Hertha BSC verliert auch in Hoffenheim und muss nun gegen Schlusslicht Hannover 96 gewinnen – auch, um den internen Burgfrieden nicht aufs Spiel zu setzen.
Das Beste, was der vergangene Sonntagmittag aus Berliner Sicht zu bieten hatte, war wohl die Tatsache, dass Hertha BSC beim 0:2 in Hoffenheim noch glimpflich davonkam. Bemerkenswert dazu vielleicht noch die Startelf der Hauptstädter, die man aufgrund der haarsträubenden Personalsituation wohl in dieser Form nicht noch einmal auf einem Fußballplatz erleben wird. Lukas Klünter (Abwehrzentrum), Maximilian Mittelstädt (defensives Mittelfeld) und Salomon Kalou (auf der 10) mussten wegen des Notstands sogar auf Positionen agieren, die sie normalerweise nicht spielen. Peter Pekarik, Marvin Plattenhardt, Per Skjelbred und Mathew Leckie sind dazu schon länger keine Startelfkandidaten (oder nur notgedrungen) gewesen. Das Personalpech kannte sogar kein Erbarmen mit Geburtstagskind Niklas Stark, der kurzfristig noch wegen eines Infekts passen musste. Schon in der Woche vor dem Spiel hatte Marko Grujic das ohnehin schon reichlich gefüllte Lazarett der Blau-Weißen erweitert. Der Mittelfeldspieler war beim Training umgeknickt und zog sich dabei eine Verletzung am Sprunggelenk zu. Allerdings konnte auch der Serbe in den vorangegangenen Spielen keine positiven Signale mehr setzen. In seinen ersten neun Einsätzen war Hertha BSC noch unbesiegt geblieben, erst am 20. Spieltag (0:1 gegen Wolfsburg) riss die von den Medien schon in ihren Sprachschatz aufgenommene „Grujic-Serie". Mit weiteren fünf Niederlagen in den folgenden acht Spielen hat die Leihgabe vom FC Liverpool – und mit ihm Hertha BSC – aber längst seinen Sinn stiftenden Nimbus der Unbezwingbarkeit verloren. In Hoffenheim wäre ein Einsatz des 1,91 Meter großen Profis allerdings sicher wichtig gewesen – und nicht nur deshalb, weil Pal Dardai beinahe seine komplette Mittelfeldriege ausgegangen war. Arne Maier, Fabian Lustenberger, Vladimir Darida und Julius Kade fehlten dem Hertha-Trainer ja ohnehin schon verletzungsbedingt, und in der Kreativzentrale fiel dazu auch noch der gelbgesperrte Ondrej Duda aus. „Dieses Jahr ist ein Tick verhext", kommentierte Dardai die anhaltende Personalmisere der Hauptstädter.
Haarsträubende Personalsituation
Doch so groß die Problematik auch sein mag, so taugte sie vor der vermeintlichen „Mission Impossible" in Hoffenheim doch auch dazu, die durch den sportlichen Abwärtstrend erzeugten Wogen der letzten Wochen auch zunächst wieder etwas zu glätten. Einen Tag nach dem 1:2 gegen Fortuna Düsseldorf und dem Druck der vierten Niederlage in Folge jedenfalls hatte sich Pal Dardai etwa genötigt gesehen, im Rahmen einer Medienrunde Stellung zur aktuellen Situation zu beziehen. Bei dem Auftritt soll der Ungar allerdings „einen mindestens so verstörenden Eindruck wie der Auftritt der Mannschaft im Olympiastadion" (Tagesspiegel) hinterlassen haben. Anhand von Statistiken zum Spiel konnte Dardai dabei belegen, dass es kein schlechtes Spiel seiner Mannschaft gewesen sei – lag damit aber über Kreuz mit den emotionalen und vor allem sehr kritischen Tönen einiger Profis wie Rune Jarstein, Valentino Lazaro oder auch Marko Grujic unmittelbar nach dem Abpfiff. Dazu geißelte der Hertha-Trainer die von den Medien geschürte, übergroße Erwartungshaltung an sein Team und erneuerte eine zuletzt lange nicht mehr gehörte Ansage. Nämlich jene, dass die Spieler es sagen sollten, falls er der Weiterentwicklung im Weg stehe: „Dann soll ein anderer kommen – es geht um Hertha BSC, nicht um Pal Dardai." Aus den Worten des Trainers wurde dazu geschlussfolgert, dass auch die Gemeinsamkeit mit Michael Preetz nicht mehr gegeben sei. Der Manager der Blau-Weißen hatte sich in diesem Jahr nämlich eher so positioniert, dass er die Mannschaft in die Pflicht nehmen will, statt sie zu schützen. Ob es nun um die vermeintlich chronische Schwäche im zweiten Halbjahr geht („Das ist nicht einfach so hinzunehmen, dass wir immer in der Rückrunde einbrechen") oder es um die Bewertung der 0:5-Pleite in Leipzig („Ich erwarte, dass sich die Mannschaft am Riemen reißt") ging: Preetz’ Äußerungen ließen dem Team keine Ausflüchte – und klangen so auch anders als die Erklärungen des Trainers. Die Spekulationen in der Presse gingen daraufhin sogar so weit, dass die Tage von Pal Dardai im Traineramt von Hertha BSC gezählt seien und im Sommer wohl ein neuer Coach übernehmen werde. Das wies Manager Preetz allerdings in aller Deutlichkeit zurück – und demonstrierte an der Seite Dardais bei der Pressekonferenz vor dem Hoffenheim-Spiel die gewohnte Geschlossenheit: „Entscheidend ist jetzt, die Köpfe zusammenzustecken und gemeinsam Lösungen zu finden, um unsere Situation zu verbessern." Nach der Niederlage in Hoffenheim aber verdichteten sich die Gerüchte über eine Ablösung Dardais nach Saisonende noch mal derart, dass die Onlinedienste von „Bild" und „Kicker" bereits Meldungen dazu verfassten.
„Gemeinsam Lösungen finden"
In dieser angespannten Lage bekommt Hertha BSC es nun mit dem Gegner zu tun, der den „Burgfrieden" wohl auf die härteste Probe stellt: Hannover 96. Der abgeschlagene Tabellenletzte hat nach 29 Spielen nur 14 Punkte auf dem Konto – und man traut den Niedersachsen auch kaum noch den Gewinn eines weiteren zu. Nur ein Sieg in den vergangenen 18 Partien, auswärts seit anderthalb Jahren ohne Dreier: Alles andere als ein Berliner Erfolg am Ostersonntag um 18 Uhr hätte da schon das Zeug, das unter der Oberfläche liegende Konfliktpotenzial im Verein sogleich wieder zu Tage zu fördern. Das etwa von „bild.de" entworfene Szenario, dass auch eine vorzeitige Trennung von Pal Dardai denkbar sei, könnte in einem schwachen Heimauftritt gegen Hannover seinen Auslöser finden. In guter Erinnerung dürfte man bei Hertha BSC zumindest noch das Hinspiel an der Leine haben: der sichere 2:0-Erfolg im Dezember 2018 war der erste Sieg nach sechs Partien. Es war der Tag des Jordan Torunarigha – der Verteidiger köpfte erst das erlösende 1:0 und gab später die Vorlage zum Treffer von Vedad Ibisevic. Auf die Dienste des Bosniers kann Hertha nach Verbüßen seiner Rotsperre gegen 96 wieder zurückgreifen. Torunarigha jedoch – und das ist in diesem „verhexten" Jahr fast schon keine Überraschung mehr – fällt verletzungsbedingt auch im Spiel gegen das Tabellenschlusslicht aus.