Nach Wochen voller Strapazen fiebert Alba Berlin der einwöchigen Pause vor dem Beginn der Play-offs entgegen. Mit mehr Regeneration und besserer Vorbereitung will das Team Titelfavorit Bayern München herausfordern.
Bei Alba Berlin bekam das Wort „Trainingsspielchen" zuletzt eine völlig neue Bedeutung. „Jedes Spiel ist jetzt auch ein Training", sagte Trainer Aito Garcia Reneses: „Wir probieren Dinge aus. Es geht nicht anders." Der Wettkampfkalender hetzte den deutschen Basketball-Vizemeister wochenlang von einem Spiel zum nächsten, Zeit für Regeneration oder gar taktische Trainingsarbeit blieb kaum. Am Ende der Hauptrunde wird Alba 18 Partien in 47 Tagen absolviert haben – ein Irrsinn.
Für Reneses ist es daher keine große Überraschung, dass seine Mannschaft zuletzt Rückschläge wie die Niederlagen gegen MEDI Bayreuth und Bayern München einstecken musste. „Für uns ist es aktuell unmöglich, unsere beste Leistung abzuliefern", sagte der Spanier nach dem verlorenen Prestige-Duell gegen den Tabellenführer aus Bayern, dem die Berliner nach einer halben Stunde kaum noch etwas entgegenzusetzen hatten. „Wir reisen die ganze Zeit und haben weder Zeit zur Vorbereitung noch zur Regeneration", erklärte der Coach. Gegen Bayern habe sein Team nur zu zehn Prozent „unseren Stil gespielt".
Erholungs-Pausen fehlen dem Team
Was mit ein wenig mehr Pause möglich ist, bewiesen Reneses und seine Spieler beim Heimspiel gegen s.Oliver Würzburg. Nach vier Tagen Pause – so viel wie seit Ende März nicht mehr – überrollten die Berliner ihren Gegner förmlich und sorgten beim 108:69-Sieg für einen Dreier-Rekord (18). Der Fairness halber muss gesagt werden, dass die Gäste vor 8817 Zuschauern stark ersatzgeschwächt angetreten waren und kurz zuvor international im Finale des Fiba Europe Cup verloren hatten.
„Wir konnten uns ausruhen und trainieren, für Würzburg war das Gegenteil der Fall", sagte Reneses wenig euphorisch: „Sie haben mit weniger Energie gespielt als normalerweise." Trotzdem: Mit dem klaren Sieg festigte Alba seinen dritten Tabellenplatz und tankte neues Selbstvertrauen für die bald anstehenden Playoff-Partien. „Es war gut, dass wir mal wieder genug Energie hatten, unser Spiel zu spielen", sagte Center Johannes Thiemann sichtlich erleichtert. Vor allem Albas Überlegenheit unter dem Korb war frappierend.
Ein Grund dafür ist Landry Nnoko. Der physisch starke Center will sich Probleme wegen des engen Wettkampfplans gar nicht erst einreden lassen. „Wenn du auf höchstem Niveau spielen willst, musst du auch in der Lage sein, dich nach kurzem Videostudium auf den Gegner einzustellen", sagte der gebürtige Kameruner.
Eine Herausforderung seien weniger die Spiele, sondern vielmehr die Reisestrapazen, betonte Nnoko, der sich deshalb auf den Heim-Dreierpack gegen Würzburg, Bonn und Bremerhaven freute: „Endlich müssen wir nicht in den Bus oder gar ins Flugzeug klettern. Das wird uns helfen, wieder zu unserem Spiel zurückzufinden, das zuletzt etwas verloren gegangen ist." Siege helfen natürlich, die Belastung besser zu verarbeiten. Große Triumphe sogar noch mehr. Doch die Final-Niederlage im Euro Cup im dritten und entscheidenden Duell in Valencia war ein Dämpfer für die Albatrosse – körperlich wie mental. In dieser Phase sei es nur darum gegangenen „heil rauszukommen", wie Manager Marco Baldi es ausdrückte. Das gelang den Berlinern, die sich nun auf die einwöchige Pause bis zum Start der Play-offs freuen. „Gerade weil wir so unter Druck stehen, so oft spielen, wird sich das wie sechs Wochen Karibikurlaub anfühlen", meinte Baldi.
Bei Trainer Reneses werden aber sicher keine Urlaubsgefühle aufkommen. Er will die Zeit nutzen, um Alba wieder zu einem ernsthaften Herausforderer für den großen Titelfavoriten München zu formen. Dessen Trainer Dejan Radonjic wagte nach dem letzten direkten Hauptrunden-Duell der beiden Vorjahresfinalisten die Prognose: „Ich denke, wir werden in dieser Saison noch mal gegen Alba spielen."
Die Philosophie bleibt bestehen
In einem möglichen Finale zwischen Bayern und Alba sehen sich viele Berliner auf der Trainerposition im Vorteil. Aito Garcia Reneses hat sich seit seiner Ankunft im vergangenen Sommer viel Respekt, ja sogar Bewunderung erarbeitet. Trotz seiner 72 Jahre gilt der Spanier als ein Trainer, dem herausragende Fähigkeiten im Umgang mit jungen Talenten nachgesagt wird. Dank seines Trainings und seiner Menschenführung haben es schon einige Spieler in die nordamerikanische Profiliga NBA geschafft, die dort heute zu den Stars zählen: Paul Gasol von den Milwaukee Bucks zum Beispiel oder Kristaps Porzingis (Dallas Mavericks).
Und Reneses liebt es, die Großen zu ärgern. Auf beide Sachen zielt die Alba-Strategie ab, deshalb ist der Coach, gerade zum Euro-Cup-Trainer der Saison gewählt, ein Glücksfall für den Club. Zumal der Madrilene eine Art Spielkultur verkörpert, die in der Bundesliga eher selten zu sehen und voll auf das talentierte Berliner Team zugeschnitten ist. Bei Reneses soll Basketball im wahrsten Sinne des Wortes noch gespielt werden. „Aito ist ein großartiger Trainer, er ist sehr gut für den Basketball in Berlin, Deutschland und Europa", sagte Sportdirektor Himar Ojeda der „Berliner Zeitung": „Je länger er hier coacht, umso besser." Doch noch ist die Trainerfrage für die kommende Saison nicht endgültig geklärt, Reneses zögert mit seiner Zusage für ein weiteres Jahr. Sportliche Erfolge sind die besten Argumente im Verhandlungspoker. „Der Weg von Alba in die Euro League wäre sehr interessant für ihn", weiß Ojeda über Reneses zu berichten: „Er hat weiter Leidenschaft und Energie. Ich bin optimistisch, dass er mit uns verlängert."
Und wenn nicht? Dann wird Alba seinen Weg mit einem anderen Trainer unbeirrt fortsetzen. „Andere Sportdirektoren, andere Trainer, andere Spieler, aber: eine Philosophie", sagt Ojeda. Es scheint fast sicher, dass ein möglicher Reneses-Nachfolger aus dem eigenen Trainerstab befördert wird. Doch der aktuelle Headcoach bleibt der Wunschkandidat. Wegen ihm würden wohl auch Spieler nach Berlin ziehen, die Alba vermutlich sonst nicht bekommen würde. Dank seiner ruhigen und sachlichen Art sowie seinem großen Sachverstand genießt Reneses einen ausgezeichneten Ruf in der Szene.