Edda Petri zieht es wieder zum Musical. Ab 23. Mai steht die 54-Jährige in der „Rocky Horror Show" in Neunkirchen als Magenta auf der Bühne. Zeitgleich arbeitet sie an vielen weiteren Projekten. Das funktioniert dank dem starken Willen der Künstlerin. Den hat auch schon mal ein Kamel zu spüren bekommen.
Bei einem Interview mit Edda Petri passiert vor allem eines: Es wird oft gelacht. Jugendlichen Charme kann man getrost als eines der Markenzeichen von Petri nennen, wenn sie von ihrem Leben erzählt und dabei fröhlich lachend durch ihr Büro hüpft, um zu demonstrieren, wie sie mal bei Proben für „Faust" das Reiten auf einem Besenstil üben musste. „Ich war ein sehr introvertierter Mensch", ist dann die überraschende Aussage der 54-Jährigen mit Blick auf ihre Zeit als junges Mädchen im heimatlichen Lippstadt. „Theater zu spielen habe ich als unglaubliche Befreiung erlebt. Wenn ich auf der Bühne stand, konnte ich alles machen. Schreien, mich verlieben, Leute umbringen."
Ihre Eltern, der Vater Jurist, die Mutter Hausverwalterin, sind damals allerdings nicht begeistert, als die älteste ihrer drei Töchter die Schauspielerei zum Beruf machen will. Das verunsichert die junge Edda, sie sucht zunächst einen anderen Weg, um ihrem „Interesse an Menschen" nachzukommen und beginnt ein Psychologiestudium in Bochum. Auf der Bühne steht sie weiterhin, in Studenten-Gruppen. „Irgendwann dachte ich: Das ist es eigentlich!" Sie bricht das Studium ab, bewirbt sich an einer Schauspielschule in München und wird genommen. Die Eltern akzeptieren es. „Mein Vater hat immer gesagt, du musst was machen, wofür du wirklich brennst, sonst bist du nicht gut."
Sie sei damals mit 22 Jahren noch sehr unreif gewesen. „Ich habe mir sofort eine Lederjacke gekauft und angefangen zu rauchen", erzählt sie und grinst. Eine Zeit des Umbruchs sei das Schauspielstudium gewesen. Noch während ihrer Ausbildung lernt sie den bedeutenden Schriftsteller und Regisseur Herbert Achternbusch kennen und spielt in seinen Filmen „Wohin?" und „I know the way to the Hofbräuhaus" mit.
Dann hat sie gemeinsam mit anderen Schauspielstudenten die Chance, bei der „Faust"-Produktion des renommierten Regisseurs und Intendanten Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen in vielen kleinen Parts mitzuwirken. Für Petri, die schon als Jugendliche mit Begeisterung Aufführungen der Kammerspiele verfolgt hatte, eine tolle Sache. „Ich hatte immer die Großen des Theaters gesehen und plötzlich stand ich mit denen auf der Bühne. Das habe ich als große Ehre empfunden."
Entschluss zum Gang in die Provinz nach Studienende
Nach Abschluss ihres Studiums entschließt sich die Künstlerin zum „Gang in die Provinz." „Ich dachte, ich muss erst mal durch die normale Theaterschmiede." Sie erhält ein Engagement in Kaiserslautern und bleibt dort über zwei Jahre. „Dann riefen die Kammerspiele wieder an und fragten, ob ich das ‚Glück‘ in einer Achternbusch-Regie („Auf verlorenem Posten") spielen will." Edda Petri will und erlebt im wahrsten Sinne des Wortes etwas tierisch Aufregendes während einer Vorstellung. „In dem Stück spielte ein Kamel mit, das auf der Bühne im Hintergrund in Ruhe grasen sollte, während ich einen 20-minütigen Monolog sprach und zwei Eimer in der Hand hielt." Das Kamel beherrscht zunächst seine Rolle, bis es schließlich in die Pubertät kommt. „Es wurde aggressiv und ließ sich von einem Kollegen, der es während meines Monologs abführen sollte, nicht mehr dazu bewegen mitzugehen." Stattdessen tritt das Tier die Flucht nach vorne an. „Es fing an, an meinen Haaren zu fressen, haute seinen Kopf in die Eimer, die flogen über die Bühne. Ich hatte ein echtes Problem". Petri verlacht sich minutenlang bei der Erinnerung. Schließlich habe sie das Tier an der Mähne gepackt und seinen Kopf unter ihren Arm geklemmt, den Monolog verkürzt fertiggesprochen. „Mir lief der Schweiß runter. Die Zuschauer dachten, es gehört dazu."
Resolut, das ist sie, und zielstrebig. „Wenn ich was will, ziehe ich das durch." Wie damals, als junges Mädchen, als sie gerne ein eigenes Pferd gehabt hätte. „Mein Vater sagte: ‚Nur wenn Du eine Eins in Mathe hast.‘ Das war fast unmöglich, weil ich immer auf einer Fünf stand", erzählt sie mit einem schelmischen Lachen. Das junge Mädchen arbeitet sich auf eine Eins hoch, will das Pferd dann aber doch nicht mehr, weil sie sich schon als viel beschäftige Schauspielerin sieht. Sie ist also auch ein vernünftiger Mensch? „Nö", ist die prompte Antwort.
1991 fängt Petri im Ensemble des Staatstheaters Saarbrücken unter Intendant Kurt Josef Schildknecht an. „Er hat mir sehr viel beigebracht und ich konnte viel spielen."
In Saarbrücken lernt sie den Musiker und Produzenten Joachim Arnold kennen, Chef der Musik und Theater Saar GmbH. Die beiden heiraten und bekommen zwei Söhne. „Das soll man ja als Schauspielerin nicht machen", sagt sie und lacht. „Aber ich wollte das unbedingt, das war ein echter Herzenswunsch! Wegen der Kinder will sie für Engagements nicht mehr so viel reisen. Sie bringt ihr künstlerisches Know-how in der Firma ihres Mannes mit ein, übernimmt die Dramaturgie bei Opernproduktionen und arbeitet in der Organisation mit. Bei dem Musical „Hairspray" geht sie dann auch wieder auf die Bühne. „Ich hatte beim Staatstheater auch bereits in Musicals gespielt." Regisseur Andreas Gergen besetzt sie dann erneut bei „Addams Family" als Morticia. Die gruselig-schräge Morticia entspricht genau Petris Lust an kantigen Frauenfiguren.
2017 geht ihre Ehe in die Brüche. „Ein großer Einschnitt nach 23 Jahren", sagt Edda Petri, und hier wird sie ganz ernst. „Ich hatte das ideale Bild des Miteinander-Altwerdens. Das war sehr schwer loszulassen."
Die künstlerische Vita ist lang: mit Film, TV und Theater
Heute gehe es ihr gut, versichert sie. Und das liegt sicher auch an den vielen spannenden Projekten, die sich immer wieder auftun. Ihre künstlerische Vita auf ihrer Website ist lang, Film und Theater stehen Seite an Seite. Vor Kurzem hat sie für eine große Serie in Berlin gedreht, „Capelli Code", die an Streamingdienste verkauft werden soll. „Ich spiele die Mutter der Bundeskanzlerin", sagt sie lachend. Dafür musste sie eine Altersmaske tragen. Das sei ein „seltsames Gefühl gewesen". Und gerade sind die Proben für die legendäre „Rocky Horror Show" gestartet, die am 23. Mai in Neunkirchen Premiere feiert. Petri gibt das schrille Hausmädchen Magenta. Gleichzeitig ist sie noch für die Produktionsleitung zuständig. Diese Aufgabe passt perfekt zu ihrem neuen Job. Seit letztem Jahr bekleidet Petri in Neunkirchen die Stelle der Integrationsmanagerin für Kunst- und Kreativwirtschaft, koordiniert soziokulturelle Projekte, stellt Kontakte in der Künstlerszene her und konzipiert Großveranstaltungen, wie zum Beispiel eine Podiumsdiskussion über Sterbehilfe im kommenden Herbst. Ihr Büro hat sie im sogenannten Kutscherhaus, das sie als Chefin leitet. In die anderen Räume sind weitere kreative Menschen eingezogen. „Sie zahlen keine Miete, nur Nebenkosten, und sollen dafür der Stadt eine ideelle Miete zurückgeben", erklärt Petri das Konzept. Heißt, sie sollen sich für kulturelle Projekte in Neunkirchen engagieren.
Auch privat geht Edda Petri gern nah an die Menschen ran, sie ist eine Frau, die anpackt. Vor ein paar Jahren hilft sie in einer Kleiderkammer für Flüchtlinge mit und wird auf eine syrische Familie aufmerksam, der sie spontan unter die Arme greift. Sie telefoniert rum, besorgt ihnen eine Wohnung. „Unter ihnen wohnt eine alte Dame, die ins Heim gemusst hätte", erzählt sie. Die Flüchtlinge kümmern sich um sie, sodass sie in ihrer Wohnung bleiben kann. Petri will das Thema Flüchtlinge aber nicht schönreden, sie weiß um die Probleme und auch die Ängste. „Meine beste Empfehlung ist: Lernt die Leute kennen. Sie lachen über die gleichen Dinge. Schlechte Menschen gibt es überall."
Petri dürfte ausgelastet sein – doch weit gefehlt. Die Powerfrau arbeitet nebenbei auch noch als Stimm-Coach für Wirtschaftsunternehmen und hält Schauspielworkshops ab. Freie Wochenenden kennt sie kaum. Und wenn, „dann bügele ich", sagt sie und lacht. Entspannen kann sie bei Spaziergängen mit dem Hund. Bleiben bei all den Projekten noch Wünsche offen? Petri überlegt. Sie sei nicht so die Planerin, eher ein „Hier und Jetzt"-Mensch. Dann fällt ihr aber doch noch etwas ein. „Ich rede gerade mit einem Regisseur ganz konkret über ein Stück über das Leben von Peggy Guggenheim. Eine schillernde, sehr durchgeknallte Person." Wieder eine der kantigen Frauen, die Edda Petri so mag. Man darf gespannt sein.