners begeistert mitfiebert, hat Iphitos-Geschäftsführer Fabian Tross zufolge, ähnliche, also sehr gute Chancen wie Maxi, noch ins Hauptfeld zu rutschen.
Natürlich hoffen die Veranstalter auch wieder auf kurzfristig interessierte, herausragende internationale Größen, die sich mit den schnell fliegenden und hoch abspringenden Bällen im voralpinen München auf das zweite Grand Slam des Jahres, die French Open in Paris, vorbereiten wollen. So war Andy Murray 2015 am Aumeister dabei und durfte als Champion am Ende in Lederhosen schlüpfen und ein Luxusauto mitnehmen. Im „Mix aus jungen, wilden Topnachwuchsspielern und erfahrenen Weltklassespielern", wie ihn Turnierdirektor Patrik Kühnen anstrebt, wird Großbritannien dieses Jahr erstmals von Kyle Edmund, Nummer 22 der weltweiten ATP-Wertung, vertreten. Aus Italien reist Marco Cecchinato an, 16. der Welt, der 2018 das Halbfinale der French Open erreichte. Auf den Argentinier Diego Schwarzmann freut sich Kohlschreiber besonders: „Tatsächlich jemand, der kleiner ist als ich." Ordentliche Leistungen auf Sand sind auch vom Spanier Roberto Bautista Agut und vom Finalisten des Jahres 2017, Guido Pella aus Argentinien, zu erwarten.
„Jemand der kleiner ist als ich"
Hochgewachsen und stetig weiter nach oben strebend ist der dritte, bereits gesetzte Deutsche. Kühnen: „Jan-Lennard Struff hat sein Karrierehoch wieder erreicht." Ein junger Franzose gibt in München sein Debüt: Ugo Humbert, ein 20-Jähriger, der im Februar in Marseille gegen den Kroaten Borna Coric, Nummer 13 der Welt, das Halbfinale erreichte. Von Marterer wurde Humbert jüngst in Indian Wells übrigens besiegt.
Marterer denkt gern an die BMW Open 2018 zurück, wie er bereits auf der PK im Januar betonte: „Ich spiele liebend gern noch einmal, es hat mir Superspaß gemacht, ich habe sehr gute Matches gespielt. Die Leute unterstützen einen mehr, und dadurch ist die Stimmung superschön. Nur eine Woche im Jahr, wo ich das in München so erleben kann, da freue ich mich schon." Sein Traum, wenn er wieder dabei sein sollte: „Letztes Jahr gegen Philipp im Halbfinale war schon nicht so schlecht. Warum nicht dieses Jahr gegen Sascha im Finale?"