Wer handgefertigte Schmuck-Unikate sucht, wird vielleicht bei Tatjana Goldberg in Berlin fündig – im wohl kleinsten Gold-schmiedeatelier der Hauptstadt. Dort gibt’s unter anderem ganz besondere Erbsenschoten. Nicht aus dem Garten, sondern aus Meisterhand.
Biegt man vom Berliner Naturkundemuseum kommend in die Chausseestraße Richtung Süden ab, findet man rechter Hand das Atelier der Goldschmiedemeisterin und Schmuckdesignerin Tatjana Goldberg. Aber nur bei genauem Hinsehen. Der Laden ist winzig. Auf gerade mal zwölf Quadratmetern sind Verkaufsausstellung und Werkstatt vereint. „Ich brauche ja keine großen Maschinen für die Produktion", erklärt Goldberg, „schließlich fertige ich alle Schmuckstücke von Hand. Nur so entsteht echter Unikat-Schmuck." Neben eigenen Unikaten präsentiert sie hier Arbeiten weiterer Schmuckkünstler. An den Wänden ist noch Platz für Malerei und Fotografie. Zuweilen organisiert sie kleine Kunstausstellungen. Vorausgesetzt, die Werke sind nicht zu raumgreifend. Neben exklusiven Designerstücken entstehen in ihrem Atelier auch schlichte Eheringe. Exklusiv von Hand gefertigt. Auch Schmuck-Reparaturen gehören zum täglich Brot der Goldschmiedin.
Was an ihrer Kollektion auffällt, ist die Verbindung von puristischen, reduzierten Formen mit organischer Gegenständlichkeit. Manche Stücke sind recht massiv, wirken aber aufgrund ihrer klaren Formensprache nicht protzig. Die „Pastellos" etwa, Silberringe mit wahlweise Calcedon, Prenit, Rosenquarz oder Mondstein, kommen so unprätentiös daher, dass man sie in der Oper wie auf der Grillparty tragen kann. Auch scheint keines ihrer Schmuckstücke irgendeiner Mode unterworfen zu sein. „Mir kommt es auf zeitloses Design an", bestätigt sie den Eindruck des Betrachters und führt weiter aus: „Ich mag eine klare und geometrische Formensprache, die die Beschränkung auf das Wesentliche zum Besonderen macht." Hinzu kommt ihre Liebe zu organischen Formen, die wiederum mit fein ziselierten Oberflächen einen Kontrast bilden zum sonstigen Purismus der Arbeiten. Etwa bei den Anhängern in Form verschiedener Muscheln oder eines Seesterns.
Puristische, reduzierte Formen
Ein Klassiker ihrer Kollektion und nach eigenen Angaben auch ein „Dauerbrenner" bei der Kundschaft ist die Schote – eine halb geöffnete Erbsenschote aus Silber, die drei Perlen beherbergt. Sie ist als Halskette und als Ohrschmuck zu haben, jeweils aufwendig von Hand modelliert. „Ich möchte Kunden ansprechen, die exklusiven, aber keinen protzigen Schmuck suchen", kommentiert Goldberg. „Mit der Schote will ich ein Juwel anbieten, das originell ist, aber gleichzeitig zeitlos." Für die schlichte Schote betreibt die Goldschmiedin einigen Aufwand: Beim Modellieren wird das Edelmetall aufwendig von Hand ziseliert – eine uralte Kunst, mit der schon die Goldschmiede antiker Hochkulturen plastische Kostbarkeiten schufen. Heute werde so ein Aufwand in der Schmuckherstellung nur noch selten betrieben, beklagt Goldberg. „Doch so erhält das Produkt eine Leichtigkeit und Anfass-Qualität, die es zum echten Handschmeichler macht. So ein Schmuckstück wollen Sie ständig berühren", verspricht sie. Zusätzlich verleiht die Goldschmiedin der Oberfläche des Silbers durch Sieden und Bürsten eine samtige Struktur mit hellem Feinsilber-Schimmer. Bevor die beiden Hälften der Schote miteinander verlötet werden, wandern drei Süßwasserperlen hinein. So naturbelassen, wie sie aus der Muschel kommen, lagern sie am Ende lose und gleichsam unverlierbar in ihrer Silberschote. Mittlerweile fertigt sie das Stück auch in Gold. Dann entgeht einem aber die feine Patina, die mit der Zeit das Sterlingsilber ziert.
Mit ihrem eigenen Atelier hat sich Tatjana Goldberg vor zwölf Jahren einen Kindheitstraum erfüllt. „Bereits als zehnjähriges Mädchen war ich ganz begeistert von schönem Schmuck", erzählt sie. „Goldschmiedin war tatsächlich mein erster Berufswunsch. Alte Werkstätten und Geschmeide aus dem Mittelalter fand ich schon als Kind toll." Zur heutigen Profession gelangte sie über Umwege. Zuerst studierte sie BWL. Der anschließende Werdegang ist eng mit der Berliner Nach-Wende-Zeit verknüpft. Da war Tatjana Goldberg ein wichtiges Zahnrädchen im Berliner Kulturgetriebe. Zusammen mit ihrem damaligen Partner, dem Designer und Schmuck-Künstler Reiner Grabowitz, gehörte sie 1991 zu den Gründern des Chamäleon-Varietés in den Hacke’schen Höfen. Doch durch den Kontakt mit Grabowitz brach ihre alte Leidenschaft für Schmuck wieder durch.
So entschied sie sich Mitte der 90er-Jahre für eine zweite Laufbahn, begann ihre Lehr- und Wanderjahre in Sachen Goldschmiedekunst, machte ihre Meisterprüfung in Kaiserslautern, kehrte wieder in die Berliner Heimat zurück, bestritt etliche Ausstellungen, und schließlich, im Jahr 2007, eröffnete Goldberg ihr jetziges, eigenes Atelier in Berlin Mitte. Und dort werden nicht nur Frauen fündig. Der Armreif nach einem Entwurf von Reiner Grabowitz zum Beispiel spreche Kundinnen und Kunden zu gleichen Teilen an, sagt Goldberg. Mit Grabowitz verbindet die Goldschmiedemeisterin immer noch eine intensive kreative Zusammenarbeit. Vorbild der Armreife waren mittelalterliche Handschellen.
Auch hier erschließt sich die Besonderheit erst bei näherem Hinsehen. Zuerst einmal soll jeder Reif perfekt zum Typ seines Trägers passen. „Ich fertige jedes Exemplar ganz individuell. Nicht nur in der Größe, sondern auch in Breite und Profil passend", sagt Goldberg. Der Clou an den Reifen ist ihr nahezu unsichtbarer, aber bombenfester Verschluss, der auf ihrer Materialspannung beruht. So stört kein Drücker die schlichte, pure Form. Neu im Programm sind florale Sachen mit farbigen Steinen, auch hier eine klare, schlichte Formensprache mit organisch wirkenden Elementen.
Manche Raffinesse erschließt sich erst bei genauem Hinsehen. Der Verschluss des neuen Labradorit-Colliers etwa. Ohne bewegliche Teile, nur durch das besondere Design lässt sich die Kette öffnen und schließen, geht aber nicht von alleine auf. Das Collier mit seinen bewusst ungleichmäßigen, linsenförmigen Perlen aus facettiertem Labradorit und schwarz rhodiniertem, kantigem Sterlingsilber strahlt eine archaische Kraft aus und funkelt in dezenten Blautönen. Mehr als ein Hingucker – ein Statement.
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