Zwei Jahre lang hatte Anna Loos das Gefühl, dass etwas in ihr schlummert. Jetzt ist ihr Solodebüt „Werkzeugkasten" da – und es klingt stilsicher von übermütig bis melancholisch. Im Interview spricht sie über Drogen, Liebeskummer und ihre Trennung von der Band Silly.
Frau Loos, wie sind Sie an Ihr Solodebüt herangegangen?
Die Arbeit am Album habe ich mir mit dem Produzenten Mic Schroeder geteilt. Wenn man für Silly schreibt, versucht man die Themen immer anzugleichen, damit sie für vier Leute passen. Diesmal wollte ich wirklich so schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, meine ganz persönlichen Themen erarbeiten und schauen, wo es mich musikalisch so hinführt.
Wer hat Sie beim Schreiben unterstützt?
Unter anderem Jens Schneider. Ein Freund von mir, der eine Ausbildung an der Mannheimer Popakademie absolviert hat. Mit Steffen Graef aus der Band von Max Giesinger habe ich in Hamburg – während einer Drehzeit – eher zufällig einen Song erarbeitet. Das Songschreiben war eine wunderbare Reise zu Stationen aus meinem Leben.
Wie geht es mit Silly weiter? In der Boulevardpresse war von einem Streit die Rede …
Nein, das ist Quatsch! Die Jungs machen ja auch etwas schönes Neues. Sie wollten live alte Alben spielen, ich wollte etwas Neues machen. Eine kreative Pause kann nur gut für uns sein. Die Band war an einem Punkt, wo keiner wusste, wie ein nächstes Silly-Album klingen sollte, und keiner hatte den Drang, daran zu arbeiten. Uwe Hassbecker und Jäcki Rezniceck machen schon lange andere musikalische Projekte. Ich denke, auch das ist eine gute Inspiration für die Band. Für mich war die Zeit reif, dieses Album zu schreiben, und jetzt freue ich mich, dass es da ist.
Mit welchen Gefühlen haben Sie das letzte Konzert mit Silly gespielt?
Es war sehr emotional. Das Konzert fand am Ende des dritten Jahres unserer „Wutfänger"-Tour statt. Drei Jahre mit einem Album in Deutschland unterwegs zu sein, ist eine lange Zeit. Für Silly hätte danach etwas Neues kommen müssen. Aber was gibt es Tolleres, als eine kreative Pause einzuläuten mit einem wunderbaren vorerst letzten Konzert?
Welche Hindernisse mussten Sie aus dem Weg räumen, um ein Soloalbum machen zu können?
Eigentlich keine. Das Album hat sich irgendwann verselbständigt; wie ein rollender Schneeball. Ich wollte einfach mal ausprobieren, einen eigenen Weg zu finden, ohne zu wissen, ob es klappt. Das hat mir großen Spaß gemacht, weil ich viele Themen habe. Ich bin eine 48-jährige Frau, die einiges erlebt hat. Ich habe eine Reise durch mein Leben gemacht und besonders emotionale Momente extrahiert und konserviert. Auch wenn unsere Leben verschieden sind, so sind unsere Gefühle doch ein großer gemeinsamer Nenner.
Sind Künstler darauf ausgelegt, perfekt zu sein und immer zu funktionieren?
Man erlebt immer wieder Situationen, in denen einem alles zu viel wird oder Dinge schiefgehen. Und dazu kommt vielleicht noch ein kranker Papa oder ein krankes Kind. Und man sitzt in der Stadt und kommt da nicht weg, weil ein Konzert gespielt oder ein Film gedreht werden muss. Man fährt dann durch die Nacht und schläft nicht. In dem Song „Kaputt" stelle ich am Ende die Frage: „Muss ich denn funktionieren?" Meine Antwort darauf ist: „Nein, man muss nicht immer funktionieren."
Was tun Sie in solch einer Situation?
Ich habe Mechanismen entwickelt, mich aus dunklen oder leeren Momenten wieder rauszuholen. Das kann niemand sonst erledigen, sondern nur ich. Ich fange dann an, die Probleme zu strukturieren oder zu verteilen. Man muss erst einmal herausfiltern, warum es einem schlecht geht, um das korrigieren zu können. Ich sehe die Welt gerne positiv. Ich war schon als Mädchen ein Sonnenschein. Es würde mich sehr anstrengen, ein misanthropisches Arschloch zu sein.
Müssen Sie Ihren Mann manchmal aufbauen?
Jani ist ein sehr positiver Mensch, aber er hat natürlich auch müde Phasen. Wir sind die Positivisten.
Jan Josef Liefers und Sie sind viel beschäftigte Künstler. Müssen Sie sich da gezielt verabreden, wenn Sie mal etwas zusammen unternehmen wollen?
Nein. Natürlich müssen wir unseren Urlaub planen, aber das muss ja jeder machen. Wir sind auch viel zu Hause. Ich drehe gar nicht mehr so viel, seit die Musik wieder in mein Leben gekommen ist. Ich will sie nicht mehr missen. Wir haben bei uns im Keller ein kleines Demostudio eingerichtet mit ein paar Geräten und vielen Instrumenten. Ich liebe es, zu Hause zu arbeiten, weil ich gern bei den Kindern bin. Ich übernachte nicht so gern in Hotels, wenn meine Familie in einer anderen Stadt ist.
In dem Liebeslied „Werkzeugkasten" singen Sie die drastische Zeile „Verpiss dich, du Arschloch!" Haben Sie dergleichen schon einmal zu jemandem gesagt?
Ja, zu einem Mann, der mich sehr geärgert hatte und den ich nicht wiedersehen wollte. Ich bin keine Prinzessin. Ich bin mit vielen Jungs befreundet und kann auch derbe in meiner Sprache werden, wenn es sein muss.
Was bringt Sie auf die Palme?
Vor allen Dingen Dummheit. Das ist für mich die schlimmste Strafe, die man mich erleiden lassen kann. Ich mag auch keine falschen Fuffziger. Diese Leute habe ich aus meinem Leben aussortiert. Ich bin oft ausgenutzt worden. Wenn mir das heute passiert, bin ich sofort weg.
Lebt man als erfolgreicher Künstler in einer Blase?
Nein. Wir leben ein ganz normales Leben. Unsere Kinder gehen zur Schule und wir zu den Elternabenden. Wir gehen ganz normal einkaufen. Ich arbeite mit vielen Menschen zusammen, und es kam schon vor, dass jemand, der früher links war, auf einmal rechts wählt, weil er sagt, es reiche ihm hier alles. Man kommt an manche Personen nicht mehr ran. Das ist erschreckend.
Warum wollen Sie unbedingt Musik machen und live auftreten?
Weil es das Allerschönste ist, was ich je gemacht habe. Aber ich liebe auch die Schauspielerei. Wenn es für mich eine Droge gibt, dann ist es die Musik. Ein paar Sekunden vor einem Konzert denke ich immer, ich habe alle Songs vergessen. Aber sobald ich auf der Bühne stehe, fühle ich mich so sehr am Leben – es ist wie ein Bad der Sinne, wenn all die Leute vor der Bühne stehen. Jeder Abend und jede Stadt sind anders.