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WAS MACHT EIGENTLICH...

Rainer Langhans und Uschi Ober-maier waren eine Zeit lang ein Paar. Beide lebten in der „Kommune 1“.
Foto: picture alliance / Keystone

… Rainer Langhans?

Als Protagonist der deutschen Studentenbewegung, Verfechter freier Sexualität und „Bürgerschreck" wurde er in den 60er-Jahren bekannt. Der 79-Jährige, der von einer kleinen Rente, Büchern und Vorträgen lebt, eckt auch heute noch an.

Gut möglich, dass Fritz Teufel und Rainer Langhans heute zu den Youtube-Stars zählen würden, zu den sogenannten Influencern", charakterisiert Zeitzeugin Gretchen Dutschke 2018 die Bedeutung der Protest-Protagonisten der 60er-Jahre. „Die Kommune 1 traf den rebellischen Zeitgeist zwischen Hippietum und Revolutionsethik damals sehr genau." Immer wieder wird Rainer Langhans bis heute mit seiner gesellschafts- und politikkritischen Haltung in den 60er- und 70er- Jahren konfrontiert und nutzt selbst seinen Alt-Revoluzzer-Status immer noch. Als aber der Online-Händler Zalando 2010 einen in Aussehen und Sprache an Langhans erinnernden Hippie zu Werbezwecken eingesetzt hat, wurde er vom echten Langhans erfolgreich auf Zahlung einer Abfindung verklagt. Im Jahr danach nahm Langhans an der RTL-Show „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" teil und durfte dort als Veganer sogar vertragsgemäß auf den Verzehr von Tieren verzichten. 40 Prozent des 50.000-Euro-Honorars spendete Langhans damals der Piratenpartei, zu der er seit einigen Jahren enge Verbindung hält und auf deren Veranstaltungen er schon öfters auftrat.

Lebte mit fünf Frauen

Dies gilt aber auch für einige extrem rechte Gruppierungen und Medien, denen Langhans mit Auftritten und Interviews schon öfter zu mehr Popularität verholfen hat. „Ich halte das für demokratisch und Gesprächsverweigerung für Krieg", rechtfertigt sich Langhans 2018 bei „Zeit online". Vielmehr trete er sogar rassistischen Ideologien entgegen, wenn er sich in einem rechten Magazin für Menschenrechte einsetze. In eigener Sache an die Öffentlichkeit trat Langhans auch 2015 durch die Teilnahme an der Scripted-Reality-Show „Newtopia", die nach einem knappen Jahr von Sat1 wieder abgesetzt wurde. Großen Medienrummel gab es zuletzt um die Vergabe eines mit 1.968 Euro dotierten Preises, den zwei Künstler 2018 vom Kunstverein Ahlen erhielten: Ihr Werk „Searching for the Revolution" zeigt ein vergoldetes Schamhaar des langmähnigen Ex-Kommunarden.

Neben seinen politischen Aktivitäten hat Rainer Langhans in den 60er-Jahren vor allem durch seinen „Harem" von sich reden gemacht. In München lebte er in der Haifisch-Kommune mit fünf Frauen gleichzeitig zusammen. Mit vier von ihnen unterhält er bis heute noch engste Verbindungen. Während anfangs die Beschäftigung mit der eigenen Biografie und die Entwicklung einer selbstbestimmten Persönlichkeit im Vordergrund standen, steht heute das Spirituelle und die Beschäftigung mit dem Tod an erster Stelle. In einem gemeinsamen Interview der Beteiligten sagte Langhans 2016 bei Radio Bayern2 über diese noch andauernden Partnerbeziehungen: „Das war alles gut und ist immer besser geworden. Das ist phantastisch." Er sei nämlich aus einer Welt gekommen, in der er wirkliche Verbesserungen nicht für möglich gehalten hat. Er habe sich dazu verdammt gesehen, in der traurigen, unglücklichen Art zu leben, die man heute für normal hält. Dass das nicht so gekommen ist, „das macht mich heute deutlich glücklicher als ich je in meinem Leben war".

Aus dem damaligen gesellschaftspolitischen Experiment des „Harem" ist heute eine Art Schicksalsgemeinschaft radikaler, älterer Individualisten geworden, geistig frisch, körperlich fit, kommunikativ, eloquent und zugewandt, beschrieb Radio Bayern unlängst seine ergrauten Interviewgäste. Eigenständiges Wohnen bei gleichzeitig enger Nachbarschaft, gemeinsame Unternehmungen wie Spaziergänge, Meditation, Saunabesuche und Tennispartien, vor allem aber der rege Austausch von Gedanken und Gefühlen, machten heute für alle Mitglieder des ehemaligen „Harems" das Altwerden mehr als nur erträglich.

„Lebe von der Hand in den Mund"

Anlässlich seines 75. Geburtstages bekundete Langhans 2015 im „Stern", dass er sich bis heute nicht richtig verstanden fühlt. „Ich habe die sexuelle Revolution ausgerufen, gelebt, ja. In Wirklichkeit habe ich aber eine viel größere Revolution gezeigt und gelebt. Aber niemand verstand das." Es gehe ihm nicht um Sex: „Wir erfahren etwas, was viel mehr ist als der jämmerliche Sex. Freie Liebe ist von Sex und Körper befreit." Langhans lebt laut „Stern" in Sphären fernab der „normalen" Menschen. Er versuche, sich selbst zu überwinden: „Ich habe nie gearbeitet. Mein Körper ist sehr reduziert, und um den in der reichen Gesellschaft zu erhalten, reichen gelegentliche Jobs. Ich lebe von der Hand in den Mund." Immer noch ist der stets in Weiß gekleidete Langhans, der auch als Autor, Schauspieler und Filmemacher tätig war, ein hochpolitischer Mensch. Die Chance auf Weltfrieden sieht er aber nicht mehr in Kommunen, sondern in den Communities im Netz. „Die Leute sind da drin zum ersten Mal in großem Umfang miteinander freundlich." Geschlecht, Sozialisation oder Kultur spielten keine Rolle mehr. „Wir haben damals ohne Technik genau diese Erfahrung gemacht: Jeder war mit jedem zutiefst verbunden", sagt er 2018 bei „Zeit online" und blendet radikal die oft weniger schönen Seiten des World Wide Webs aus.

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