Mindestens vier Bundesligisten haben ihn umworben. Entschieden hat sich Marco Rose für Borussia Mönchengladbach. Für seinen Ex-Trainer Jürgen Klopp ist er „der Gehypteste von allen".
Vor wenigen Wochen kursierte ein grammatikalisch falscher, sich inhaltlich aber immer mehr als richtig erweisender Witz. „In der Fußball-Bundesliga ist es derzeit wie beim Bachelor: Alle wollen Rose." Und zwar eben keine Blume, sondern Marco Rose, den Trainer von RB Salzburg.
Denen, die sich fragten, was diesen Marco Rose denn so besonders macht, lieferte er kurz nach seiner Entscheidung ein Beispiel. Sein Spieler Marin Pongracic hatte sich direkt beim Comeback nach zweimonatiger Pause wieder am Oberschenkel verletzt. Und wo andere Trainer Ausflüchte suchen, um sich bloß nicht angreifbar zu machen, gab Rose ganz unumwunden zu, dass er den 21-Jährigen zu früh hat spielen lassen. „Im Nachgang würde ich es jetzt sicher anders machen", sagte er. „Die Nummer nehme ich auf meine Kappe."
Doch es ist natürlich vor allem auch seine fachliche Arbeit als Trainer, die Rose in den Fokus vieler Bundesliga-Vereine stellte. Quasi von allen, die zu diesem Zeitpunkt einen Trainer suchten. 1899 Hoffenheim, das schon vor der Saison vom Abgang von Julian Nagelsmann nach Leipzig wusste, fühlte sich eigentlich in der Pole Position und fast schon am Ziel. „Ich sehe die Ergebnisse, die Rose mit RB Salzburg erreicht hat. Und die sprechen für eine erfolgreiche Arbeit", lobte Mäzen Dietmar Hopp öffentlich. Doch Rose sagte ab.
Wegen Wolfsburg, dachten viele. Der dortige Geschäftsführer Jörg Schmadtke wollte das Interesse dann auch nicht bestreiten. „Es ist richtig, dass wir uns mit Marco Rose beschäftigt haben", sagte er – erhielt aber ebenfalls einen Korb. Einige vermuteten nun, das liege am FC Schalke, denn der hatte sich inzwischen von Domenico Tedesco getrennt. Und der neue Sportvorstand Jochen Schneider war gerade von RB Leipzig gekommen und kannte Rose eben aus dem RB-Kosmos gut. Doch auch das reichte nicht, um ihn zu überzeugen. Inzwischen hatte sich sogar Red-Bull-Konzernchef Dietrich Mateschitz eingeschaltet: „Wir werden alles versuchen, um Marco Rose zu halten", sagte er.
„Die Nummer nehme ich auf meine Kappe"
Dann kündigte Borussia Mönchengladbach plötzlich die Trennung von Dieter Hecking zum Saisonende an. Das überraschte, denn der hatte im November erst seinen Vertrag verlängert und mit Gladbach im Februar als vermeintlich dritter Meisterschafts-Kandidat noch auf Augenhöhe zu Borussia Dortmund und dem FC Bayern gestanden. Doch Manager Max Eberl ließ schnell durchblicken: Er habe Hecking nicht wegen vermeintlich schlechter Arbeit entlassen.
„Die Aktualität und die Ergebnis-Krise haben dabei keine Rolle gespielt. Im Fußball gibt es manchmal Chancen, die man ergreifen muss. Wenn es so ist, muss man die Entscheidung fällen", sagte Eberl in der „Sport Bild". „Es ging die Tür bei dem Trainer auf, bei dem ich glaube, dass wir mit ihm in Gladbach den nächsten Schritt gehen können." Und er sei davon so überzeugt, dass er eine der schwierigsten Entscheidungen seiner Manager-Karriere getroffen habe, wie er sagte – eben die, sich von Hecking zu trennen. Das hätte er sogar durchgesetzt, wenn die Borussia zuletzt nicht geschwächelt hätte und immer noch Dritter wäre.
Die Situation mit mindestens vier Bewerbern – nachdem ihn im Vorjahr angeblich schon Frankfurt, Dortmund und Leipzig auf dem Zettel hatten – machte es aber auch und wohl vor allem für Marco Rose nicht einfach. Der Ex-Profi hatte in Salzburg in sechs Jahren großartige Arbeit geleistet. Nachdem er mit der U19 sensationell die Youth League gewonnen hatte – das Junioren-Äquivalent zur Champions League – wurde er Cheftrainer und führte RB ins Halbfinale der Europa League. Meister wurde er natürlich sowieso. Nun würde er sich mit 42 in die größere Bundesliga wagen. Und die Fallhöhe war direkt hoch. Würde er irgendwo scheitern, würden viele denken: Na ja, die deutsche Bundesliga war dann vielleicht doch eine Nummer zu groß für ihn. Während Rose sich überlegen könnte, ob es nicht bei einem der drei anderen Bewerber besser gelaufen wäre. Das Abwägen für ihn sei schwierig, sagte er deshalb: „Man soll und kann das nicht vergleichen. Ich kenne die Vereine nicht im Detail."
„Da haben große Fußballer gespielt"
Am Ende fiel seine Wahl auf Gladbach. Zum einen, weil sich die Borussia entgegen des zeitlichen Verlaufs, den man öffentlich vermuten könnte, offenbar mit am längsten um ihn bemüht hat. Angeblich soll sich Eberl schon im vergangenen Sommer, als Heckings Zukunft nach einer schwachen Saison fraglich war, über Rose informiert haben. Und er schaffte es offenbar, den gebürtigen Leipziger mit dem Borussia-Virus zu infizieren. „Da haben große Fußballer gespielt wie Rainer Bonhof und Lothar Matthäus. Der Verein hatte große Trainer wie Hans Meyer, ein Typ, den ich sehr schätze", sagte Rose mit leuchtenden Augen. „Das ist ein Verein mit Ambitionen und großer Fan-Kultur. Das hat mich gereizt." Die Situation insgesamt sei „sehr speziell. Wie alle wissen, gab es nicht nur eine Anfrage, sondern doch schon ein paar mehr", sagte der Enkel des früheren Nationalspielers Walter Rose.
Den Impuls für seine Trainer-Karriere verdankt Rose übrigens niemand Geringerem als Jürgen Klopp. Unter dem heutigen Liverpool-Coach spielte er einst in Mainz. In Hannover unter Ralf Rangnick und in Mainz als Assistent von Thomas Tuchel erlebte er zwei weitere Ausnahme-Trainer aus nächster Nähe. Doch Klopp merkte bei ihm wie bei WG-Genosse Sandro Schwarz – der heute Chefcoach der Mainzer ist –, dass da echte Trainer-Talente heranwachsen könnten. „Wir feiern im Favorite Park Hotel in Mainz den Aufstieg, sind rabenschwarz, betrunken, und ich sage zu Schwarz und Rose: ‚Ihr beide werdet später Trainer‘", erzählte Klopp vor Kurzem launig bei Sky. „Ich habe nicht gesagt, sie werden gute Trainer, aber sie werden Trainer. Und jetzt sind sie richtig gute geworden." Rose verfolgte diese Aussagen und musste schmunzeln. „Klopp hat das damals tatsächlich gesagt", sagte er, „weil er auch ein Typ ist, der manche Dinge fühlt und spürt. Wenn man sowas von Kloppo hört, freut einen das natürlich sehr." Und dann verriet „Kloppo" auch noch: „Marco kann jeden Job haben und auch jeden Job machen. Er ist im Moment der Gehypteste von allen. Alle fragen mich nach ihm."
Auf die Frage nach seinem Erfolgs-Rezept sagte Rose: „Ich bin weder ein klassischer Ballbesitztrainer, noch einer, der nur das Haudrauf und Pressing forciert." Was vielleicht wirklich sein Erfolgsrezept ist. Zwar fordert man von Trainern zu Recht eine klare Idee vom Spiel ein. Doch viele haben dann eben nur die eine. Rose ist verlässlich, aber trotzdem unberechenbar. Auch für seine Spieler. „Du führst in der Halbzeit 2:0, und plötzlich wird er laut. Oder das Spiel läuft schlecht, und er ist völlig ruhig", sagte der deutsche Salzburg-Torwart Alexander Walke.
„Das ist ein Verein mit Ambitionen und großer Fan-Kultur"
Bemerkenswert ist an Rose auch die Auswahl seines Trainer-Teams, das er nach Mönchengladbach mitnimmt. In Alexander Zickler hat er einen Ex-Nationalspieler vom FC Bayern neben sich, obwohl dieser den größeren Namen hat. „Er war einer der weltbesten Stürmer", sagte Rose. „Das gibt einem Sicherheit." Im Gegenzug hat er in René Maric auch einen 26-Jährigen im Team, den er allen Ernstes als Taktik-Analytiker beim Internet-Blog „spielverlagerung.de" entdeckte. Maric, der in seinem Blog auch mal 65.000 Zeichen lange Abhandlungen über „3-4-3 schlägt gegen enges 4-3-3 fehl" schrieb, habe eine besondere Begabung: Er könne „beide Teams gleichzeitig analysieren". Und würde bei ihm immer auf offene Ohren stoßen: „Ich treffe gern Entscheidungen, aber ich lasse mich immer beraten und höre auf Ratschläge." Und eben auch auf ungewöhnliche. Was ihn wohl selbst ungewöhnlich macht. In Mönchengladbach muss er im nächsten Jahr dann aber doch erst mal zeigen, ob all die Vorschuss-Lorbeeren berechtigt sind.