Reinhard Grindel war nur rund drei Jahre DFB-Präsident. Eine glückliche Figur hat er dabei nicht abgegeben. Dass mit seinem Rücktritt alle Probleme gelöst seien, wäre aber ein Irrglaube.
Er war von Anfang an eine Notlösung. Und eine Fehlbesetzung. Vieles in der rund dreijährigen Amtszeit von Reinhard Grindel als DFB-Präsident ist – vorsichtig formuliert – unglücklich verlaufen. Dass der 57-Jährige am Ende quasi wegen der Annahme einer teuren Uhr als Geschenk des ukrainischen Verbandschefs Grigori Surkis zurücktreten musste, wirkt schon irgendwie paradox.
Grindel selbst konzentrierte sich aber gern auf die Uhr als Grund des Rücktritts und sparte entsprechend in einer persönlichen Erklärung nicht mit Selbstmitleid. „Für mich war dies ein reines Privatgeschenk, ohne jeden Bezug zum ukrainischen Verband oder gar einem Wirtschaftsunternehmen. Es war für mich ein Gebot der Höflichkeit, dieses Geschenk anzunehmen", schrieb er: „Ich kannte die Marke der Uhr nicht und hatte keine Vorstellung von ihrem Wert. Es war ein schweres Versäumnis, diesen Wert nicht sofort zu ermitteln. So hätte ich bereits den Anschein unredlichen Handelns vermeiden können. (…) Am Ende frage ich mich: Warum ist das passiert? Ich kann es mir nur so erklären, dass ich zutiefst davon überzeugt war, dass ich nichts Unrechtes tue und im Stress des Amtes einfach zu wenig hinterfragt habe. (…) Dass ich wegen eines solchen Vorgangs öffentlich so dastehe, macht mich fassungslos und traurig." Doch am Ende war die Uhr eben nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ein überall geachteter und geschätzter DFB-Präsident hätte diese Sache wahrscheinlich genauso im Amt überlebt wie die vorherige Berichterstattung des „Spiegel", wonach Grindel höhere Einkünfte gehabt habe als bislang öffentlich bekannt. Als Aufsichtsratsvorsitzender der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft bekam er zwischen Juli 2016 und Juli 2017 demnach zusätzlich zu seinen sonstigen Einnahmen 78.000 Euro für zwei Aufsichtsratssitzungen. Das alles war verheerend, weil Grindel beim vom „Sommermärchen-Skandal" erschütterten Verband damals vor allem mit dem Schlagwort „Transparenz" angetreten war. Nach seinem Rücktritt wurde ihm dann auch eine Rede aus dem Bundestag aus dem Jahr 2015 unter die Nase gerieben. „Im Endeffekt kommt es nicht auf gute Vorschriften an", sagte Grindel, der als Bundestagsabgeordneter an einem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption mitgewirkt hatte: „Sondern auf gute Menschen, die sich im Wirtschaftsvekehr im Zweifel am Grundsatz ausrichten: Das tut man nicht. Und wo es zu wenige dieser guten Menschen gibt, werden wir auch noch so viele gute Gesetze machen können und Fehlverhalten nicht verhindern."
Schon als Politiker war er umstritten
Das Hauptproblem an Reinhard Grindel selbst war wohl, dass seine Karriere eine auf dem Reißbrett geplante war. Eine, die ganz augenscheinlich darauf ausgelegt war, nach oben zu kommen. Eben Karriere zu machen. Irgendwie. Irgendwo. Mit irgendwas. Dabei war die Karriere als Fußball-Funktionär schon Grindels dritte. Und die anderen beiden waren eigentlich gar nicht so unerfolgreich gewesen. Als Fernseh-Journalist war er beim ZDF zunächst Leitender Redakteur im Studio Bonn, dann Leiter des Landesstudios in Berlin, dann Leiter des Studios in Brüssel. Als Politiker saß er für die CDU zwischen 2002 und 2016 im Bundestag. Alles durchaus beeindruckend. Spöttisch mag man aber sagen: Da es weder zum Chefredakteur, noch zum Intendanten, noch zum Bundeskanzler reichte, konzentrierte sich Grindel eben auf die dritte Karriere. Wo der angeschlagene DFB nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach ein Problem hatte. Grindel wurde quasi von den „Landesfürsten" installiert und hatte deshalb vor allem im Profibereich immer einen schweren Stand. „Er genießt es, bei den Großen dabei sein zu dürfen, den Verantwortlichen der Nationalmannschaft und der Bundesliga", schrieb die „Rheinische Post": „Für die Großen ist er aber ein ganz Kleiner, der nur mitspielen darf, weil er den Ball mitgebracht hat."
Und ihm unterliefen von Anfang an viele Fehler: Den Vertrag von Bundestrainer Joachim Löw verlängerte er ohne Not vorzeitig bis 2022 – wohl in dem Glauben, dass er dafür gefeiert würde. Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus sprach er Löw dann vorschnell das Vertrauen aus, weil er offenbar nicht zurückrudern wollte. Hilflos taumelte er durch den Fall der Nationalspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil, die für ein Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan posiert hatten, und tat vermeintlich immer das Falsche. Der ehemalige DFB-Sprecher Harald Stenger beschrieb Grindel bei zwei Auftritten im „Sport1-Doppelpass" als „schlechtesten Präsident, den der DFB je hatte" und als „Donald Trump des deutschen Fußballs, der in jedes Fettnäpfchen tritt. Er ist ein Populist par excellence. Wenn er drei Aussagen zu einem Thema binnen einer Woche macht, sind vier Meinungen dazu auf dem Markt."
Allerdings wäre es sicher in Irrglaube, wenn mit dem Rücktritt des zwölften Präsidenten nun alle Probleme des DFB gelöst wären. Grindel steht – von seiner Inthronisierung über seine Amtszeit bis zu den Umständen seines Rücktritts – vielmehr für die Probleme, die dieser Verband im Ganzen hat. „Da muss sich etwas ändern", sagte auch der ehemalige Nationalmannschafts-Teamchef Rudi Völler, der als gehandelter Nachfolger ebenso schnell und energisch abwinkte wie Matthias Sammer, Philipp Lahm oder andere: „Es kann doch nicht sein, dass in den letzten zehn Jahren jeder Präsident mehr oder weniger aus dem Amt gejagt wurde. Deshalb glaube ich, dass der DFB gut daran tut, einige Dinge umzustrukturieren."
Verlängerung mit Bundestrainer Löw war ein Alleingang
Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sagte in der Sky-Talkshow „Wontorra": „Ich trete nicht auf Leute, die auf der Erde liegen. Ich glaube, dass es nicht ein Problem Reinhard Grindel bei uns gegeben hat." Das Problem seien vielmehr die „Landesfürsten", also die Präsidenten der regionalen Landesverbände. Sie hätten im DFB „eine viel zu große Rolle gespielt", sagte Rummenigge: „Sie haben den Kaiser und den König gekürt. Da ist viel Unsittliches passiert in den letzten Jahren. Gerade aus dem Amateur-Lager ist da in den letzten Jahren viel Negatives gekommen." Deshalb müsse man nun „zunächst klären, welche Struktur beim DFB herrschen soll. Erst dann kann man sich mit Personen beschäftigen. Und wenn man eine neue Struktur schafft, muss es transparent und demokratisch geschaffen werden."
Weniger Macht für die „Landesfürsten" wäre sicher ein Ansatzpunkt. Ein anderer könnte sein, dass der DFB-Präsident künftig offiziell hauptamtlich arbeitet. Ein klares Gehalt für diesen wichtigsten Posten im größten Sportfachverband der Welt könnte fähige Kandidaten anlocken, die angesichts der momentan undurchsichtigen Struktur abwinken oder sich eben auf Posten mit besserem Verdienst konzentrieren. Dennoch müsste der neue Präsident jemand sein, der den Fußball liebt und sich nicht in erster Linie über ihn profilieren will. Der sich der Basis ebenso verbunden fühlt wie dem Profi-Fußball, der zwischen beiden vermitteln kann und in beiden Lagern geachtet wird.
Der erste Schritt könne bald gegangen werden. „Es zeigt sich, dass es ganz schwierig ist, einen Verband wie den DFB mit einer Drittelmilliarde Umsatz so ehrenamtlich zu führen, wie das seit Jahr und Tag der Fall ist", sagte Liga-Präsident Reinhard Rauball, der den Verband derzeit mit dem bayerischen Verbands-Boss Rainer Koch als kommissarische Doppelspitze anführt. Dass der DFB-Präsident künftig ein hauptamtlicher Posten sein soll, sei sicherlich „eine Überlegung, die wir anstellen", sagte Rauball in der ARD. Koch bezeichnete entsprechende Forderungen derweil als „Phantomdiskussion".
Vize Koch hat Ambitionen
In der Satzung heiße es schon: „Die Mitglieder des Präsidiums sind ehren-, neben- oder hauptamtlich tätig." Er bekomme als Richter für seinen Verdienstausfall eine Entschädigung. Und würde deshalb nicht behaupten, er übe ein Ehrenamt aus. Das klingt nun aber wieder nach wenig Reformwillen.
Dabei ist klar: Den dritten vorzeitigen Rücktritt eines DFB-Präsidenten in nur sieben Jahren muss der Verband zum Anlass nehmen und vielleicht auch als Chance sehen, um sein ganzes Konstrukt zu beleuchten und auf links zu drehen. Damit der neue Präsident, der im September gewählt wird, nicht schon aufgrund der Strukturen ein Himmelfahrtskommando antritt.