Die Berliner Handballer haben im EHF-Pokal ihre letzte Titelchance gewahrt. Die Stimmung bleibt nach sportlichen Rückschlägen und dem Wirbel um die baldige Trennung von Torhüter Silvio Heinevetter aber angespannt.
Diese „Kieler Wochen" waren für die Füchse Berlin kein Vergnügen. Zuerst gab es gegen den THW Kiel das Aus im Halbfinale des DHB-Pokals (22:24), zwei Wochen später die knappe 29:30-Niederlage in der Handball-Bundesliga. Füchse-Trainer Velimir Petkovic wurmte dieser Doppelschlag mächtig, er forderte sein Team auf, im Viertelfinale des EHF-Pokals um ein drittes Duell gegen den Rekordmeister zu kämpfen: „Ich will diese Chance haben, im Finale in Kiel."
Auch das Team tat alles, um beim Finalturnier (17. und 18. Mai) gegen Gastgeber Kiel um die internationale Trophäe zu kämpfen. Die Berliner siegten im Viertelfinal-Hinspiel am Sonntag bei TSV Hannover-Burgdorf klar mit 34:26 (15:14). Es war ein Stimmungsaufheller nach sportlichen Pleiten und atmosphärischen Störungen in den vergangenen Wochen.
„Wir wollen in das Final Four. Mit diesen acht Toren Vorsprung haben wir jetzt ein schönes Polster für das Rückspiel", sagte Trainer Petkovic. Geschäftsführer Bob Hanning war ebenfalls sehr erleichtert: „Wir haben uns selbst belohnt. Ich bin mit der kämpferischen und spieltaktischen Einstellung sehr zufrieden."
Der Sieg in Hannover war erst der zweite in den vergangenen acht Pflichtspielen, der EHF-Pokal ist für den Titelverteidiger die letzte Chance, die Saison noch halbwegs zu retten. Das Rückspiel gegen Hannover findet am Sonntag (28. April, 15 Uhr) in der Max-Schmeling-Halle statt. „Wir haben eine unfassbar schwierige Saison", gibt Hanning zu. Seine Enttäuschung verhehlt der ehrgeizige Hanning nicht, schließlich wollte er mit den Füchsen in dieser Saison hoch hinaus: „Wir waren in unserer Welt eher Richtung Champions League unterwegs." Die Realität: Die ersten vier Plätze sind außer Reichweite, nach 27 Spielen hatten die Berliner nur 30 Punkte auf dem Konto.
Klarer Sieg in Hannover
Um in der kommenden Saison doch noch am internationalen Geschäft teilzunehmen und damit attraktiver für potenzielle Neuzugänge zu werden, muss Berlin den EHF-Pokal gewinnen oder doch noch Platz fünf in der Liga erreichen. Hoffnung macht der gute Auftritt in der Liga am Gründonnerstag gegen Kiel vor 10.000 Zuschauern. Bei der knappen Niederlage bewiesen die Füchse, dass sie durchaus mit Top-Teams mithalten können. „Wenn wir in jedes Spiel mit dieser Einstellung gehen", meinte Kapitän Hans Lindberg, „gewinnen wir auch wieder."
Doch Trainer Petkovic legte den Finger in die Wunde. „Wir verlieren, verlieren, verlieren", wetterte der 62-Jährige, der nach dem Kiel-Spiel sogar einen Mannschaftsteil konkret kritisierte: „Von den Torhütern hatten wir keine Unterstützung."
Ein brisanter Satz – nicht nur aus sportlicher Sicht. Es war das erste Heimspiel von Stammtorhüter Silvio Heinevetter nach dem angekündigten Wechsel zur MT Melsungen in der übernächsten Saison und dem öffentlichen Streit mit Hanning. Heinevetter wurde wie immer freundlich begrüßt, Pfiffe wegen seines Abgangs gab es keine. Doch der Nationalspieler zeigte auf dem Parkett nicht, dass es ein Fehler von Hanning war, ihn gehen zu lassen. Auch sein Ersatzmann Malte Semisch erwischte keinen guten Tag.
Rund 400.000 Euro soll Heinevetter in Berlin pro Jahr verdienen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt für Hanning aber nicht mehr. „Fakt ist: Silvio ist unser teuerster Spieler, seine Leistungen in den vergangenen anderthalb Jahren waren durchwachsen, und wir sind nicht so zufrieden, wie man es von einem Weltklasse-Torhüter erwarten darf", hatte Hanning die Trennung des Publikumslieblings begründet. Was folgte, war ein öffentlich geführter Streit, der zwar die Berliner Boulevardblätter erfreute, der aber ein schlechtes Licht auf alle Beteiligten warf.
Heinevetter bezichtigte Hanning der Lüge, weil der ihm niemals einen neuen Vertrag habe anbieten wollen, auch nicht zu verringerten Bezügen, wie Hanning behauptete. Heinevetters Lebensgefährtin Simone Thomalla befeuerte den Zwist in sozialen Medien mit einem Bild auf Instagram, auf dem ein Männchen mit Fuchskopf und dem Spruch „Lügen haben kurze Beine" zu sehen ist. Dazu schrieb die Schauspielerin: „Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Manchmal braucht man halt zehn Jahre, um zu verstehen". Versehen war dieser Beitrag unter anderem mit dem Schlagwort #Hanswurst.
Hanning sucht neuen Schlussmann
Klar, dass Bob Hanning gemeint war. Der Füchse-Geschäftsführer konterte: „Auf diesem Niveau spiele ich nicht, weil sie mich da um Längen schlägt." Er hat andere Methoden, um den offensichtlichen Machtkampf mit Heinevetter als Sieger zu beenden: Hanning kündigte an, „ab sofort den Torhüter-Markt" sondieren zu wollen. Das bedeutet: Findet Hanning einen guten Schlussmann, dürfte das Kapitel Berlin für Heinevetter schon nach dieser Saison beendet sein. Kaum vorstellbar, dass sich der 34-Jährige ein Jahr lang auf die Bank oder gar Tribüne setzt und der Streit die Atmosphäre weiter vergiftet. Das ist für beide Seiten ein wenig wünschenswertes Szenario.
Handball-Ikone Stefan Kretzschmar glaubt, dass die Sache für Hanning und Heinevetter noch gut ausgehen könnte. „Silvio hat einen Vertrag bis zu
diesem Zeitpunkt. Beide haben sich offenbar ausgesprochen und sachlich über die Situation gesprochen", sagte der frühere Nationalspieler bei Sport1: „Natürlich fühlt sich Silvio im Moment bestimmt ungerecht behandelt. Er ist seit Jahren das Gesicht der Füchse Berlin und ist es immer noch. Er hätte bestimmt gerne seine Karriere dort beendet."
Als Aufsichtsratsmitglied beim Bundesligisten SC DHfK Leipzig weiß Kretzschmar, „dass man in verantwortlicher Position manchmal unpopuläre Entscheidungen treffen muss". Unverständnis zeigt er jedoch für die Art und Weise der Auseinandersetzung: „Es geht um das Wie." Und hier gaben beide Parteien kein gutes Bild ab, die „Süddeutsche Zeitung" schrieb zum Beispiel von einer „Schmierenkomödie mit Bob, Silvio und Simone" und einer „Hanswurstisierung des wichtigsten Mannes im deutschen Handball". Gemeint war der mächtige DEB-Vizepräsident Hanning.
Dieses unwürdige Ende überschattet die eigentliche Erfolgsgeschichte von Heinevetter in Berlin, findet Kretzschmar. „In den letzten Jahren hat Heinevetter jeden Euro seines Gehalts gerechtfertigt", sagt der frühere Weltklasse-Handballer: „Einerseits durch seine sportlichen Leistungen, aber auch durch seine eigene Popularität und die Partnerschaft mit Simone, die den Füchsen viel PR gebracht hat."
Von dieser Popularität will nun die MT Melsungen profitieren. „Durch seine Beziehung zu Schauspielerin Simone Thomalla (seit 2012) hat Silvio Heinevetter einen Bekanntheitsgrad erreicht, der weit über den Handballsport hinausreicht", schrieb der Club auf seiner Internetseite zur spektakulären Verpflichtung. Und Heinevetter behauptete, Melsungen habe um ihn gekämpft „wie um eine tolle Frau".