Union Berlin hat die Relegationsspiele gegen den VfB Stuttgart sicher und kann mit Schützenhilfe aus Dresden sogar noch direkt aufsteigen.
Auf den Rängen ging die Post ab, doch die Spieler von Union Berlin waren nicht in allergrößter Feierlaune. Bei ihrer Ehrenrunde im Stadion an der Alten Försterei blickten sie immer wieder auf ihre Gegenspieler, die geschlagen am Boden lagen und mit den Tränen kämpften. Durch den 3:0 (1:0)-Sieg im letzten Heimspiel der regulären Saison hatten die Eisernen den 1. FC Magdeburg ein Jahr nach dem hart erkämpften Aufstieg wieder zurück in die Dritte Liga geschossen.
Auch aus Rücksicht vor dem Gast nahmen sich die Hausherren bei der Heim-Party zurück, doch es gab noch einen wichtigeren Grund: Union hat noch nicht fertig. Der Traditionsclub aus Köpenick steigt nach dem Ligafinale am kommenden Sonntag (19. Mai, 15.30 Uhr) beim VfL Bochum entweder direkt in die Fußball-Bundesliga auf – oder er kämpft in der Relegation am 23. und 27. Mai gegen den VfB Stuttgart um den erstmaligen Sprung ins deutsche Oberhaus.
Als Union-Trainer Urs Fischer in der Pressekonferenz gefragt wurde, wie sich der bislang größte Erfolg der Vereinsgeschichte anfühle, zuckte der Schweizer nur kurz mit den Schultern: „Ich sehe es noch nicht als Erfolg an, ehrlich gesagt. Beim letzten Spiel in Bochum ist noch einiges drin. Es ist noch nichts gewonnen." Auch Doppeltorschütze Sebastian Polter (31. und 90.+6) wollte noch keine Glückwünsche zur starken Saison annehmen, denn: „Wir wollen Platz zwei, das ist doch ganz klar. Aber wir können es nicht selber steuern."
Die Berliner sind auf Schützenhilfe ausgerechnet vom Ost-Rivalen Dynamo Dresden angewiesen. Die Gelb-Schwarzen, für die es am letzten Spieltag um nichts mehr geht, müssen am Sonntag dem SC Paderborn (57 Punkte, +28 Tore) mindestens ein Unentschieden abknöpfen, dann kann Union (56/+21) mit einem Sieg in Bochum den Aufstieg feiern. Der Hamburger SV kann die Eisernen angesichts von drei Punkten Rückstand und einer um 21 Tore schlechteren Tordifferenz praktisch nicht mehr einholen.
„Ich sehe es noch nicht als Erfolg an, ehrlich gesagt"
„Wir müssen unsere Hausaufgabe erledigen und dann sehen, ob wir eine gute Saison noch krönen können", sagte Grischa Prömel, der gegen Magdeburg per Kopf den 1:0-Führungstreffer (8.) erzielt hatte. Prömel und Co. bemühten sich, vor dem Herzschlagfinale den Druck nicht an sich heranzulassen. „Wir sind nicht der 1. FC Köln, der sich große Ziele setzen muss, sondern Union Berlin, ein Arbeiterverein", sagte Prömel. „Die Fans haben es ganz gut wiedergegeben mit dem Plakat: Alles kann, nichts muss."
Auch Polter warnte vor zu großen Erwartungen im Saisonfinish. Schon jetzt habe das Team mehr erreicht als erwartet, sagte der Torjäger: „Wir haben uns in die Position gebracht, auf jeden Fall in der Relegation zu spielen. Das ist schon ein Riesenschritt für diesen Verein, wenn man weiß, wo wir letzte Saison gestanden haben." Am Ende der vergangenen Spielzeit schwebte der Club sogar kurzzeitig in Abstiegsgefahr, auch deshalb forderte Polter Demut: „Das waren schlechte Zeiten, jetzt haben wir gerade ein Hoch. Das werden wir bis zum Ende genießen, egal wie es letztlich ausgeht."
Auf jeden Fall werden viele Unioner am kommenden Sonntag ausnahmsweise auch zu Dynamo-Fans. Im Zeitalter von Smartphones werden die Zwischenergebnisse aus Dresden auch in Bochum allgegenwärtig sein, doch die Spieler wollen sich davon nicht beeinflussen lassen. „Es nützt uns ja nichts, alle zehn Minuten rauszurennen und zu fragen, wie es in Dresden steht. Dann verliert man komplett den Fokus", sagte Prömel. Ob der nun nochmals gestiegene Druck zum Problem für seine Spieler wird, wusste Fischer nicht so recht zu beantworten: „Das ist möglich. Es kann aber auch Energien freisetzen."
Schon gegen Magdeburg war Union zum Siegen verdammt – und die Mannschaft kam mit dem Druck gut zurecht. „Griffig" sei sein Team gewesen, lobte Fischer, „und sehr effizient vor dem Tor." In der Tat war der Unterschied zwischen dem Vielleicht-Aufsteiger und dem Absteiger nicht so groß. Doch die Berliner zeigten etwas mehr Gier – und das nicht ohne Grund. „Vor dem Spiel haben wir uns eingeschworen, dass jeder auf seiner Position die Zweikämpfe annehmen und sein Duell gewinnen muss", verriet Prömel. „Das haben wir extrem gut gemacht. Magdeburg hat gefühlt nicht einmal aufs Tor geschossen, und wir hatten einige gute Umschaltaktionen."
Schon seit dem Erfolg im Heimspiel zuvor gegen den Hamburger SV (2:0) habe die Mannschaft den unbedingten Siegeswillen verinnerlicht, findet Polter. Apropos HSV: Der frühere Bundesliga-Dino muss definitiv eine weitere Runde in der Zweiten Liga drehen. Polter dazu: „Der HSV ist ein großer Club, der sich viel vorgenommen hat. Jetzt muss er leider noch ein Jahr in der Zweiten Liga spielen." Dieses Beispiel zeige aber auch, dass man im Unterhaus „nicht einfach so durchmarschieren" könne.
„Bei Ballgewinnen schnell umschalten"
Vor zwei Jahren stand Union selbst im Aufstiegsrennen kurz vor Schluss mit leeren Händen da. Auch wegen dieser Erfahrung sei es vor dem Hamburg-Spiel nicht so erfolgreich gelaufen wie gewünscht, erklärte Polter: „Dass wir vor zwei Jahren gescheitert sind, ist irgendwo immer in den Köpfen drin." Jetzt aber nicht mehr, versichern die Spieler.
Gegen Bochum müssen sie es beweisen. Polter lobte den VfL als „sehr spielstarke Mannschaft" – doch das sei vielleicht sogar ein Vorteil: „Wir tun uns oft leichter, wenn der Gegner mitspielt. Wir sind stark, wenn wir bei Ballgewinnen schnell umschalten können." Das zeigten die Berliner im Spiel gegen Magdeburg, auch wenn die Leistung insgesamt noch nicht wirklich erstligatauglich war. Polter bat um Verständnis, der Gegner habe ein schöneres Spiel nicht zugelassen. „Für Magdeburg ging es um die Existenz, die haben um jeden Ball gefightet", sagte der 28-Jährige. Ihm tue es leid für den FCM, „das ist auch ein Ostverein mit super Fans."
Einige dieser Fans benahmen sich im Moment des Abstiegs jedoch daneben. Das Spiel war für rund zehn Minuten unterbrochen worden, weil Magdeburger Chaoten gegen Ende der Partie im Stadion gewütet hatten. Sogar die Ordner wurden körperlich angegangen. Schiedsrichter Robert Schröder (Hannover) ging kein Risiko ein und pfiff die Partie erst wieder an, als sich die Situation – vor allem dank eines massiven Ordnereinsatzes – beruhigt hatte.
Die Magdeburger Spieler versprachen ihren tief enttäuschten Fans, im letzten Zweitligaspiel gegen Zweitligameister 1. FC Köln, „noch mal Gas zu geben", so Kapitän Christian Beck. Doch der Abstieg nahm die Magdeburger ganz offensichtlich sehr mit. „Heute ist einfach nur eine Leere da, einfach nur Trauer", sagte Beck. Deshalb gingen die Berliner auch zunächst auf ihre am Boden liegenden Gegner zu und spendeten Trost, ehe sie auf ihre Ehrenrunde gingen. Für eine ausgelassene Feier ist nach der Saison noch Zeit.